Der Insolvenzantrag als Inkassomittel einfach und verständlich vom niederländischen Rechtsanwalt Wouter Timmermans erklärt
Wenn ein Gläubiger offene Rechnungen eintreibt, ist eine Insolvenz des niederländischen Schuldners vermutlich wohl das Letzte, auf das er hofft. Der Gläubiger kann seine Forderung dann zwar zur Insolvenztabelle beim Insolvenzverwalter einreichen, aber häufig wird ein Insolvenzverfahren mangels der Masse abgewiesen. Der Gläubiger geht dann leer aus. Dennoch kann die Drohung mit dem Insolvenzantrag oder sogar das Stellen und die rechtzeitige Rücknahme eines solchen Antrags ein wirksames Druckmittel sein, um Forderungen schnell und erfolgreich einzutreiben. Die Voraussetzungen für eine Insolvenz sind nach niederländischem Recht relativ leicht erfüllt. In der Regel möchten Schuldner, die überhaupt noch in der Lage sind zu zahlen, natürlich um jeden Preis verhindern, dass die Insolvenz tatsächlich eröffnet wird. Die Erfahrung lehrt, dass sie die Forderung dann oft völlig oder teilweise zahlen.
Schnelles Antragsverfahren
Ein oder mehrere Gläubiger gemeinsam können einen Antrag auf Insolvenz des Schuldners stellen. Der schriftliche Antrag ist von einem Anwalt einzureichen. Der Anwalt erhält bereits innerhalb weniger Wochen, nachdem er den Antrag gestellt hat, eine Vorladung für die mündliche Verhandlung. Der Schuldner erhält ebenfalls eine solche Vorladung.
Der Schuldner kann schriftlich oder mündlich Widerspruch einlegen. Es besteht keine Anwaltspflicht. Der Richter verkündet in der Regel an dem Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, das Urteil. Ist das nicht möglich, erfolgt das Urteil so bald wie möglich, in der Regel innerhalb von ein oder zwei Wochen.
Natürliche Person
Ist der Schuldner eine natürliche Person oder Inhaber eines Einzelunternehmens, Partner einer Personengesellschaft oder Komplementär einer Kommanditgesellschaft, wird er in der Vorladung darüber informiert, dass er innerhalb von 14 Tagen nach der Vorladung einen Antrag auf eine Art von Restschuldbefreiung (Wet schuldsanering natuurlijke personen) stellen kann. Diese ermöglicht es für natürliche Personen innerhalb von drei Jahren komplett schuldenfrei zu werden. Die Forderungen der Gläubiger werden in dieser Zeit nur zu einem sehr geringen Teil ausgeglichen. Diese Variante ist also nicht im Interesse eines Gläubigers.
Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind relativ leicht erfüllbar. Der Antragsteller muss darlegen, dass sich der Schuldner in einer Lage befindet, in der er aufgehört hat, zu zahlen. Und er muss darlegen, dass es, abgesehen von seiner Forderung, noch eine oder mehrere Forderungen bei anderen Gläubigern gibt, von denen mindestens eine Forderung fällig und zahlbar ist. Es ist übrigens nicht erforderlich, dass die übrigen Schuldner dem Insolvenzantrag zustimmen. Auch die Höhe der Forderung spielt keine Rolle.
Es ist dem Antragsteller erlaubt, die Beweismittel erst zur mündlichen Verhandlung zu liefern. Sie müssen nicht unbedingt zum Zeitpunkt, zu dem der Antrag gestellt wird, eingereicht werden.
Der Antrag rechtzeitig zurückziehen
Ziel des Antrags ist nicht die Insolvenz des Schuldners, sondern die Zahlung der offenen Rechnungen. Wenn die Einreichung des Antrages nicht zur unverzüglichen Zahlung führt, besteht die Möglichkeit, diesen vor der mündlichen Verhandlung zurückzuziehen. Somit werden weitere Anwaltskosten und eine tatsächliche Insolvenz vermieden. Der Antrag kann aber auch während der mündlichen Verhandlung noch zurückgenommen werden.
Wenn der Schuldner vor oder während der mündlichen Verhandlung anbietet, die Forderung völlig oder in Raten zu zahlen, kann der Termin für die mündliche Verhandlung höchstens vier Mal (bis zu acht Wochen) verschoben werden. In dieser Zeit kann der Gläubiger die Zahlung(en) abwarten und der Schuldner spürt noch immer den Druck der drohenden Insolvenz.
Kosten des Antrags
Wenn der Antragsteller eine Privatperson ist, betragen die Gerichtskosten 309 Euro. Wenn der Antragsteller eine juristische Person ist, zum Beispiel eine GmbH, belaufen sich die Gerichtskosten auf 667 Euro (Stand: 2021). Der Antraggegner zahlt keine Gerichtskosten. Zusätzlich zu den Gerichtskosten fallen noch Anwaltskosten an.
Über den Autor
Wouter Timmermans berät und vertritt seit vielen Jahren deutsche Unternehmen mit seiner Expertise im niederländischen Recht. Er ist Anwalt der Kanzlei Stellicher advocaten NV in Arnheim (Niederlande) und Vorsitzender des Deutsch-Niederländischen Businessclubs Gelderland.