Dick Schoof: Ein Wagnis, das neugierig macht

Dick Schoof: Ein Wagnis, das neugierig macht
Der Binnenhof in Den Haag ist der Sitz des niederländischen Parlaments.

Die Kabinettsbildung in den Niederlanden ist wahrlich ein erstaunlicher Vorgang, stellt etwa die Tageszeitung De Volkskrant fest. Die Namen von mehreren Premierministerkandidaten kursierten da in den vergangenen Wochen, nicht aber der des Spitzenbeamten Dick Schoof (67), der es nach Dafürhalten von Wahlsieger Geert Wilders und seinen Koalitionären die nächsten vier Jahren richten soll. Es wird damit zu tun haben, dass die offensichtlicheren Kandidaten entweder dankend abgelehnt oder für ungeeignet befunden wurden. Gleichzeitig ist es eine direkte Folge der Grundsatzvereinbarung, die die Koalitionäre auf Drängen von NSC-Chef Omtzigt getroffen haben: Das neue Kabinett soll kein gewöhnliches Kabinett an der Leine des Parlaments sein, sondern ein Team unabhängiger Verwaltungsbeamter, die gemeinsam Problemlösungen erarbeiten dürfen und dafür die Unterstützung des Parlaments suchen müssen. Die Rahmenvereinbarung der sich bildenden Parteien ist die Basis, über die hinaus alles möglich ist. Ein allzu scharfes politisches Profil passt dazu nicht. Dies würde vermutlich bei Wahlgewinner Geert Wilders von der rechtspopulistischen PVV auch prompt Ärger und Widerstand auslösen.

Dick Schoof

Hendrikus Wilhelmus Maria „Dick“ Schoof wurde 1957 im niederländischen Dorf Santpoort in der Gemeinde Velsen geboren. Er studierte von 1975 bis 1982 Stadt- und Regionalplanung an der Radboud-Universität Nijmegen und arbeitete anschließend beim Verband der niederländischen Gemeinden. 1988 wurde er Beamter im Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft, wo er verschiedene Positionen innehatte. 1996 wurde er zum stellvertretenden Generalsekretär im Justizministerium ernannt. Seit 2020 ist er Generalsekretär im Ministerium für Justiz und Sicherheit. Zuvor war er Generaldirektor des Allgemeinen Nachrichtendienstes und Sicherheitsdienstes (AIVD) und Nationaler Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit (NCTV). Schoof war bis 2021 Mitglied der sozialdemokratischen Partij van de Arbeid (PvdA).

Geltungsdrang

Weggefährten im Amt schätzen den designierten Ministerpräsidenten als pragmatisch und als Vorgesetzten und Kollegen als überaus loyal. Auch gilt er als intelligent und habe Humor. Kritiker indes rühmen zwar seine politischen Antennen, halten ihn aber für opportunistisch und eitel. Dick Schoof hat sich in seiner langjährigen Karriere als Beamter offenbar nicht nur Freunde gemacht. Kolleginnen und Kollegen beim Nachrichtendienst war sein Geltungsdrang oftmals ein Dorn im Auge. Immerhin scheute sich Schoof in der Vergangenheit nicht, zuständigen Ministern schon mal ein „Nein“ zu verkaufen, wenn er mit einer Weisung nicht einverstanden war.

Neuer Wind

Dick Schoof passt auf wundersame Weise in das Profil der sich formierenden Parteien. Da er über keinerlei politische oder diplomatische Erfahrung verfügt, stürzt er sich in ein höchst ungewisses Abenteuer. Offenbar konnte er auch in der Rahmenvereinbarung der vier Parteien nichts Unüberwindbares finden und hat genau das Profil, das alle beteiligten Parteiführer akzeptieren: politisch eher unbedarft, aufgeschlossen gegenüber dem neuen politischen Wind und inzwischen reichlich tapeziert mit Verwaltungserfahrung. Er war als Spitzenbeamter in fast allen Politikbereichen tätig, die für diese Koalition von Interesse sind.

Koalitionsvereinbarung

Die rechtpopulistischen und rechtsliberalen Parteien PVV, VVD, NSC und BBB sehen in dieser Vereinbarung konkreten Schritte vor:

  • Steuererleichterungen ab 2025 für hart arbeitende Niederländer, junge wie alte, für die mittleren Einkommen und Unternehmer. Und auch für Menschen, die in Not geraten sind und ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
  • Die strengste Zulassungsregelung für Asylbewerber und das umfassendste Paket zur Steuerung der Migration, das es je gab.
  • Wirksame Impulse für Wohnungsbau, Infrastruktur, Barrierefreiheit und die Energiewende.
  • Eine Halbierung der Eigenbeteiligung an den Gesundheitskosten auf 165 Euro im Jahr 2027 und Investitionen in die Altenpflege.
  • Investitionen in die Zukunft der Sektoren Landwirtschaft und Fischerei und Ernährungssicherheit für alle.
  • Mehr Mitsprache für die Bürger durch ein anderes Wahlsystem und Stärkung der Grundrechte durch ein Verfassungsgericht.
  • Sicherheit für alle Niederländer durch ein entschlossenes Vorgehen gegen Kriminalität und Terror.

Ein Wagnis

Ein Kabinett zusammenhalten, wenn politische Interessen aufeinanderprallen, in großen Debatten im Parlament standhaft bleiben, internationale Allianzen schmieden – das ist nicht jedermanns Sache. Niemand weiß, ob Dick Schoof, der über keinerlei politische Erfahrung verfügt, dazu in der Lage ist.
Schoofs Kandidatur ist also ein Glücksspiel. Ein Wagnis, das neugierig macht und vielleicht eine neue Verwaltungskultur am Haager Regierungssitz einläutet, aber vorerst ist es laut De Volkskrant nur ein Wagnis.

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