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Von männlichen und weiblichen Kommunikationsmustern – Teil 1

Auf AHA24x7.com befassen wir uns in erster Linie mit Unterschieden zwischen Deutschen und Niederländern. In diesem Fall jedoch geht es um die unterschiedliche Kommunikation von Venus und Mars – oder: von Männern und Frauen. Aber irgendwie hat es ja doch mit Deutschen und Niederländern zu tun. Schließlich heißt es doch allenthalben, dass Niederländer eine feminin geprägte Kultur haben und Deutsche ein maskulin geprägte. Oder?

 

Mit männlichen UND weiblichen Kommunikationsmustern gelassen in Führung gehen. Ein Vierteiler von Katja Schleicher.

Dieser Artikelserie liegt der Wunsch zugrunde, Verwirrung auf- und AHA-s aus zu lösen. Klar sind Frauen von der Venus und können manchmal wirklich nicht einparken. Die marsianischen Männer haben echt oft null Bock, über Gefühle zu reden. Stimmt vielleicht. Führt uns jedoch als Vorannahme in der Management & Leadership -Kommunikation lediglich ins zwischenmenschliche Nichts. Katja Schleicher macht sich lieber auf die Suche danach, wie wir in der Leadership-Kommunikation das Optimum erzielen. Und stellt dabei fest, dass es keineswegs um Ansprache für Adam & Eva geht…

…sondern um das (Wieder-) Entdecken des männlichen UND des weiblichen Kommunikations-Musters in uns und deren komplette Nutzbarmachung in der Leadership-Kommunikation. Denn weder Frauen noch Männer sind per se die besseren oder schlechteren Führungskräfte und Manager. Erfolgreich werden diejenigen sein, die sowohl männliche als auch weibliche Kommunikationsmuster virtuos beherrschen und das passende Muster je nach Situation einsetzen können.

Eine wichtige theoretische Grundlage zu diesem Thema findet sich bei C.G. Jung, der das Prinzip von „animus“ und „anima“ als erster so formulierte: „Alle Menschen sind zugleich mit einem kompletten Satz männlicher und weiblicher Eigenschaften ausgestattet, die zusammengenommen für das Überleben und das Aufrechterhalten des inneren Gleichgewichts unabdingbar sind.“ Es handelt sich hierbei um zwei der wichtigsten Archetypen, also im kollektiven Unbewussten angelegte, von individueller Erfahrung unabhängige Urbilder. Dabei beschreibt Jung seinerzeit noch animus als Geist, Herz, Sinn, Gesinnung, Mut, Verstand und anima als die Vorstellung des Weiblichen im Mann. Letzteres hat sich inzwischen stark gewandelt hin zu einer Eigenständigkeit des weiblichen Prinzips.

In der folgenden Artikelserie geht es nicht um Männer und Frauen, sondern um männliche und weibliche Kommunikationsmuster. Egal, ob bei Männern oder Frauen. Beherrschen wir beide Muster, haben wir Zugriff auf breitere Ressourcen, die ohnehin in uns angelegt sind. In den kommenden Ausgaben werden die verschiedenen Aspekte dieses Themas beleuchtet.

Zwei Grundannahmen leiten diesen Artikel: 1) in der kindlichen Sozialisierung wird meist nur eines dieser Muster besonders deutlich ausgeprägt. Auf dieses greifen wir dann immer gerne zurück, wenn wir unter Stress stehen (zeitlich, emotional, etc.) und etwas erreichen wollen. Erst wenn sie groß ist und als Einkaufs-Leiterin Chefin von 200 Menschen merkt die kleine Prinzessin, die früher alles durch Heulkrämpfe bekommen hat, wie schwierig es wird, allein mit diesem Muster Entscheidungen durchzusetzen.

2) Das männliche Kommunikationsprinzip hat von Beginn der industriellen Revolution an dominiert und tut es zu großen Teilen noch heute. Erst in den letzten Jahren hat das weibliche Kommunikationsprinzip ins Management Einzug gehalten. Vor allem, als klar wurde, dass das „schneller, höher, weiter“ des Ford‘schen Kapitalismus seine Grenzen erreichen wird. Doch noch häufig wird das männliche Kommunikationsmuster als das einzig erfolgversprechende angesehen. Frauen in Management & Leadership-Positionen sind, besonders wenn ihnen das weibliche Muster vertrauter ist, oft versucht es 1:1 zu kopieren, ohne ihre ureigene weibliche Kommunikationsfähigkeit bewusst einzusetzen. Das in den letzten 100 Jahren gesellschaftlich dominierende männliche Kommunikationsmuster hat uns sehr weit gebracht, reicht jedoch nicht, um der komplexen Gegenwart des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Gelingt es beiden Geschlechtern, beide Muster gleichermaßen auszuprägen, nutzen wir damit breitere kommunikative Ressourcen, die in jedem von uns schlummern. Das Hauptaugenmerk dieses Artikels liegt auf der geschäftlichen Kommunikation, die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die gleichen Mechanismen auch in privaten Kontexten zum Erfolg führen. Schließlich will eine Familie ja ebenso erfolgreich gemanagt werden wie eine Abteilung oder ein ganzes Unternehmen.

Jede öffentliche Kommunikation entfaltet ihre Wirkung in vier Teilbereichen, die jeweils Ausprägungen im weiblichen und im männlichen Kommunikationsmuster haben:

  • Corpus – alles, was wir durch Körperhaltung, Bewegung, Mimik, Gestik zum Ausdruck bringen (und was im besten Falle unsere Botschaft unterstreicht, im schlechtesten sie widerlegt).
  • Lingus – die Sprache selbst: Stimme, Lautstärke, Pausen, Intonation, Modulation, Sprechgeschwindigkeit, aber auch Dialekte und Akzente.
  • Intellectus – die Struktur der Kommunikation, die Direktheit des Weges, den wir im Gespräch oder in der Präsentation einschlagen, die Umwege, die wir zulassen, die Ein- und Ausstiege, die wir wählen.
  • Sensus – dieser schwierig zu fassende Aspekt der Kommunikation, der sich „zwischen den Zeilen“ abspielt, der oft mehr gefühlt als erklärt werden kann, für den Frau/Mann eine bestimmte ‚Antenne‘ braucht (Gerüche, Geräusche, Licht, Raumsituationen, etc.).

Alle vier sind gleichermaßen im männlichen und weiblichen Muster angelegt (also Corpus ist nicht etwa stärker ein männliches Muster oder Sensus ein weibliches Muster). Sie haben lediglich unterschiedliche Parameter und Ausprägungen auf der männlichen und weiblichen Seite. Diese vier Teilbereiche sollten entweder harmonisch übereinstimmen – oder einer davon mit gezieltem Überraschungseffekt, deutlich übertrieben, eingesetzt werden. Nichts ist schlimmer als Undeutlichkeit beim Publikum: wir alle kennen das Gefühl des Unwohlseins, das uns beschleicht, wenn Worte und Körpersprache auseinanderdriften.

Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, wenn es um die Kommunikationsmuster geht, sind die vier kommunikativen Stati in ihren Kombinationen: intern hoch, intern niedrig, extern hoch und extern niedrig.

Nach wie vor gang und gäbe im Arbeitsalltag der jetzigen deutschen Manager-Generation (diesbezügliche Lese-Empfehlung: „Harte Hunde“ im Manager-Magazin, 9/2014) ist folgende Kombination: rein männliches Kommunikationsmuster, innerer UND äußerer Status hoch, Stimme im vertrauenswürdigen Stimm-Muster. Da bleibt gefühlt wenig Raum für kommunikative Alternativen. Die tun aber Not, wenn die bienenfleißige und durchgehärtete Nachkriegs-Unternehmergeneration ihre Unternehmen auch in drei Generationen noch prosperieren sehen will. Auch der mediale Erfolg von Alice Schwarzer ist großenteils darauf zurückzuführen, dass sie über die Jahrzehnte in genau dem männlichen Muster kommuniziert hat, das vom männlich dominierten TV-Showbiz besonders gefragt war.

Es wird oft noch als ungewöhnlich angesehen, wenn Männer virtuos im weiblichen Muster unterwegs sind oder eben Frauen, das männliche Muster in verbaler und non-verbaler Kommunikation für ihre Ziele einsetzen. Ein interessantes Beispiel für einen aktuell beobachtbaren Musterwechsel liefert Hillary Clinton: Teil ihres „Projekt Präsidentschaft 2016“ ist die stärkere Ausprägung ihres weiblichen Kommunikationsmusters. Sie weiß, wie wichtig für den Erfolg im Leadership-Prozess beide Muster sind, um erfolgreich mit Menschen arbeiten zu können.

 

IMG_4031Über die Autorin

Katja Schleicher
ist Kommunikations-Trainerin, interkultureller Coach und Storytelling-Expertin im europäischen Umfeld. Sie wusste schon früh, dass Reden Gold und Schweigen der Anfang von allem Unglück ist. Deshalb bringt sie mit IMPACT! Communication Coaching Manager und Teams zum interkulturellen Reden – und arbeitet mit ihnen an der Verbesserung ihrer kommunikativen Wirkung im Dialog, Interviews und Präsentationen. In drei Sprachen und ganz Europa.
www.interview-training.eu