Kategorien News

Grenzüberschreitende Bürgerinitiative Dinxperwick gegen Mautpläne

Nach der Erneuerung der Mautpläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) haben sich viele Deutsche und andere Europäer kritisch gegenüber dem Vorhaben geäußert. Auch die deutsch-niederländische Bürgerinitiative Dinxperwick e.V. hat sich in einer Stellungsnahme gegen die Pkw-Maut ausgesprochen. Hier finden Sie sie im Wortlaut:

Pkw-Maut oder Infrastrukturabgabegesetz: Stellungnahme der Bürgerinitiative Dinxperwick e.V.

Als binationale Bürgerinitiative Dinxperwick e.V. sind wir seit Jahren engagiert in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Unser Blick richtet sich auf eine gemeinsame Zukunft im europäischen Kontext, getreu dem Motto: europäisch denken, regional planen, lokal handeln. Zu diesem Zweck vernetzen wir unsere Aktivitäten mit anderen Vereinen und Bürgerinitiativen im ganzen Dorf Dinxperwick und in den Grenzregionen entlang der deutsch-niederländischen Grenze.

Mit dieser Stellungnahme zur geplanten deutschen Pkw-Maut verknüpfen wir unsere Aktivitäten zum ersten Mal mit regionalen Institutionen wie dem EUREGIO-Rat Gronau und nationalen Organisationen wie ADAC und ANWB; dies tun wir aus der Überzeugung, dass die Mautpläne aus Bayern nicht nur den deutsch-österreichischen Beziehungen nicht gut tun, sondern dem nationalen und europäischen Gemeinwohl zuwiderlaufen. Diesen Plänen muss mit allen Mitteln politischer Vernunft Einhalt geboten werden; dazu gehört zunächst einmal, sich kritisch mit den Plänen auseinanderzusetzen. Der Bundesverkehrsminister motiviert die von ihm geplante Einführung einer Pkw-Maut für alle Verkehrsteilnehmer in Deutschland wie folgt:

„Um den hohen Standard des deutschen Infrastrukturnetzes aufrecht zu erhalten und den prognostizierten Verkehrszuwachs im Personen- und Güterverkehr bewältigen zu können, muss wesentlich mehr in den Erhalt sowie in den Aus- und Neubau der Verkehrswege investiert werden. Mit einer Ausweitung der Nutzerfinanzierung können größere Unabhängigkeit von der Haushaltslage des Bundes und mehr Planungssicherheit für die Finanzierung von dringend erforderlichen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen erlangt werden.

Zur Umsetzung dieses Vorhabens soll für Halter von im Inland und im Ausland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen eine Infrastrukturabgabe für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen eingeführt werden. Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen sind lediglich bei der Nutzung von Bundesautobahnen abgabenpflichtig. Kraftfahrzeuge von Personen mit Behinderungen, die ganz oder teilweise von der Kfz-Steuer befreit sind, werden auch wirkungsgleich von der Infrastrukturabgabe befreit. Die um die Systemkosten geminderten Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe fließen zweckgebunden in die Verkehrsinfrastruktur.“

(Quelle: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/prognose-infrastrukturabgabe.html)

Es geht also angeblich um einen Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung. Unterschlagen wird dabei, dass Verkehrsteilnehmer bereits heute über unterschiedliche Steuern wie Kfz-Steuer, Benzin- und Dieselsteuer ihren Beitrag zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur leisten. Warum diese immensen Beträge nicht in erster Linie für Verkehrszwecke genutzt werden, diese Frage stellen nicht nur die Automobilclubs wie der ADAC seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten.

Faktisch geht es also bei der Einführung der Pkw-Maut um die Einführung einer neuen Abgabe oder Steuer. Motiviert wird dies mit einem angeblichen Mangel an Gerechtigkeit im jetzigen System. Gebetsmühlenartig betont der federführende Minister Dobrindt, die von ihm geplante Maut sei gerecht, fair und sinnvoll. An allen 3 Eigenschaften sind große Zweifel angebracht.

Besonders kritisch ist der Satz zu lesen, dass die „um die Systemkosten geminderten Einnahmen …zweckgebunden in die Verkehrsinfrastruktur“ fließen sollen.

Bisher gibt es keine verlässlichen Schätzungen dazu, ob sich der ganze bürokratische Aufwand überhaupt lohnt und ob nicht die Nebenwirkungen viel größer und schwerwiegender sind als die erhoffte finanzielle Wirkung. Selbst der Bundesrechnungshof äußert Zweifel an der finanziellen Vernunft der Maut-Pläne.

Europapolitisch sind die Mautpläne kontraproduktiv.

Der EUREGIO-Rat in Gronau hat in einer Stellungnahme zudem darauf hingewiesen, dass eine Maut neue Grenzen schaffe und die deutsch-niederländische Zusammenarbeit behindere.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass auf der Webseite des Bundesverkehrsministeriums zwar ein eigenes Kapitel zur deutsch- französischen Zusammenarbeit im Verkehrsbereich exisiert, aber nicht zur deutsch-niederländischen. Vielleicht ist es in Berlin und in München, wo die Pkw-Maut ausgedacht wurde, nicht bekannt, dass der Handel zwischen den Niederlanden und Deutschland, und hier vor allem mit NRW, das zweithöchste Handelsvolumen (nach USA und Kanada) zwischen zwei Nachbarstaaten weltweit aufweist. Im Falle von NL-D geht es dabei um mehr als 140 Milliarden Euro pro Jahr; eine Behinderung dieses Austauschs auch nur um 1 Prozent konterkariert auch noch die optimistischste Schätzung zur geplanten Pkw-Maut. Wir können dem Bundesverkehrsminister daher nur raten, zu den Risiken und Nebenwirkungen seiner Pläne nicht nur seinen Parteivorsitzenden oder seinen Karriereplaner zu befragen, sondern die Grenzlandbewohner als Fachleute für Europa von unten. Auf diese Weise könnte er sich gleichzeitig in Bürgernähe üben und erfahren, mit welchen Aufgaben sich die Grenzregionen beschäftigen. Der EUREGIO-Rat nennt in seiner Stellungnahme als wichtige europäische Errungenschaften: „Zusammenarbeit zwischen Unternehmen oder Krankenhäusern, Einkaufen, Arbeiten, Freizeit gestalten auf der jeweils anderen Seite der Grenze“ und betont dabei: „Seit Öffnung der europäischen Binnengrenzen – unterstützt durch die Arbeit der EUREGIO – hat die europäische Idee im EUREGIO-Gebiet nachhaltige Erfolge bei der Beschäftigungsentwicklung und bei der Steigerung der Wirtschaftskraft erzielt.“

Das Hauptziel, das mit diesem wirtschaftlichen Gesichtspunkt verbunden ist, nämlich einen einheitlichen Versorgungs- und grenzüberschreitenden Sozialraum zu gestalten, wird jedenfalls von den Pkw-Mautplänen negativ betroffen.

Der niederländische Automobil- und Tourenclub ANWB nennt in mehreren Briefen an die deutsche Bundesregierung weitere negative Aspekte, die mit den deutschen Maut-Plänen verbunden sind:

  • Abrücken vom Prinzip des freien Grenzverkehrs,
  • Strafzoll für Ausländer, die einen höheren Preis bezahlen sollen durch die Mautkompensation für deutsche Automobilisten,
  • Frontscheiben inzwischen überladen mit Plaketten, zu denen wieder eine dazu kommen soll,
  • Niederländer tragen bereits heute über die Kraftstoffsteuer zur Finanzierung der deutschen Infrastruktur bei.

Diese Aspekte zeigen, dass es auch mit der wahrgenommenen Fairness und Gerechtigkeit der geplanten Maut nicht weit her ist – manche sprechen gar von einer bayrischen Doppelmoral, da die Maut CSU-intern als „Ausländermaut“ motiviert wird, in europäischen Zusammenhängen aber gerne noble Ziele wie Ökologie und Umweltfreundlichkeit ins Feld geführt werden.

Wie die Maut die angestrebten 3 Ziele, gerecht für alle Verkehrsteilnehmer, unabhängig von ihrem Geburtsland oder Wohnort, fair, d.h. unabhängig vom Geldbeutel des Einzelnen, und zugleich finanz- und europapolitisch sinnvoll, erreichen soll, kann nur jemand erklären, der sich wie Minister Dobrindt die Quadratur des Kreises vorgenommen hat. Denn nach seinen Plänen soll es für inländische Pkw-Fahrer keine Mehrbelastung geben – wer ein besonders umweltfreundliches Fahrzeug besitzt, soll sogar stärker als andere entlastet werden. Dieser „ökologische Bonus“ führt natürlich zu neuen Ungerechtigkeiten: im Inland zwischen unterschiedlichen Wagenklassen / Einkommensklassen, im Ausland dadurch, dass dieser „ökologische Bonus“ Europabürgern aus den Nachbarländern nicht gewährt werden soll.

Aus all diesen Gründen schließen wir uns als binationale Bürgerinitiative Dinxperwick e.V. den Schreiben des EUREGIO-Rats Gronau und des ANWB in allen Punkten an, ergänzen sie durch unsere eigenen Überlegungen und begrüßen es ausdrücklich, dass die niederländische Regierung gegen diese Mautpläne klagen will.