Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat sich am vergangenen Freitag anlässlich des „Internationalen Tages gegen Kinderarbeit“ für ein Lieferkettengesetz ausgesprochen. Damit sollen deutsche Unternehmer sich verpflichten, gegen Kinderarbeit und Sklaverei in ihren Lieferketten vorzugehen. In den Niederlanden gibt es bereits ein solches Gesetz (Wet zorgplicht kinderarbeid), welches sogar unter Umständen auch deutsche Unternehmen zur Sorgfalt gegen Kinderarbeit in Lieferketten verpflichten wird.
Wet zorgplicht kinderarbeid
Mit dem am 14.05.2019 vom niederländischen Senat angenommenen Gesetz über eine Sorgfaltspflicht zur Vermeidung von Kinderarbeit (Wet Zorgplicht Kinderarbeid), welches zuvor, im Februar 2017 vom niederländischen Parlament beschlossen worden war, tragen die Niederlande als erstes UN-Mitglied dazu bei, einer der 17 Ziele der UN-Agenda 2030 (Substainable Development Goals), nämlich jeder Form von Kinderarbeit ein Ende zu setzen, konkret umzusetzen. Vermutlich tritt das Gesetz erst im Jahr 2022 in Kraft.
Hauptziel des Gesetzes ist der Verbraucherschutz. Niederländische Verbraucher sollen davon ausgehen können, dass Anbieter von Waren und Dienstleistungen Sorgfalt gegen Kinderarbeit in ihren gesamten Wertschöpfungsketten anwenden. Wer auf dem niederländischen Markt Waren oder Dienstleistungen an Endabnehmer (Verbraucher, aber auch Unternehmen) verkauft, muss das ihm vernünftigerweise Mögliche tun, um Kinderarbeit in seinen Wertschöpfungsketten entgegen zu wirken.
Gesetzliche Vorgaben für die Sorgfalt
Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen einmalig gegenüber einer noch zu bestimmenden Aufsichtsbehörde erklären, dass sie eine angemessene Sorgfalt gegen Kinderarbeit anwenden. Hierfür haben sie nach Geltungsbeginn des Gesetzes sechs Monate Zeit.
Die in dem Wet geregelten Pflichten erfüllt ein Unternehmen in drei Schritten:
Schritt 1
Anhand einer Sorgfaltsprüfung (due diligence) ermittelt es, ob es einen vernünftigen Verdacht (redelijk vermoeden) auf Kinderarbeit in ihrer Lieferkette gibt. Dabei muss es Informationen aus Quellen berücksichtigen, die „vernünftigerweise erkennbar und verfügbar sind“ und die Vorgaben einer künftigen niederländischen Verordnung beachten. Liegt kein vernünftiger Verdacht vor, geht das Unternehmen ohne weiteres zu Schritt drei über.
Schritt 2
Besteht ein vernünftiger Verdacht, muss das Unternehmen einen „Aktionsplan“ entwickeln und umsetzen. Dabei sind ebenfalls die Empfehlungen des ILO-IOE Child Labour Guidance Tool zu berücksichtigen. Mit weiteren Vorgaben für den Aktionsplan ist in einer künftigen Verordnung der Regierung sowie in branchenspezifischen „Gemeinsamen Aktionsplänen“ zu rechnen.
Schritt 3
Das Unternehmen gibt eine „Erklärung zur Anwendung der Angemessenen Sorgfalt“ ab. Die Erklärung muss lediglich einmal abgegeben werden und braucht nicht erneuert zu werden. Sie kann sich in der bloß pauschalen Aussage erschöpfen, dass die angemessene Sorgfalt zur Vermeidung von Kinderarbeit angewandt werde. Die Unternehmen müssen ihre Erklärungen der Aufsichtsbehörde, vermutlich der Verbraucherschutzzentrale Autoriteit Consument & Markt melden.
Die Erklärungen werden von der Aufsichtsbehörde in einem Register veröffentlicht.
Beschwerdeverfahren und hohe Bußgelder
Ein jeder, auch ein Unternehmen kann bei der Aufsichtsbehörde eine Beschwerde mit einem konkreten Hinweis auf einen Verstoß gegen dieses Gesetz einreichen. Ein bloßer Verdacht ins Blaue hinein, wegen Hörensagens oder niedriger Preise, soll nicht als „konkreter Hinweis“ genügen, sondern konkrete Angaben sind erforderlich.
Schafft das Unternehmen nicht binnen sechs Monaten Abhilfe, kann die Aufsichtsbehörde ein Bußgeld i.H.v. 820.000 €, in besonderen Fällen bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes zunächst androhen und dann anordnen.
Geschäftsführer müssen bei wiederholten Verstößen binnen fünf Jahren mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Möglich ist sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten. Wegen der Bedeutung von Kinderarbeit hat sich der Gesetzgeber bewusst für diese erheblichen Sanktionen entschieden.
Deutsche Unternehmen
Ausdrücklich stellt das Gesetz klar, dass es auch für ausländische Unternehmen gilt, die in den Niederlanden zwar nicht ansässig sind, aber mindestens zweimal jährlich Waren oder Dienstleistungen an niederländische Endverbraucher liefern bzw. erbringen, d.h., dass auch deutsche Unternehmen die gelegentlich Handel mit den Niederlanden treiben, betroffen sein könnten.
Über die Autoren
Wouter Timmermans berät und vertritt seit vielen Jahren deutsche Unternehmen mit seiner Expertise im niederländischen Recht. Er ist Anwalt der Kanzlei Stellicher advocaten NV in Arnheim (Niederlande) und Vorsitzender des Deutsch-Niederländischen Businessclubs Gelderland.
Robert Grabosch ist Rechtsanwalt in Berlin mit Tätigkeitschwerpunkt im Handels- und Gesellschaftsrecht und auf dem Gebiet der Corporate Responsibility (CSR). Zum Thema CSR publiziert er regelmäßig und ist mehrfach als Sachverständiger in politischen Gremien eingeladen worden.