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Integration in den Niederlanden: Aufholprozess bei der zweiten Generation

„Building Bridges“ hieß in den Niederlanden vor 20 Jahren der Bericht eines Parlamentsausschusses, in dem festgestellt wurde, dass „die Integration vieler Einwanderer ganz oder teilweise gelungen ist“. Seitdem überschlagen sich die Aussagen von Politikern, in denen das Gegenteil behauptet wird. An vorderster Front der Rechtspopulist Geert Wilders von der jetzigen Regierungspartei PVV. Anfang November sprach Ministerpräsident Dick Schoof nach den schweren antisemitischen und rassistischen Ausschreitungen in Amsterdam gar von einem „Integrationsproblem“ unter Niederländern mit marokkanischen Wurzeln. Dessen ungeachtet hebt jetzt die niederländische Statistikbehörde CBS in ihrem Jahresbericht hervor, dass es um die Chancengleichheit im Lande immer besser steht. Insbesondere der zweiten Generation von Menschen, die nicht aus den Niederlanden stammen, geht es laut CBS immer besser, heißt es in einem Bericht von NOS.

Positiver Trend im schulischen Bereich

Der jährliche Bericht „Rapportage Integratie en Samenleven“ zeigt nach wie vor, dass Menschen, die nicht aus den Niederlanden stammen, im Durchschnitt in einer kleineren Wohnung leben und häufiger die Schule ohne Abschluss verlassen. Sie sind auch seltener erwerbstätig, verfügen über ein geringeres Einkommen und sind häufiger von Sozialleistungen abhängig. Außerdem sind sie in ihrer beruflichen Laufbahn stärker von einer schlechten Wirtschaftslage betroffen als Personen, deren Eltern beide in den Niederlanden geboren wurden. Trotzdem, so die Statistikbehörde, hält der Trend, wonach sich Migranten und ihre Kinder zunehmend integrieren, an. Einen positiven Trend beobachten die Statistiker vor allem im schulischen Bereich. Von den Grundschülern, bei denen beide Elternteile im Ausland geboren sind, erhielten im Schuljahr 2022/2023 knapp 49 Prozent eine Realschul- oder Gymnasialempfehlung. Im Jahr 2011/2012 waren dies lediglich 38 Prozent.

Immer häufiger aufs Gymnasium

Bei den Schülern, deren Eltern in Marokko geboren sind, ist der Anteil mit Realschul- oder Gymnasialempfehlung am stärksten gestiegen: von 34 Prozent im Schuljahr 2011/2012 auf 50 Prozent im Schuljahr 2022/2023. Bei Kindern von den Antilleninseln oder türkischer Herkunft war die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass sie eine entsprechende Empfehlung erhielten (36 Prozent bzw. 43 Prozent). Kinder der zweiten Generation indonesischer oder europäischer Abstammung erhielten diese am häufigsten (63 Prozent bzw. 62 Prozent).

Auch im Ausland geborene Schüler erhielten in den letzten Jahren häufiger eine Realschul- oder Gymnasialempfehlung. Allerdings ist der Anteil dort nur leicht von 47 Prozent auf 51 Prozent gestiegen. Unter den im Ausland geborenen Schülern haben Kinder aus Surinam und den Antillen den geringsten Anteil (29% bzw. 27%). Bei den in der Türkei geborenen Schülern stieg der Anteil der Kinder mit der entsprechenden Empfehlung am schnellsten: von 30 Prozent im Schuljahr 2011/2012 auf 67 Prozent im Schuljahr 2022/2023. Bei den Gymnasiasten ausländischer Herkunft ist der Anteil in der zweiten Generation am stärksten gestiegen. Von 30 Prozent im Schuljahr 2011/2012 auf 41 Prozent im Jahre 2024. Bei den im Ausland geborenen Schülern stieg der Anteil in diesem Zeitraum von 39 Prozent auf 46 Prozent.

Kritiker: Aufholprozess ist relativ

Kritiker dieser vermeintlich positiven Entwicklungen, wie sie der CBS-Bericht nahelegt, beobachten indes nach wie vor eine anhaltende Ungleichheit. So sei es für Menschen von außerhalb der Niederlande nach wie vor schwieriger, nach ihrer Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden, selbst wenn sie die gleichen Qualifikationen haben wie Menschen niederländischer Herkunt. Dies gelte umso mehr, wenn sich die niederländische Wirtschaft im Abwärtstrend bewegt. Aktuell floriere die Wirtschaft, die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steige, sodass der relative Aufholprozess in diesem Bereich womöglich ein verzerrtes Bild vermittle.