Kategorien Blog News

Blog: Unterschiede beim Eigentumserwerb: Rechtsstreit um „Kompensation“

Der bekannte niederländische Maler Bart van der Leck (1876-1958) malte 1918 das Werk „Komposition“. Das Gemälde gehörte lange Zeit den Eltern einer niederländischen Kunstsammlerin, die es 1956 als Hochzeitsgeschenk von ihren Eltern bekam. Ende August 2013 schenkte die 81-jährige Kunstsammlerin das Gemälde zu Ehren ihres Vaters dem Amsterdamer Rijksmuseum. Experten zufolge ist das Gemälde über 350.000 Euro wert. Die Lieferung erfolgte am 23. August 2013, als der damalige Direktor des Rijksmuseums das Gemälde persönlich bei der Kunstsammlerin zu Hause abholte. Damit begann ein jahrelanger Rechtsstreit.

Anfechtung der Schenkung

Bereits eine Woche nach der Schenkung bekam das Rijksmuseum Post vom Anwalt der Kunstsammlerin und ihrer zwei Söhne. Damit wurde die (Absicht) der Schenkung angefochten und das Gemälde zurückgefordert. Das Rijksmuseum ließ daraufhin von seinem Notar ausfindig machen, was die Kunstsammlerin zu diesem unerwarteten Schritt bewegte. Diese teilte dem Notar mit, dass es wegen der Schenkung zu einem großen Streit mit den beiden Söhnen gekommen ist. Die waren nicht mit der Schenkung einverstanden. Auf Druck der Söhne stimmte sie offenbar der Rückforderung zu. Dem Notar gab sie im Gespräch jedoch zu Verstehen, dass sie die Schenkung trotzdem eigentlich nicht rückgängig machen möchte. Das Rijksmuseum und die Kunstsammlerin beschlossen dann, die Schenkung vom Notar in einem Schenkungsvertrag festlegen zu lassen. Vor Unterzeichnung prüfte der Notar ordnungsgemäß, ob die 81-jährige Kunstsammlerin testierfähig ist. Er stellte fest, dass dies der Fall ist.

Seit dem 1. Oktober 2013 wird das Gemälde im Rijksmuseum ausgestellt. Auf der Gemälde-Beschriftung wird erwähnt, dass es sich bei dem Werk, um eine Schenkung zu Ehren des Vaters der Kunstsammlerin handelt. Die Schenkung sorgt für eine jahrelangen „Eiszeit“ zwischen der Kunstsammlerin und ihre beiden Söhne. Während dieser Zeit haben die Söhne nicht versucht die Schenkung anzufechten.

Sieben Jahre später…

Sieben Jahre später, am 2. April 2020, bekam das Rijksmuseum erneut ein anwaltliches Schreiben. Die Familie forderte das Gemälde zurück. Sie vertritt unter anderem die Auffassung, dass das Gemälde bereits 2003, also geraume Zeit vor der Schenkung, aus steuerlichen Gründen an die Söhne verkauft worden ist. Die Verpflichtung zur Zahlung der Kaufsumme sei in ein Darlehen umgewandelt worden. Eine Kopie des Kauf- /Darlehensvertrages wurde dem Brief beigefügt.

Klageverfahren vor dem Landgericht Amsterdam

Da das Rijksmuseum die Rückgabe verweigerte, klagte die Familie beim Landgericht Amsterdam. Das Landgericht sollte nun entscheiden, ob das Rijksmuseum rechtsgültig und rechtmäßig das Eigentum an dem Gemälde erworben hat. Im Verfahren wehrt das Rijksmuseum die Forderung der Familie der Kunstsammlerin als unbegründet ab. Sie bestreitet, dass die Kunstsammlerin zum Zeitpunkt der Schenkung nicht verfügungsberechtigt war und/oder an einer geistigen Störung gelitten hat. Außerdem vertritt das Museum die Auffassung, dass auch dann, wenn der Erwerb nicht rechtskräftig sein sollte, das Museum trotzdem aufgrund der mittlerweile eingetretenen Verjährung das Eigentum am Gemälde erworben hat.

Eigenbesitz in gutem Glauben?

Damit beruft sich das Rijksmuseum auf dem Artikel 3:99 des niederländischen BGB. Demnach erwirbt derjenige, der eine bewegliche Sache ununterbrochen drei Jahren im Eigenbesitz hat und in gutem Glauben ist, das Eigentum. In diesem Fall steht fest, dass das Gemälde länger als drei Jahren ununterbrochen im Besitz des Rijksmuseums ist, ohne dass die Familie zwischenzeitlich die Rückgabe gefordert hat.

Ob die Berufung auf die Einrede der Verjährung Erfolg hat, hängt also davon ab, ob das Rijksmuseum während dieser Zeit als gutgläubiger Besitzer angesehen werden kann. Ein Besitzer ist nach niederländischem Recht in gutem Glauben, wenn er sich für berechtigt hält und auch vernünftigerweise auch halten durfte.

Im Prinzip ist dabei der Zeitpunkt des Besitzerwerbs maßgebend. Der Erwerb durch das Rijksmuseum fand am 23. August 2013 statt. An dem Tag hat der damalige Direktor des Rijksmuseum das Gemälde bei der Kunstsammlerin zu Hause abgeholt. Nach niederländischem Recht wird automatisch vermutet, dass ein Erwerber in guten Glauben ist. Das bedeutet, dass die Familie der Kunstsammlerin die Beweislast für die Bösgläubigkeit seitens des Museums trägt. Sie muss nachweisen, dass das Rijksmuseum am 23. August 2013 wusste oder hätte wissen müssen, dass die Kunstsammlerin nicht entscheidungsfähig war und/oder an einer geistigen Störung litt.

Die Familie behauptet, dass sie insgesamt sowohl vor als nach der Schenkung zehn Mal versucht hat, den damaligen Direktor telefonisch zu erreichen um darüber zu sprechen. Angeblich soll vor der Schenkung sogar einen Telefonnotiz beim Museum hinterlassen worden sein. Die Familie kann es aber alles nicht nachweisen. Die Klageforderung wurde daher vom Landgericht Amsterdam am 6. April 2022 abgewiesen.

Unterschiede zum deutschen Recht

Auch nach deutschem Recht besteht die Möglichkeit aufgrund von Verjährung Eigentum zu erbwerben (§ 937 BGB). Der Eigenbesitzer kann zehn Jahren nach dem Erhalt der Sache das Eigentum an der Sache erwerben. Wie aus den oben dargestellten Schenkungsfall hervorgeht, gilt nach niederländischem Recht eine wesentlich kürzere Frist von drei Jahren.

Ein anderer Unterschied ist, dass nach deutschem Recht der Erwerber während dieser zehn Jahre in gutem Glauben sein muss. Nach niederländischen Recht ist aber nur der Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich, d.h., wenn der Erbwerber danach (innerhalb der Verjährungsfrist) herausfindet, dass ihm das Eigentum eigentlich nicht zusteht, dann hat das in der Regel keine Folge.

 

 

Über den Autor

Wouter Timmermans berät und vertritt seit vielen Jahren deutsche Unternehmen mit seiner Expertise im niederländischen Recht. Er ist Anwalt der Kanzlei Stellicher advocaten NV in Arnheim (Niederlande) und Co-Vorsitzender des Deutsch-Niederländischen Businessclubs Gelderland.