Auftakt eines Experiments: Die Niederlande haben eine neue Regierung

Auftakt eines Experiments: Die Niederlande haben eine neue Regierung

Gut sieben Monate nach den Parlamentswahlen, nach äußerst schwierigen Koalitionsverhandlungen und wiederholten Misstrauensbekundungen und Anfeindungen unter den beteiligten Partnern hat der niederländische König am Dienstag die neue Regierung der Niederlande vereidigt und offiziell präsentiert. Neuer Regierungschef ist der parteilose, politisch bislang nicht in Erscheinung getretene Dick Schoof (67). Er ist ein hoher Beamter, der zuletzt dem niederländischen Geheimdienst vorstand.

Das Kabinett Schoof wurde von König Willem-Alexander im Palast Huis ten Bosch vereidigt. Anschließend wurde der vollständige Ministerrat der Öffentlichkeit präsentiert. Die rechtspopulistische PVV von Wahlsieger Geert Wilders stellt fünf Minister und vier Staatssekretäre, die rechtsliberale VVD und die NSC vom abtrünnigen Christdemokraten Pieter Omzigt jeweils vier Minister und drei Staatssekretäre. Die erst kürzlich gegründete „Bauern-Protestpartei“ BBB stellt im neuen Kabinett zwei Minister und drei Staatssekretäre.

Es handelt sich bei den neuen Amtsträgern zum Teil um Neulinge im Geschäft, viele sahen sich anlässlich der Vereidigung zum ersten Mal. Dem neuen Kabinett gehören sieben Frauen und acht Männer an. Wahlsieger Geert Wilders (PVV) und die Frontleute der drei Koalitionspartner VVD, NSC und BBB hatten sich schon zu Beginn der Koalitionsrunden darauf verständigt, dass sie kein Ministeramt übernehmen würden. Unter anderem, weil ein offen islamkritischer und potenziell abschiebewütiger Politiker wie Wilders als Repräsentant seines Landes auf internationaler Bühne nicht vorzeigbar wäre.

Fortschritt oder Rückschritt?

Nicht wenige Niederländer betrachten die neue Regierung als Rückschritt. Mehrere Dutzend Demonstranten der radikalen Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion blockierten aus Protest gegen die Vereidigung die Auffahrt zur Autobahn A12 in Den Haag. „Auf dem Podium waren heute mehrere Minister, die die Klima- und Umweltkrise herunterspielen oder sogar leugnen. Das ist bizarr und lebensbedrohlich“, sagte ein Sprecher der Organisation. Auch am Palast Huis ten Bosch protestierten einige hundert Demonstranten gegen den Amtsantritt des Kabinetts Schoof. Für die Balkonszene mit dem neuen Kabinett und dem König kamen sie jedoch zu spät. Sie machten trotzdem Lärm und riefen u. a. „Keine Macht dem Hass“, „Artikel 1 für alle“, „Weg mit der PVV“ und „Schoof unter den Teppich, es lebe die Solidarität“. Außerdem sangen sie „Es ist eine Schande“. Auf einem Protestschild stand: „Schaffen wir auf demokratische Weise die Demokratie ab?“

Vor allem Niederländer mit geringer und mittlerer Bildung haben einem Bericht der Zeitung De Telegraaf zufolge Vertrauen in die neue Regierung ihres Landes. Sie geben an, dass dies auf die „guten Pläne, den frischen Wind und den anderen Kurs“ der neuen Regierungsmannschaft zurückzuführen sei. Mit 36 Prozent haben sie mehr Vertrauen in das neue Kabinett als Wähler mit höherem Bildungsniveau (21 Prozent). Es gibt jedoch auch viele Wähler, die dem Kabinett zwar ihr Vertrauen aussprechen, es aber gleichzeitig mit Vorsicht betrachten.

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