Brainport Industries: Aus Zulieferern werden Entwicklungspartner

Gemeinsam stärker: Brainport Industries mit Sitz im niederländischen Eindhoven ist ein Hightech-Netzwerk der Zulieferindustrie – mit knapp 95 angeschlossenen Unternehmen aus den gesamten Niederlanden. „Zusammen repräsentieren wir 9.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro“, berichtet Geschäftsführer John Blankendaal. Im Rahmen dieser Gemeinschaft haben sich die Zulieferer zu Entwicklungspartnern der großen OEMs gemausert. Im Niederlande-Pavillon in Halle 4 auf der Hannover Messe präsentiert Brainport Industries innovative Unternehmen aus der Zulieferindustrie.

John Blankendaal, Gründer und Geschäftsführer von Brainport Industries. Foto: Brainport Industries

„Vor zehn Jahren stand die holländische Fertigungsindustrie am Scheideweg: Abwandern in Niedriglohnländer? Ganz aufgeben? Angesichts des globalen Wettbewerbs sah die Zukunft düster aus. Deshalb haben wir uns entschieden, die Sache anders anzugehen“, blickt Blankendaal zurück. Was heißt das konkret? „Früher bestand der Prozess in der Zulieferindustrie aus drei Schritten: Anfrage, Angebot, Ausführung. Die Rollen waren klar verteilt: Sie wünschen, wir fertigen. Dieses Modell aber hatte keine Zukunft mehr. Deshalb mussten wir einen deutlichen Mehrwert entwickeln. Unser Ansatz lautete, dass wir uns in der Fertigungskette weiter nach vorne schieben mussten, also schon bei der Produktentwicklung einbezogen werden. So kam der Slogan ‚Vom Zulieferer zum Entwicklungspartner‘ zustande“, erläutert Blankendaal.

Auf Augenhöhe

Mit dieser Philosophie ist vor gut fünf Jahren die Kooperation Brainport Industries gegründet worden. Denn nur gemeinsam konnte dieser Umschwung gelingen. „Heute sind wir ein Ansprechpartner auf Augenhöhe.“ Warum sollten große OEMs dieses Angebot nutzen? „Große Konzerne können durch die Kooperation mit unseren Zulieferern den Umsatz verdoppeln und die Kosten halbieren. Die weltweit tätigen Unternehmen wollen es sich nicht mehr leisten, alle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten selber durchzuführen. Sie sind auf die Zusammenarbeit mit innovativen Partnern angewiesen. Auf diese Entwicklung haben wir reagiert.“

Offene Zulieferkette: Die Hightech-Unternehmen, die Brainport Industries angehören, werden immer öfter schon in die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren einbezogen. Schema: Brainport Industries

Kontakte vermitteln

Wie funktioniert diese genossenschaftliche Kooperation? „Wir sind in der Verwaltung ein kleines Team aus zwei Personen, wodurch wir flexibel sind und kurze Wege garantieren können. Für die Mitglieder nehmen wir Anfragen entgegen und vermitteln die Kontakte zu potenziellen Auftraggebern. Wenn die Kontakte konkret werden und in Auftragsgespräche übergehen, ziehen wir uns heraus“, erklärt Blankendaal. Brainport Industries sorgt vor allem dafür, dass die beteiligten Zulieferer im Markt wahrgenommen werden.

Die Mitglieder stammen aus unterschiedlichen Branchen wie Medizintechnik, Halbleitertechnologie, Photovoltaik, der optischen Industrie oder Messgerätetechnik. So divers die Unternehmen sind, eines müssen alle im gleichen Maße bieten: höchste Qualität. „Und die halten wir streng im Auge. Wir können es uns nicht erlauben, Mitglieder mit Qualitätsschwankungen zu vertreten“, betont Blankendaal.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Netzwerkcharakter. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig, mal in großen Gruppen, mal in kleineren branchenspezifischen Kreisen. Jedes Mitglied bestimmt selbst, wie stark es sich einbringt. „Ich bin wie ein Koch, der seine Zutaten gut kennen muss. Dann kann ich effektiv Aufträge vermitteln“, schildert der Geschäftsführer seine Rolle. Grundsätzlich orientieren sich alle Projekte von Brainport Industries an dem Dreiklang aus Technologie, Markt und Mensch.

Deutscher Markt

Ein typisches Beispiel für die Marktaktivitäten heißt „Medizintechnik Holland“. Unter diesem Namen haben sich am 1. Oktober 2015 zwölf niederländische Hightech-Zulieferer aus der Medizintechnikbranche zusammengeschlossen, um sich auf dem deutschen Markt aktiv zu etablieren. Diese Kooperation fällt unter das niederländische Regierungsprogramm „Partners for International Business“ und basiert auf dem kombinierten Einsatz von privaten und öffentlichen Mitteln. Unter Federführung von Brainport Industries wurden bereits Kooperationsvereinbarungen mit den baden-württembergischen Clustern MedicalMountains und der BioRegio STERN unterzeichnet. Weitere Kooperationen und Aktivitäten sind bereits in Planung. Die Kooperation ist zunächst auf drei Jahre angelegt und soll deutsche und niederländische Innovationstreiber zusammenführen.

Kompetenz steigern

Ein Beispiel für ein Technologieprojekt nennt sich Addfab. „Hier haben sich neun Mitglieder aus der Metallbearbeitung zusammengetan und gemeinsam einen 3D-Printer angeschafft. In der Kooperation können sie die Verfahren kennenlernen und in kurzer Zeit ihr Know-how entscheidend steigern. Alleine hätte keines der Unternehmen diese Investition zu Forschungszwecken stemmen können. Bei Addfab arbeiten übrigens auch Wettbewerber zusammen.“

Ein weiterer Fokus der Tätigkeiten liegt auf dem Faktor Mensch. So setzt sich Brainport Industries für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter des Netzwerks ein. Ein Beispiel dafür bildet das Brainport Industries College, bei dem technische Ausbildungszentren mit Unternehmen zusammenarbeiten, um die Verknüpfung zwischen Ausbildung und Praxis zu stärken.

Brainport Industries Campus

Der nächste Entwicklungsschritt ist die Errichtung einer Factory of the Future am Flughafen Eindhoven. „Mit diesem Brainport Industries Campus reagieren wir konkret auf die Entwicklungen von Industrie 4.0. Hier schaffen wir die geeigneten Strukturen für Innovationen und Kooperationen in Clusterstruktur für die verarbeitende Industrie“, erklärt Blankendaal. Mit den Bauarbeiten wurde bereits begonnen. Über die Pläne und die Kompetenzen der Mitgliedsunternehmen können sich die Besucher der Hannover Messe informieren.