Wie lässt sich die wachsende Weltbevölkerung zuverlässig mit Nahrungsmitteln versorgen? Eine Frage, die Forscher, Politiker und Unternehmer weltweit beschäftigt. Eine Antwort bietet Cityfarming: der Anbau von Lebensmitteln in Ballungszentren. Dafür werden beispielsweise leerstehende Fabrikhallen in moderne Gewächshäuser verwandelt, die Sonne durch LED-Beleuchtung ersetzt. Einen Schritt weiter geht die niederländische Kooperation CCGS: Sie präsentiert auf der Hannover Messe ein komplett kontrolliertes Anbausystem, ein sogenanntes „Complete Controlled Growing System“ (CCGS). „Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, hochwertige Lebensmittel dort zu produzieren, wo sie benötigt werden“, erklärt Initiator Peter Scheer von der Hochschule HAS aus dem niederländischen Den Bosch. Grundlage bildet die erfolgreiche Integration der Bereiche Anbau, Technik und Projektmanagement in einem ganzheitlichen Konzept.
Was ist das Besondere an dem System? „Eine große Stärke liegt darin, dass wir mit minimalem Mitteleinsatz ein maximales Pflanzenwachstum realisieren können. Das System erstreckt sich über mehrere Etagen. Dadurch können wir pro Quadratmeter mehr produzieren als mit herkömmlichen Anbaumethoden“, erklärt Scheer.
Sinkender Wasserverbrauch
Zudem sei der Anbau – zum Beispiel von Gemüse – nicht mehr an die Jahreszeiten gebunden. Stattdessen könne unter stabilen Klimabedingungen ganzjährig produziert und geentet werden – mit einer konstanten Qualität. Weiterer Vorteil: „Für den Anbau in einem CCGS sind keine Pflanzenschutzmittel erforderlich. Der Wasserverbrauch sinkt, da in dem geschlossenen System das verdampfte Wasser wieder aufgefangen und erneut genutzt wird“, zählt Scheer weitere Pluspunkte auf.
Last but not least: Ein CCGS kann an jedem Ort der Welt installiert werden, an dem es einen Wasser- und einen Stromanschluss gibt. Lebensmittel können somit lokal produziert und direkt vor Ort vermarktet werden. Lange, teure und umweltschädliche Transporte fallen dadurch weg.
Kompetenzen integriert
Das neue System beruht auf einem soliden Fundament aus unterschiedlichen Kompetenzen, die sich nahtlos ergänzen. Dieses Know-how steuern drei Partner bei: die Unternehmen Holland Innovative und Ligth4Food sowie die Initiatoren der Hochschule HAS. Scheer: „Diese Kooperation gewährleistet die erforderliche Expertise in den Bereichen Anbau, Technik und Projektmanagement.“
Auf dieser Grundlage können die Partner maßgeschneiderte Anbaukonzepte entwickeln. „Wir haben hierfür den Begriff Right-tech eingeführt. Damit meinen wir, dass wir in jedem Land und für jede gewünschte Anwendung ein maßgeschneidertes System entwickeln können, das die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt.“ Die Ziele sind klar definiert: schnelleres Pflanzenwachstum, höhere Erträge und bessere Qualität. „Wir liefern kein festes System, sondern ein zuverlässiges und funktionierendes Konzept“, verdeutlicht Scheer.
Brightbox
Ein Erfolgsbeispiel für das Konzept ist „Brightbox“ in Venlo. Es handelt sich dabei um eine Demo-Cityfarm für Forschungszwecke, die von der HAS University of Applied Science, Philips und Botany entwickelt wurde. Sie besteht aus einer großen Klimakammer, in der für bestimmte Pflanzen die idealen Wachstumsbedingungen getestet werden: das perfekte Zusammenspiel aus Licht, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Nährstoffen, Wasser und Substraten. In der Klimakammer befinden sich vier Hochregale mit je fünf Etagen, in denen parallel unterschiedliche Konzepte getestet werden. „Alle Anbaukonzepte von CCGS werden in der Brightbox getestet. Wir starten mit den Untersuchungen zunächst in kleinen Klimakammern. Anschließend werden die Tests in größerem Umfang durchgeführt“, erläutert Scheer.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. So wurde gerade wieder der Online-Kursus „Growing without Daylight“ durchgeführt. „Teilnehmer aus aller Welt haben sich online von uns schulen lassen.“
Weltweiter Einsatz
Die Idee der Cityfarm an sich ist nicht neu. „Bisher jedoch waren die Systeme nicht hundertprozentig kontrollierbar. Das ist uns jetzt gelungen: Das Konzept ist komplett unter Kontrolle. Das ist erforderlich, damit wir auch die Rohstoffe und Nährstoffe nachhaltig einsetzen können. Jetzt ist unser System bereit für die Welt.“
Entsprechend ehrgeizig sind die Pläne: In den kommenden Jahren sollen mindestens fünf Demofarmen entstehen. Diese sollen als Ausgangspunkte dafür dienen, dass weltweit neue Cityfarmen entstehen. Damit die Idee genauso schnell wächst, wie die Pflanzen in einem CCGS…
Bühne für Start-ups
Auf dem Start-up und Innovationsplatz in Halle 4 der Hannover Messe stellen sich rund 20 innovative Start-ups aus den Niederlanden vor. Unter Federführung der High-Tech-Experten von Holland Innovative präsentieren sie sich und ihre Produkte potenziellen Auftraggebern und Investoren.