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Niederlande rekrutieren Reservisten an ihrem Arbeitsplatz

Seit dem Angriff auf die Ukraine und der wachsenden Bedrohung durch Russland hat das niederländische Verteidigungsministerium Milliarden Euro erhalten, um die Zahl seiner Soldaten deutlich zu erhöhen. Erreichen will die Regierung dies unter anderem durch eine flexible Reserve. Während in Deutschland die regierenden Koalitionspartner noch heftig im Clinch liegen über die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht versus eine Rekrutierung von Freiwilligen hat das niederländische Verteidigungsministerium bereits mehr als 4.000 Bewerbungen für die Ausbildung zum Reservisten erhalten. Die Zahl steigt stetig an: Waren es doch im gesamten Jahr 2024 noch gut 3.000. Da noch weitere 12.000 solcher „Teilzeit-Soldaten” benötigt werden, wendet sich das Verteidigungsministerium zwecks möglicher Rekrutierung auch an Arbeitgeber. Das berichtet die Nachrichtenplattform nu.nl.

20 Kalendertage einsatzbereit

Einberufen werden Reservisten in der Regel als ergänzende Unterstützung bei Übungen, Katastrophen oder in Notfällen. Als Reservist unterstützt man das Verteidigungsministerium oder die Armee in seiner Freizeit, neben seiner regulären Arbeit. In den Niederlanden gibt es derzeit über 8.300 Reservisten. Bis 2030 sollen es 20.000 sein. Um noch mehr solcher Reservisten zu rekrutieren, wendet sich das Verteidigungsministerium auch an Arbeitgeber, um sie zur Mitarbeit zu bewegen. Denn wer als Arbeitnehmer Ambitionen in dieser Richtung hat, muss Zeit für (wiederkehrende) Übungen an Wochentagen aufwenden und etwa 20 Kalendertage pro Jahr einsatzbereit sein.

Da stellt sich natürlich für beide Seiten die Frage, wie dies arbeitsrechtlich eingetütet werden kann. Was bedeutet ein solcher Schritt für die vereinbarten Arbeitsbedingungen im Betrieb, wie steht es um zusätzlichen bezahlten Urlaub oder um den Rentenbeitrag? Was passiert, wenn es zu Arbeitsunfällen beim Einsatz kommt, durch die ein Reservist anschließend weniger arbeiten könnte? Arbeitgeber haben daher gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium eine Sonderregelung getroffen. So können sie beispielsweise zusätzlichen (bezahlten) Urlaub für Fortbildungstage erhalten.

Vereinbarungen mit Arbeitgeber per Tarifvertrag

Das Verteidigungsministerium arbeitet laut einem Sprecher mittlerweile mit mehr als 400 Arbeitgebern auf verschiedenen Ebenen innerhalb der Streitkräfte zusammen. Darüber hinaus gebe es Dutzende regionaler Initiativen, bei denen die Teilstreitkräfte selbst Vereinbarungen mit Unternehmen treffen. Um Zweifel bei Arbeitgebern auszuräumen, die bislang nicht mit dem Verteidigungsministerium zusammenarbeiten, wollen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände diesbezügliche Vereinbarungen in Tarifverträgen festschreiben.
Für Menschen in systemrelevanten Berufen wie Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sei es schwieriger, Reservist zu werden und dies in Tarifverträgen festzulegen. Rettungskräfte seien schließlich für die Gesellschaft als Ganze unverzichtbar. Für medizinisches Personal wie Ärzte und Krankenschwestern wurden jedoch Vereinbarungen getroffen. Wenn man sich als Arzt anmelde, werde man zum Soldaten oder Offizier ausgebildet. Nach der Ausbildung arbeite man wieder ganz normal – z.B. im Krankenhaus – bis man womöglich aufgerufen wird, um verwundete Soldaten zu versorgen.

Win-Win-Situation

Arbeitgeber seien bereit, mitzudenken, weil sie davon auch profitieren würden, so ein Sprecher der Gewerkschaft VNO-NCW. Beim Verteidigungsministerium könne man technische und Führungskompetenzen erwerben, wie etwa Durchsetzungsvermögen und Teamfähigkeit. Und genau diese Fähigkeiten könnten Reservisten dann wieder am Arbeitsplatz einsetzen. Laut VNO-NCW eine Win-Win-Situation.