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Blog: Bürokratiemonster oder hilfreiches Mittel zur Infektionsvermeidung?

Das neue Corona-Arbeitsschutzrecht in Deutschland

Die Corona-Pandemie bleibt weiterhin eine große Herausforderung für in Deutschland tätige Unternehmen. Machen wir uns nichts vor: Die Pandemie wird 2021 noch dominieren und – bei günstiger Prognose – erst gegen Jahresende die Öffentlichkeit weniger stark beschäftigen. Seit Ende Januar ist durch die Verabschiedung der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung die rechtliche Komplexität im Arbeitsrecht nochmals gestiegen, die Unternehmen müssen größenunabhängig noch weiter in den Gesundheitsschutz investieren. Dies wurde bekanntlich kritisiert. „Gleichwohl müssen sich einstweilen alle Unternehmen mit Beschäftigten in Deutschland an die neuen Regelungen unabhängig von der Unternehmensgröße halten“, betonen Dr. Anne Förster und Dr. Michael Pils, beide als Rechtsanwälte tätig bei Taylor Wessing in Düsseldorf. Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB ist eine internationale Wirtschaftskanzlei, in Deutschland ist sie in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München tätig. Im nachfolgenden Beitrag beleuchten Anne Förster und Michael Pils, welche Aspekte bei besagten Regelungen zu beachten sind.

Folgende Punkte müssen Unternehmen in Deutschland beachten:

1. Prüfen Sie die Umsetzung der bisherigen Corona-Regeln – reichen diese aus? Seit 2020 müssen Unternehmen in Deutschland neben branchenbezogenen Regelungen vor allem in die Umsetzung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards sowie der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel investieren. Diese Regeln gelten weiter, Anpassungen sind zu erwarten. Die Komplexität wird also zunehmen. Achtung: Geschäftsführer müssen hier besonders aufpassen, um nicht in Compliance-Haftungsfallen zu laufen! Die D&O-Versicherung (Directors & Officers-Versicherung u.a. für Geschäftsführer, Vorstand oder Aufsichtsrat) hilft nur begrenzt.

2. Prüfen Sie, ob die Arbeitnehmer auch von zu Hause arbeiten können. Nach der seit dem 27. Januar 2021 geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung müssen Arbeitgeber, soweit die Arbeitnehmer Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten ausüben, das Arbeiten von zu Hause („Homeoffice“) anbieten, wenn hiergegen keine zwingenden betrieblichen Gründe sprechen. Diese Regelung ist zunächst bis zum 15. März 2021 befristet. Zwingende betriebliche Gründe gegen das Homeoffice sollen laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales nur vorliegen, wenn der Arbeitgeber nachvollziehbare betriebstechnische Gründe darlegen kann, wie z.B. eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebsablaufs. Liegen solche zwingenden betrieblichen Gründe nicht vor, sind diese zu dokumentieren. Gerade da die Arbeitsschutzbehörden verstärkt die Einhaltung der Corona-Arbeitsschutzverordnung überprüfen, ist auf eine sorgfältige und stichhaltige Dokumentation zu achten.

3. Auch im Homeoffice muss der Arbeitgeber auf die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen, etwa im Bereich Datenschutz, Arbeitszeit, Vertraulichkeit und Geschäftsgeheimnis oder Arbeits- und Gesundheitsschutz achten. Daher sollten Homeoffice-Regeln überprüft und gegebenenfalls ergänzt werden. Eine Home-Office-Regelung sollte sinnvollerweise unter anderem die Dauer und die Arbeitszeitumstände, die Dokumentationspflichten bezüglich der Arbeitszeit, die Vertraulichkeit und den Datenschutz, den Kostenersatz für Zusatzkosten oder dessen Ausschluss sowie Rückkehrrechte/-modalitäten enthalten. Natürlich bedarf es einer Anpassung auf den Betrieb und einem Abgleich mit der dort herrschenden und gelebten Unternehmenskultur. Gerade beim Datenschutz ist Vorsicht geboten: Haftungsfallen für alle Beteiligten müssen bereits wegen der DGSVO unbedingt vermieden werden. Hier ist es zur Vermeidung von Bußgeldern oftmals ratsam, juristischen Rat einzuholen.

4. Achten Sie darüber hinaus auf eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung weist erneut auf die Arbeitgeberpflicht zur Gefährdungsbeurteilung hin. Arbeitgeber müssen diese für die Arbeitsstätten/Beschäftigte/Betriebe mit Blick auf die dynamischen Anforderungen aus den Corona-Regelungen aktualisiert halten – etwa hinsichtlich der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards sowie der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel sowie regionaler und landesrechtlicher Regeln. Der gesamte Prozess muss sorgfältig dokumentiert werden – auch müssen Beschäftigte unterwiesen werden. Zwar gibt es immer mehr gut gemeinte Checklisten, wie z.B. von der Unfallversicherung. Diese sind aber rechtlich mit heißer Nadel gestrickt und kaum praktikabel umsetzbar: Denn nur selten werden alle dort genannten rechtlichen Anforderungen erfüllt: Man denke nur an die gesteigerten Anforderungen an das Homeoffice, die im Widerspruch zu der vorherrschenden Wohnungsknappheit oder dem „Homeschooling-Anforderungen“ stehen. Eine ungestörte Arbeitsatmosphäre „zu Hause“ ist für viele Familien derzeit Wunschtraum.

5. Denken Sie an ein vernünftiges Raumnutzungskonzept und prüfen Sie Ihre Arbeitsorganisation. Arbeitgeber müssen dokumentieren, wieviel Personal aus welchen Gründen im Betrieb sein muss. Die Regel „Eine Person pro 10m²“ kann mehr als nur eine Personaleinsatzplanung bedeuten und erstreckt sich auf Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen. Insgesamt muss die gesamte Arbeitsorganisation mit der Corona-Arbeitsschutzordnung in Einklang stehen. E-Meetings und Informationstechnologie müssen weitegehend vorrangig genutzt werden – wo dies unmöglich ist, sollten die Gründe dokumentiert werden. Auch hier steckt der Teufel in der datenschutz-konformen Umsetzung.

6. Stellen Sie ein Maskenkonzept auf. Das Ziel der Infektionsvermeidung zwingt Arbeitgeber bereits jetzt nach Landesregelungen verschiedentlich zur Einführung von Masken am Arbeitsplatz. Arbeitgeber müssen prüfen, wo Masken eingesetzt werden müssen, wenn etwa das Raumkonzept zu Unterschreitungen des Mindestabstands führt. Bei der Maskenbeschaffung muss sichergestellt sein, dass die Masken den in der Verordnung zugelassenen Kennzeichnungen/Merkmalen entsprechen. Wo FFP-2-Masken eingesetzt werden müssen, müssen die DGUV-Vorschriften umgesetzt werden, was etwa zu längeren Pausen führen kann und zusätzliche Unterweisungen nötig macht. An die medizinische Vorsorge (G 26) ist ebenfalls zu denken. Das Beschaffungswesen ist auch bezüglich der Corona-Compliance zu überdenken.

7. Bereiten Sie sich auf eine Überprüfung der Einhaltung der Regelungen durch die Arbeitsschutzbehörden vor. Diese sind zurzeit schwerpunktmäßig mit der Kontrolle der Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen beschäftigt. Daneben ist auch zu bedenken, dass die neuen Corona-Regelungen eingefordert und Unruhe im Betrieb verursachen können. Mit Blick auf das Beschwerderecht kann ein Beschwerdemanagement oder die Einführung einer Whistleblower-Hotline in Ergänzung ratsam sein.

Noch eine Schlussbemerkung für die Betriebe mit Betriebsrat: Der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz unterliegt größtenteils der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies gilt auch für die Ausgestaltung („Wie“) der Corona-Arbeitsschutzverordnung. Die Einführung von Homeoffice löst eine Reihe von Mitbestimmungsrechten aus, genauso wie etwa die Frage der Maskenpflicht oder der Arbeitsorganisation. Bereits die Frage, welches betriebsverfassungsrechtliche Organ zuständig ist, muss sorgfältig geprüft werden. Wird die Mitbestimmung verkannt, kann der Betriebsrat im schlimmsten Fall sogar die vorübergehende Einstellung der betrieblichen Tätigkeit erwirken.

Über die Autoren

Dr. Anne Förster

Dr. Anne Förster, Fachanwältin für Arbeitsrecht, ist Salary Partnerin bei TaylorWessing und berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Sie fokussiert sich dabei auf den Bereich Arbeitnehmerüberlassung und den rechtskonformen Einsatz von Fremdpersonal. Hier verfügt sie über eine langjährige Branchen-Expertise im IT Bereich und ist sehr erfahren bei der arbeitsrechtlichen Gestaltung agiler Projekte. Außerdem verfügt sie über besondere Expertise in Fragen der tarifrechtliche Fragen, die betrieblichen Mitbestimmungsrechte (einschließlich der Verhandlungen mit Betriebsräten) sowie die Beratung von Unternehmen im Rahmen von Umstrukturierungsprozessen, insbesondere im Zusammenhang mit Betriebsübergängen.

 

Dr. Michael Johannes Pils

Dr. Michael Johannes Pils ist Partner im Düsseldorfer Büro von Taylor Wessing. Er ist anerkannter Experte für die arbeitsrechtliche Betreuung von nationalen und internationalen Unternehmenskäufen sowie für Post-Merger-Integration. Ein weiterer Schwerpunkt liegt zudem auf Projekten mit Bezug zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur HR-Compliance sowie der betrieblichen Altersversorgung. Außerdem unterstützt er seit vielen Jahren mit seinem exzellenten Netzwerk die Japan-Praxisgruppe bei Taylor Wessing als Co-Head des Japan Desk.