Außerordentlich aufschlussreich ist ein Tag unter niederländischen Geschäftsleuten, die erfahren wollen: „Wie anders ticken die Deutschen?“
Ich fühlte mich wie das Kind, das unbemerkt den Eltern lauscht, kürzlich in einem altehrwürdigen Hotel im deutschen Grenzort Elten, wo lauter niederländische Geschäftsleute zusammengekommen waren, um sich fit für den deutschen Markt machen zu lassen. Einer der Anwesenden bemerkte, dass man in deutschen Firmen nicht selbstverständlich einen Kaffee angeboten bekomme. Da nickten die anderen zustimmend. Ich ging in mich und überlegt, wann ich zuletzt vergessen hatte, Kaffee anzubieten. Seminarveranstalter John Mazeland von der Business Alliance Niederlande Deutschland erklärte den Niederländern: „Deutsche kommen gern sofort zur Sache, um zu klären, ob ihr Gesprächspartner kompetent ist. Sie wollen schnell Ergebnisse. Leider fallen dann oft der Smalltalk und der Kaffee weg.“ Durchaus ernst war sein Ratschlag gemeint: „Fahren Sie, wenn Sie in Deutschland zu tun haben, einfach eine halbe Stunde früher los, dann können Sie auf jeden Fall noch im Café um die Ecke einen Kaffee trinken.“ Die Runde, überwiegend Mittelständler, nickte wieder, als er sagte: „Der Imageverlust, der dadurch eintritt, dass man keinen Kaffee anbietet, ist viel größer als der Schaden dadurch, zwei Tassen Kaffee zu viel zu machen.“
Kaffee und Smalltalk sind sinnbildlich für den informellen Kontakt, dessen Bedeutung für Geschäftskontakte mit Niederländern recht entspannen sind und schon mal zu spät kommen, ist man in Deutschland pünktlich. Also nicht zwei Minuten vor der Zeit, sondern eine Viertelstunde, lernte ich. Bei Regen sogar eine halbe Stunde: „Dann kann man mit dem Schuhputzzeug, das möglichst im Auto bereit liegt, noch die matschverschmierten Schuhe putzen“, erklärte Jörg Renner, Kommunikations-Coach im Dienst der BAND. Wer ihn kennen gelernt hat, weiß, dass die Stilmittel der Satire ihm nicht fremd sind, um Dinge zu verdeutlichen.
Ein so überaus korrekter und pünktlicher Deutscher, der tagsüber auf die Wahrung der Form bedacht ist, können sich abends in der Kneipe überraschenderweise zum jovialen Kumpel entpuppen, erklärte Seminarleiter Mazeland. Die Deutschen seien Meister im Rollenspiel namens „Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps“. Immer Rollen spielen zu müssen, kann anstrengend sein. Darum gab Jörg Renner einen Schnellkurs in niederländischen Entspannungstechniken: „Lieber Deutscher, bleib mal Mensch. Arbeite an deinem Charme: Lächeln, einen Witz machen, sich zurücklehnen. Versuche nicht sofort, deine Mappe zu präsentieren, weil die so teuer war und so viel Zeit gekostet hat.“ Und noch ein paar Tipps für die Charme-Offensive: „Frag dein Gegenüber erst nach seinen Kindern. Denk nicht sofort: Wo kommt er her? Was für einen Abschluss hat er? Was sind die Anforderungen? Sag dir lieber: Aha, er hat zwei Arme, zwei Beine, ist halb behaart, kein Affe, also einer von meiner Sorte. Die Hand geben, Guten Tag sagen. Dann klappt alles.“ Ach ja, etwas fehlt dann doch noch: Kaffee.
Claas Möller ist Wirtschaftsjournalist mit Schwerpunkt Niederlande