Dies erklärt Henk-Jan Kooij, Dozent für Stadtplanung an der Radboud Universität Nimwegen, im Gespräch mit AHA24x7. Deshalb ist auch eine grenzüberschreitende Herangehensweise im Flusssystem Vechte-Dinkel erforderlich. Momentan werden im INTERREG Projekt LIVING-Vechte-Dinkel 15 verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Diese reichen von aktiven Eingriffen in das Flusssystem über Geschichten zur Identitätsbildung bis zu Forschungsprojekten.
Studie über Umsetzungsprojekte
Im Auftrag des Teilprojektleiters WDODelta, der für die Maßnahme 03 „Grenzüberschreitender Dialog, Vernetzung (Governance) und Wissenstransfer“ zuständig ist, hat Henk-Jan Kooij eine Studie im Rahmen des INTERREG Projektes LIVING-Vechte-Dinkel durchgeführt. In diesem Forschungsprojekt haben Henk-Jan Kooij und sein Team von der Radboud Universität Nimwegen die die Umsetzung von Renaturierungsprojekten und landschaftsgestaltenden Maßnahmen analysiert. „Anlass für die Studie war die Feststellung, dass sich Projekte in der Vergangenheit oft als langwierig, zeitraubend und sehr ressourcenintensiv erwiesen haben. Deshalb haben wir verschiedene Projekte auf der Suche nach strukturellen Hemmnissen und Erfolgsfaktoren analysiert“.
Eine Stärke der Studie sei die Offenheit für neue Perspektiven. Statt sich bei den Projekten auf unveränderbare „harte“ Faktoren zu beschränken, seien auch veränderbare „weiche“ Faktoren miteinbezogen worden. Dies sei laut Henk-Jan Kooij durch den Policy-Arrangement-Ansatz möglich: „Bei diesem Ansatz werden vier Dimensionen betrachtet: Akteure und Koalitionen, Ressourcen, Diskurse und Spielregeln.“
Literaturstudie, Workshops und Interviews
Zu Beginn der Studie wurden frühere Studien über das Vechte-Dinkel-System nach dem Schema des Policy-Arrangement-Ansatzes analysiert. „Eine wichtige Erkenntnis war, dass es sich mit den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen um drei (Bundes-)Länder handelt. Sowohl die Ideen und Politik als auch die Regeln und Gesetze unterscheiden sich zum Teil stark“, fasst Henk-Jan Kooij zusammen. Diese Ergebnisse wurden auf dem ersten Workshop präsentiert, bei dem die folgenden Schritte der Studie gemeinsam mit den beteiligten Partnern festgelegt wurden.
„Gerade die Workshops waren für uns sehr wichtig. Dass die Akteure selbst Einfluss auf die Studie hatten, führte zu großem Engagement und einer hohen Beteiligung“, sagt Henk-Jan Kooij über die Bedeutung der Workshops. „Außerdem waren die Workshops wichtig, da es dort zu Diskussionen kam. Die gemeinsame Perspektive über das Vechte-Dinkel-System sowie die nationalen Perspektiven der einzelnen (Bundes-)Länder trafen aufeinander“. Um die jeweiligen landesspezifischen Unterschiede und die Sichtweise der einzelnen Akteure besser zu verstehen, wurden zudem mehrere Interviews mit verschiedenen Partnern aus den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen durchgeführt.
Unterschiede
In allen drei Ländern gibt es bereits durch die Gesetzgebung Unterschiede. Diese beeinflusst die Regeln, nach denen das Spiel gespielt werden kann. Organisationen in den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen unterscheiden sich zudem bei den Punkten Einbettung, Finanzierung und der Frage, ob sie demokratisch gewählt werden. „In Nordrhein-Westfalen ist die Organisation der Wasserwirtschaft sehr kleinteilig. Außerdem verteilt sie sich auf verschiedene Behörden. Früher waren die Kreise für die Dinkel zuständig, nun sind es die Bezirksregierungen. Auch die Städte bemühen sich aus ihrem Eigeninteresse heraus um Renaturierungsprojekte, obwohl sie dafür eigentlich weder zuständig sind noch die personellen Ressourcen haben“, erklärt Henk-Jan Kooij die Situation in Nordrhein-Westfalen.
„In den Niederlanden hingegen gibt es eine zentrale und integrale Organisation: die Waterschappen. Diese arbeiten selbstständig, sie haben ein eigenes Budget, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Niedersachsen scheint mit dem NLWKN und dem Vechteverband zwischen den beiden Extremen zu stehen.“ Diese Unterschiede bieten auch Möglichkeiten, um voneinander zu lernen. Eine Empfehlung für Nordrhein-Westfalen sei, die vielen kleinen ehrenamtlichen Wasser- und Bodenverbände in einer Dachorganisation zu integrieren. Dadurch würde sich die Durchsetzungskraft erhöhen. Auf der anderen Seite können auch die Niederlande von der deutschen Herangehensweise lernen: „Das System der Ökopunkte ist für die Niederlande sehr interessant. Es gibt in den Niederlanden zwar auch Kompensationsregeln, aber keine Möglichkeit auf Landschaftsebene die Punkte zu sammeln und dadurch größere Maßnahmen umzusetzen“, erklärt Henk-Jan Kooij.
Ergebnisse
Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass die nationalen Dynamiken großen Einfluss haben. „Wir sprechen dabei immer gerne von unterschiedlichen politischen Arenen. Diese beeinflussen das Thema, die Art und das Niveau, auf dem das Gespräch stattfindet. In den Niederlanden stehen beispielsweise die Themen Hochwasserschutz und Dürre hoch im nationalen Kurs. Alle anderen Gespräche müssen in diesen Rahmen passen“, erläutert Henk-Jan Kooij. Deshalb empfehle er Win-win-Situationen zu schaffen. Dies sei möglich, indem das Thema Renaturierung an Themen wie Hochwasserschutz oder Dürre gekoppelt werde, die hoch auf der Agenda stünden.
Die Forscher waren auch von der Anzahl der Projekte, die im Vechte-Dinkel-System umgesetzt werden, beeindruckt. Was jedoch fehlen würde, sei die Übersicht. Deshalb empfehlen sie ein strukturelles Monitoring über das gesamte Flusssystem, da die einzelnen Projekte sich nicht nur untereinander, sondern auch das hydrologische und natürliche System des Flusses beeinflussen. Erst durch das Zusammenspiel aller Projekte sei erkennbar, ob die Ziele erreicht würden und wo eingegriffen werden müsse. Eine strategische Vision für das gesamte Gebiet sei deshalb hilfreich.
„Außerdem ist eine grenzüberschreitende Plattform wichtig, bei dem das Gespräch auf dem Niveau des Flusssystems geführt wird. Da mit der Zeit die Gefahr droht, dass die gemeinsame Vision für das Gebiet auseinanderdriftet, ist ein konstanter Austausch wichtig“, folgert Henk-Jan Kooij. Dies hätte zudem den positiven Effekt, dass kürzere und informelle Wege entstehen würden. Diese würden die grenzüberschreitende Zusammenarbeit oft vereinfachen und beschleunigen. Vor allem, da sich momentan hauptsächlich individuelle Personen mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beschäftigen. Diese müssen oft für Verständnis innerhalb der eigenen Organisation werben. Deshalb sei ein struktureller Ansatz interessant, beispielsweise indem ganze Abteilungen sich mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beschäftigen.
Effekt der Studie
Der Rapport dieser Studie könne auf drei unterschiedliche Arten einen positiven Beitrag zur Beschleunigung von Umsetzungsprojekten im Vechte-Dinkel-System liefern. Zum einen werde den Partnern erneut ins Bewusstsein gerufen, dass es in anderen Ländern andere Sitten gebe. Dies führt zu mehr Verständnis untereinander. „Zum anderen geben wir für jede Dimension des Policy-Arrangement-Ansatzes konkrete Empfehlungen über die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren. Jeder Partner kann dadurch in seiner eigenen Organisation anfangen“, erläutert Henk-Jan Kooij. „Doch unser Bericht kann nicht nur innerhalb des Flusssystems Vechte-Dinkel genutzt werden. Die Partner können auch Organisationen oder Behörden, die weiter oben in der Hierarchie stehen, auf bestimmte Punkte hinweisen. Ein wichtiges Instrument zur Renaturierung im Vechte-Dinkel-System sind Maßnahmen im Kontext der Wasserrahmenrichtlinie. Diese unterscheidet sich jedoch in den drei Ländern. Ein Teil der Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren ist eine direkte Folge der Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie.“
Der Abschlussbericht der grenzüberschreitenden Studie wird voraussichtlich im Oktober auf der Website des Projektes veröffentlicht.
Informationen über LIVING-Vechte-Dinkel
Das INTERREG Projekt LIVING-Vechte-Dinkel ist ein übergreifendes Programm für viele verschiedene Arten von Projekten, die sich alle auf das Flusssystem Vechte-Dinkel beziehen. In drei Arbeitspaketen – „Umsetzung des Vechte-Dinkel Programms“, „Sicheres und sauberes Wasser“ und „Regionale Wirtschaft und verstärkte Identität“ – werden 15 Maßnahmen umgesetzt. Bei diesen Maßnahmen arbeiten Wasserbehörden, staatliche Einrichtungen, Schulen, Fachleute, Unternehmen und andere Experten, die an der Entwicklung der Vechte und des Vechtetals beteiligt sind, grenzüberschreitend zusammen.