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Die Niederlande vor den Wahlen – eine Einschätzung

Nur noch sechs Tage sind es hin bis zu den Wahlen in den Niederlanden. Schon seit vielen Wochen dreht sich in Zeitungen, im Fernsehen und Radios alles um dieses Thema. Kein Wunder, denn es ist keine Wahl wie jede andere. Davon weiß auch Ute Schürings zu berichten. Die Niederlande-Expertin hat gerade erst ihr neues Buch „Benelux – Porträt einer Region“ herausgebracht, in dem sie unter anderem auf die Politik in den Niederlanden eingeht und die Stimmung im Land beschreibt. Im Interview mit AHA24x7.com gibt sie eine Einschätzung zu den Wahlen ab.

AHA24x7.com: Die Wahlen in den Niederlanden stehen unmittelbar bevor, die Spannung steigt im ganzen Land. Wie erleben Sie die Niederländer vor der Wahl?

Ute Schürings: Das Thema beherrscht natürlich zurzeit die Medien, und man verfolgt mit großem Interesse das Auftreten der verschiedenen Parteiführer in öffentlichen Debatten, wie etwa am vergangenen Sonntag. Danach wird diskutiert, wie die einzelnen Kandidaten sich präsentiert haben, wie sie von der Moderatorin in die Mangel genommen wurden, und worin sich ihr Programm überhaupt noch voneinander unterscheidet.

 

„Teile der niederländischen Bevölkerung fühlen sich von den bürgerlichen Parteien nicht mehr repräsentiert.“

 

AHA24x7.com: Warum ist die Wahl in diesem Jahr eine so besondere?

Ute Schürings: Umfragen wiesen zunächst in die Richtung, dass die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders stärkste Kraft werden würde und damit stellte sich die Frage, ob er einen Koalitionspartner finden würde. Nach und nach sprachen sich aber die großen Parteien gegen eine Zusammenarbeit mit Wilders aus, auch der jetzige Premierminister Mark Rutte. In den Medien wird darüber diskutiert, ob man zur Wahl gehen sollte, um Wilders zu verhindern, oder ob man etwa die Rutte-Partei, die rechtskonservative VVD, wählen sollte, damit Wilders nicht stärkste Kraft wird.

AHA24x7.com: Wie erklären Sie sich den Erfolg der Rechtspopulisten, wo die Niederlande doch ein sehr aufgeklärtes Land sind?

Ute Schürings: Teile der niederländischen Bevölkerung fühlen sich von den bürgerlichen Parteien nicht mehr repräsentiert. Sie stimmen für Wilders, weil der angeblich den Bürgern ihr Land zurückgibt und sich gegen die „linksliberale Elite“ ausspricht. Sie sind der Ansicht, man habe es mit der Toleranz zu weit getrieben, und die Integration sei nicht gelungen – worüber man streiten kann, denn es gibt ja in vielen Bereichen eine sehr gelungene Integration.

AHA24x7.com: Welchen Wahlausgang prognostizieren Sie?

Ute Schürings: Am wahrscheinlichsten ist aus meiner Sicht eine große Koalition von fünf oder sogar sechs Parteien, unter der Führung von Mark Rutte.

Foto: Ch. Links Verlag

AHA24x7.com: In Ihrem Buch „Benelux – Porträt einer Region“, erklären Sie politische und kulturelle Zusammenhänge in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Was Sind aus Ihrer Sicht auf politischer und kultureller Ebene die größten Unterschiede zu Deutschland?

Ute Schürings: In allen drei Ländern gibt es eine ausgeprägte gesellschaftliche und politische Kompromissbereitschaft. In Deutschland agiert man dagegen oft eher konfrontativ, Konflikte werden ausgefochten, auch öffentlich. Das ist für mich der größte Unterschied.

AHA24x7.com: Wie entstand die Idee, ein solches Buch zu schreiben?

Ute Schürings: Ich bin seit acht Jahren selbständig als Trainerin für interkulturelle Kommunikation mit Schwerpunkt Niederlande. Vor längerer Zeit hatte ich schon einmal ein Buch über Unternehmenskultur in den Benelux-Ländern geschrieben, das heißt „Zwischen Pommes und Praline“, ist aber inzwischen vergriffen. Nun kam ein anderer Verlag auf mich zu und fragte, ob ich nicht ein neues Buch schreiben möchte. Es sollte um Alltag, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gehen. Da ich ja sowieso nichts Anderes mache, als mich täglich mit diesen Ländern zu beschäftigen, habe ich also gleich zugesagt.

Vielen Dank fürs Gespräch!

 

Über Ute Schürings

Geb. 1970, selbstständig als Trainerin für interkulturelle Kommunikation mit Schwerpunkt Benelux. Studium der Germanistik, Romanistik und Niederlandistik, Redaktionsmitglied von Le Monde diplomatique (Berlin), Dozentin für Niederländische Literatur/Kulturgeschichte an den Universitäten Oldenburg und Köln, 2005 Promotion. Autorin mehrerer Sachbücher über Unternehmenskultur in den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Sie zählt zu den wenigen Experten, die sowohl Französisch als auch Niederländisch sprechen und mit allen drei Ländern gleichermaßen vertraut sind.