Wer die Ursachen kennt, die Pflanzenkrankheiten auslösen, kann frühzeitig und vorsorglich Maßnahmen ergreifen und damit eine Ausbreitung verhindern oder einschränken. Pflanzenschutzmittelanwendungen können dadurch reduziert und die Pflanzengesundheit kann verbessert werden.
Im Obstbau haben sich Prognosemodelle für Pflanzenkrankheiten bereits bewährt. Dabei sind Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windaktivitäten die wichtigsten Parameter, die einen Einfluss darauf haben, ob z.B. Apfelbäume vom Echten Mehltau befallen werden oder nicht.
Was schon für den Obstbau funktioniert, soll nun auch für einige Pilze und Schadinsekten erarbeitet werden, die typischerweise in Baumschulgewächsen auftreten. Ziel ist es, durch eine präzisere Vorhersage des Auftretens von Krankheiten und Schädlingen im Alleebaumanbau Gegenmaßnahmen effektiver einleiten zu können. „Für uns als Baumschule sind solche Erkenntnisse wichtig, denn gesunde Baumbestände sind unser Kapital. In Zukunft werden wir voraussichtlich mehr Einschränkungen bei der Auswahl von konventionellen Pflanzenschutzmitteln erfahren. Deshalb müssen wir frühzeitig umdenken und genau wissen, welche Faktoren einen Befall begünstigen und wie wir mit möglichst biologischen Maßnahmen gegensteuern können“, erklärt Jörg Hoffmann, Leiter Prozess- und Betriebsoptimierung der Baumschule Baum & Bonheur aus Nettetal. Für Baumschulen ist es wichtig, eine Gesunderhaltung der Pflanzen zu gewährleisten und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Versuchsflächen in Nettetal sollen neue Erkenntnisse liefern
Baum & Bonheur arbeitet im Rahmen des Innovationsprojekts „Pro Healthy Tree“ gemeinsam mit der Consultingfirma Compas Agro aus Venlo daran, anhand einiger Versuche Erkenntnisse darüber zu erlangen, welche Parameter einen Befall mit Krankheiten und Schädlingen begünstigen und welche Pflanzenschutzmaßnahmen diese am besten vorbeugen.
Genauer gesagt geht es um die Entwicklung von Prognosemodellen für die Schadpilze Rinden- und Blattflecken an Linden sowie Mehltau an Eichen und der Felsenbirne und dem Auftreten von Borkenkäfern an Eichen. Jeder Versuch wird mit vier verschiedenen Behandlungen durchgeführt. In den Versuchen zu den Schadpilzen wird neben der Kontrolle, die unbehandelt bleibt, eine Einheit mit konventionellen Pflanzenschutzmitteln behandelt. Eine weitere Versuchseinheit erhält Biostimulanzien zur Blattstärkung und Blattdüngung, die auch im biologischen Anbau eingesetzt werden und eine präventive Wirkung haben. Die vierte Einheit erhält die Biostimulanzien auf Basis von Aminosäuren. Anhand regelmäßiger Beobachtungen wird die Entwicklung der Schadpilze verfolgt. Damit wird auch die Wirksamkeit einer Kombination des Prognosemodells mit den Biostimulanzien untersucht, um so eine effektive, umweltfreundliche und wirtschaftlich tragfähige Behandlungsmethode zu entwickeln. Compas Agro hat bereits viel Erfahrung mit der Durchführung von Versuchen zu alternativen Pflanzenschutzmaßnahmen gesammelt und begleitet in diesem Projekt die Versuche auf dem Gelände von Baum & Bonheur.
Die Bäume für die Versuchsreihen wurden bereits 2022 auf dem Gelände von Baum & Bonheur gepflanzt. Die Datenmessung über Wetterstationen hat in 2023 begonnen und regelmäßige Kontrollen der Versuchsbestände dienen dazu, Beobachtungen über Veränderungen genau zu dokumentieren. So lassen sich später Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Krankheiten bzw. Schädlingen und den durch verschiedene Sensoren gemessenen Daten herstellen und in ein Prognosemodell überführen. Außerdem wird so die Wirksamkeit der verschiedenen Pflanzenschutzmaßnahmen bewertet. Das Projekt läuft noch bis August 2026. Im Juni sollen erste Ergebnisse im Rahmen einer Veranstaltung präsentiert werden.
Erkenntnisse werden in digitale Prognosemodelle überführt
„Pro Healthy Tree“ ist ein Innovationsprojekt von insgesamt vieren, die im Interreg-Projekt „Agropole Innovates“ realisiert werden. Die gewonnenen Daten aus Pro Healthy Tree sollen Grundlage für die Digitalisierung des Prognosemodells sein, die in einem weiteren der vier Innovationsprojekte namens „Digital Talking Tree“ umgesetzt werden soll. Dieses wird von den Firmen ISIS IC aus Wesel und Yookr aus Horst (Niederlande) durchgeführt.
Beide Firmen befassen sich mit IoT-Technologie, Sensorik und Softwareentwicklung. Während ISIS IC dieses Wissen im Alltag in vielseitigen Anwendungsbereichen einsetzt, konzentriert sich Yookr besonders auf den Gartenbau. Ziel ihres Innovationsprojekts ist es, die Daten aus den Versuchen des Innovationsprojekts Pro Healthy Tree zu nutzen und daraus ein digitales Prognosemodell abzuleiten, das frühzeitig auf kritische Situationen aufmerksam macht, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Krankheiten oder Schädlingen aufweisen. So sollen Baumschulen in die Lage versetzt werden, ein erhöhtes Risiko für einen Befall früher zu erkennen und entsprechend früher mit Gegenmaßnahmen reagieren zu können. Dazu werden die Daten der Sensoren sowie menschliche Beobachtungen und Interventionen im System erfasst und über ein Dashboard anschaulich abgebildet. Kritische Situationen werden über ein Dashboard visuell sichtbar gemacht und wahlweise werden Warnhinweise versendet, sodass das Personal in der Baumschule entscheiden kann, ob eine bzw. welche Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen werden soll.
Langfristig sollen Pflanzenschutzmaßnahmen so optimiert werden, dass möglichst weniger konventionelle Mittel notwendig sind und die Baumschulen von gesunden Baumbeständen profitieren.
Stärkere Vernetzung und Innovationskraft durch Agropole Innovates
Pro Healthy Tree und Digital Talking Tree sind zwei von vier Innovationsprojekten, die im Interreg-Projekt Agropole Innovates realisiert werden. Ziel von Agropole Innovates ist es, die Innovationskraft des Agrobusiness zu erhöhen. Damit soll nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dieser Branche in der Grenzregion gestärkt werden, es werden auch konkrete Lösungen für unternehmerische sowie gesamtgesellschaftliche Herausforderungen entwickelt. Agropole Innovates und alle vier Innovationsprojekte werden im Rahmen des Interreg VI-Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und mit 2,025 Mio. Euro durch die Europäische Union, das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW (MWIKE NRW), das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (MB Niedersachsen), das niederländische Wirtschaftsministerium (EZK) sowie die Provinz Limburg mitfinanziert.