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Fachkräftemangel gemeinsam bekämpfen

Die Arbeitsmärkte in Deutschland und den Niederlanden befinden sich im Wandel. Die Coronapandemie hat die Debatte um neue Arbeitsmodelle beschleunigt und bewegt viele Unternehmen zum Umdenken. Veränderungsbereitschaft, flexible Arbeitszeiten, agile Führung, flache Hierarchien, schnelle und gemeinsam getroffene Entscheidungen – das bisherige Arbeitssystem scheint überholt. New Work – neues Arbeiten – ist der Inbegriff des Strukturwandels in der Arbeitswelt. Es ist ein Sammelbegriff für sinnvolles und zukunftsorientiertes Arbeiten, ein Konzept für eine neue Art des Arbeitens im globalen und digitalen Zeitalter. „Obwohl wir schon seit einigen Jahren auf dem Weg zu einer flexibleren Arbeitsweise sind, hat die Corona-Krise das Thema ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt“, sagt Arno Knoops, Geschäftsführer der grenzüberschreitend tätigen Unternehmensberatung Aranco und Partner der deutsch-niederländischen Arbeitsmarktplattform, zu der auch der GrenzInfoPunkt Rhein-Waal gehört.

Hybrides Arbeiten wird zum Standard

Tatsächlich hat die durch die Pandemie ausgelöste kollektive Heimarbeit gezeigt: Arbeiten funktioniert auch anders. Homeoffice ist für viele Unternehmen zu einem festen Bestandteil ihrer künftigen Arbeitsweise geworden. Immer mehr Menschen werden für längere Phasen dem Büro fernbleiben. „In den Niederlanden ist die Arbeitsplatzauslastung derzeit noch rund 20 Prozent niedriger als vor der Pandemie“, berichtet Arno Knoops. Umfragen des niederländischen Forschungsinstituts TNO (2022) zeigen, dass 80 Prozent der Erwerbstätigen in den Niederlanden weiterhin von zu Hause arbeiten wollen. Davon bevorzugt mehr als ein Drittel, ausschließlich von Zuhause aus zu arbeiten, wohingegen nur ein Fünftel aller Beschäftigen ins Büro zurückkehren möchte.

Auch in Deutschland setzt sich dieser Trend fort. In der Hälfte der Unternehmen überwiegt ein Hybrid-Mix aus Präsenzarbeit und Homeoffice. Die Fahrt ins Büro wird zu einer bewusst getroffenen Entscheidung. Wer sich als Arbeitgeber auf authentische Weise für flexibles Arbeiten einsetzen, kann zu einer besseren Work-Life-Balance, größerer Mitarbeiterzufriedenheit und guten Geschäftsergebnissen beitragen.

Produktivität durch Individualität

„Wenn wir von Neuem Arbeiten sprechen, meinen wir jedoch mehr als nur Flexibilisierung und Homeoffice“, betont Knoops. „Es geht um eine fundamentale Veränderung des Arbeitsverständnisses.“ Gerade junge Arbeitnehmer wollen starre, unreflektierte Berufsstrukturen aufbrechen. Sie fordern erfüllende Jobs mit Sinn und mehr Freizeit für Selbstverwirklichung. Die Corona-Krise gab den Arbeitnehmern Zeit, darüber nachzudenken, wer sie sind, was sie wollen und wo sie Zufriedenheit und Herausforderung finden, sowohl während als auch außerhalb der Arbeitszeit. Fast die Hälfte der niederländischen Beschäftigten plant in naher Zukunft einen Arbeitsplatzwechsel. Das geht aus einer Umfrage von Personio (2021) hervor. Viele Unternehmen befanden sich im vergangenen Jahr im Krisenmodus. Für effektive Personalstrategien gab es wenig Zeit und Aufmerksamkeit. Personalabteilungen sollten daher dringend ihren bisherigen Kurs ändern und sich in den nächsten Monaten auf das konzentrieren, was ihr Unternehmen erfolgreich macht: ihre Mitarbeiter.

Personalmangel

Mehr als ein Drittel aller niederländischen Unternehmen geben an, dass Personalmangel zu einem ihrer größten unternehmerischen Hindernisse zähle (CBS, 2021). Kaum verwunderlich, da es zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert auf dem niederländischen Arbeitsmarkt wieder mehr freie Stellen als Menschen gibt, die sie besetzen können. Gleichzeitig jedoch steigt der Anteil der Langzeitarbeitslosen und es gibt nach Angaben des Niederländischen Amts für Statistik (CBS, 2022) noch immer ein ungenutztes Arbeitskräftepotenzial von einer Million Menschen – mehr als ein Drittel davon junge Arbeitssuchende. Zudem wird vor allem in Deutschland ein enormer Mangel an Fachkräften in verschiedenen Sektoren beklagt. Diese Menschen werden vor allem im Pflegesektor benötigt. Knoops warnt vor einem Mismatch auf den Arbeitsmärkten beider Länder und plädiert für ein qualifikationsbasiertes Matching: „Wir müssen Arbeitssuchende auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente mit Stellenangeboten in allen Sektoren des Arbeitsmarktes zusammenbringen.“

Untersuchungen der American Management Association AMA (2019) haben außerdem gezeigt, dass 75 Prozent des beruflichen Erfolgs davon abhängen, inwieweit die erforderlichen Soft Skills entwickelt seien, so Knoops. Es gehe dabei also nicht um die Person mit dem umfangreichsten Lebenslauf oder der längsten Liste von Diplomen, sondern um die Person mit den richtigen Soft Skills. Mit anderen Worten: persönliche Qualitäten, die den Anforderungen einer Organisation entsprechen.

Knoops plädiert für die innerbetriebliche Neuorganisation von Aufgaben und Funktionen und sieht Chancen in grenzüberschreitender Zusammenarbeit. „Standorte in Grenzregionen bedienen zwei Binnenmärkte – das Personal sollte dies widerspiegeln“, betont Knoops. Das Zusammenbringen unterschiedlicher Arbeitskulturen, wie der niederländischen Flexibilität und der deutschen Gründlichkeit, stimuliere innovative Denkweisen durch das Eröffnen neuer Perspektiven und könne sich zu einem Wettbewerbsvorteil entwickeln. Ferner würde eine stärkere deutsch-niederländische Zusammenarbeit dem vielfach beklagten Fachkräftemangel entgegenwirken, indem auch jenseits der Grenze nach qualifizierten Arbeitskräften gesucht werde. Die grenzüberschreitende Arbeit(d)smarkt Plattform der Euregio Rhein-Waal biete dahingehend viele Möglichkeiten.

Fazit

Erfolgreiche und zukunftssichere Arbeitsstrukturen sollten daher von einer gut durchdachten und ganzheitlichen Unternehmensstrategie unterstützt werden. Gerade in Grenzregionen sollte der Fokus auf den sich eröffnenden Chancen einer engen Länderpartnerschaft und dem gemeinsamen Lernen von und miteinander liegen. So wird eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschaffen, die gleichzeitig die Wirtschaft und Arbeitskultur der Grenzregion positiv beeinflusst.