Dass Zulieferer so früh wie möglich in den Entwicklungs- und Produktionsprozess einbezogen werden sollten, lässt sich am besten mit konkreten Beispielen aus der Praxis belegen. Genau solche bringen die Unternehmen des niederländischen Gemeinschaftsstands auf der Industrial Supply im Rahmen der HANNOVER MESSE 2016 mit. Der Dutch Industrial Supply Pavillon in Halle 4 ist eine der größten Länderbeteiligungen auf der internationalen Leitmesse für innovative Zulieferlösungen und Leichtbau. Auf 800 Quadratmetern Fläche präsentieren die Aussteller – darunter Systemlieferanten, Zulieferer, Start-ups und Netzwerke – ihre Kompetenzen und Leistungsfähigkeit als innovative Entwicklungspartner. Zudem stehen Fachvorträge und Diskussionsrunden mit Experten aus verschiedenen Industriezweigen auf dem Programm.
Blok Group
Hightech-Komponenten aus dem Drucker präsentiert die Blok Group mit Sitz im niederländischen Velsen-Noord bei Amsterdam. Sie hat gerade den weltweit größten 3-D-Metall-Printer in Betrieb genommen. Eine immense Investition – mit klarer Zielsetzung. „Dank Additive Manufacturing und Rapid Prototyping können neue Produkte schneller die Marktreife erreichen und unsere Kunden haben erhebliche Wettbewerbsvorteile“, sagt Geschäftsführer Martijn Witteveen. Dadurch unterstreicht das Unternehmen auch seine Ambition, als Entwicklungspartner am Beginn der Produktionskette beteiligt zu werden. Eine wichtige Rolle spielt die Zeitersparnis, die das 3-D-Drucken hochwertiger Komponenten ermöglicht – und das in zwei entscheidenden Bereichen: Bereits in der Designphase können kurzfristig Prototypen gedruckt werden und kleine Anpassungen im Design lassen sich auf Knopfdruck umsetzen. Zu wesentlich geringeren Kosten. Zudem verkürzt sich der Fertigungsprozess, da klassische Fügeverfahren wie Schweißen oder Kleben wegfallen. Die neue Maschine ermöglicht Komponenten in den Maßen 800 x 400 x 500 Millimeter – eine Revolution in der Fertigung. Angewendet werden die gedruckten Teile in den anspruchsvollsten Industrien: in der Luft- und Raumfahrt, in der Automobilindustrie, in der Medizintechnik sowie der Öl- und Gasbranche. Deshalb ist der Drucker auch in der Lage, Hochleistungswerkstoffe wie Titan, Hasteloy oder Inconel zu verarbeiten – Standardwerkstoffe für diese Industriezweige.
Brainport Industries
Brainport Industries mit Sitz im niederländischen Eindhoven ist ein Hightech-Netzwerk der Zulieferindustrie – mit knapp 90 angeschlossenen Unternehmen aus den gesamten Niederlanden. „Zusammen repräsentieren wir 9 000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro“, berichtet Geschäftsführer John Blankendaal. Im Rahmen dieser Gemeinschaft haben sich die Zulieferer zu Entwicklungspartnern der großen OEMs entwickelt. „Früher bestand der Prozess in der Zulieferindustrie aus drei Schritten: Anfrage, Angebot, Ausführung. Die Rollen waren klar verteilt: Sie wünschen, wir fertigen. Dieses Modell hatte aber keine Zukunft mehr. Deshalb mussten wir einen deutlichen Mehrwert entwickeln. Unser Ansatz lautete, dass wir uns in der Fertigungskette weiter nach vorne schieben mussten, also schon bei der Produktentwicklung einbezogen werden“, erläutert Blankendaal. „Heute sind wir ein Ansprechpartner auf Augenhöhe. Große Konzerne können durch die Kooperation mit unseren Zulieferern den Umsatz verdoppeln und die Kosten halbieren. Sie sind auf die Zusammenarbeit mit innovativen Partnern angewiesen.“ Die Mitglieder von Brainport Industries stammen aus unterschiedlichen Branchen wie Medizintechnik, Halbleitertechnologie, Photovoltaik, der optischen Industrie oder Messgerätetechnik. So divers die Unternehmen sind, eines müssen alle im gleichen Maße bieten: höchste Qualität.
CLT Metal Service
Schnellere Durchlaufzeiten und weniger Materialverbrauch, neue Konstruktionsmöglichkeiten und null Fehler: Mit dem Konzept „Smart Metal Shaping“ reagiert das Unternehmen CLT Metal Service mit Sitz im niederländischen Horst auf die steigenden Anforderungen der Kunden. Im Mittelpunkt steht eines der modernsten Laserbearbeitungszentren Europas. Wie CLT Metal Service mit dem neuen Konzept seine Kunden aus der Lebensmittelindustrie, der chemischen Industrie und dem Maschinenbau unterstützen kann, zeigt das Unternehmen in Hannover. Die Lösung für immer wichtiger werdende Durchlauf- und Lieferzeit liegt in Automatisierung und Digitalisierung. Die Konstruktion wird am Computer exakt in 3-D vorbereitet und das Produkt mit dem Kunden bis ins letzte Detail abgestimmt. Den Rest erledigt die Anlage automatisch. Bei der Maschine handelt es sich um ein vollautomatisches Bearbeitungszentrum für Rund- und Profilrohre von 14 Metern Länge und einem maximalen Durchmesser von 610 Millimetern bei einer Materialdicke von 20 Millimetern. Die Zeitersparnis, die damit ermöglicht wird, ist erheblich. Ein weiterer Vorteil besteht in neuen Konstruktionsmöglichkeiten. Rohre und Bleche lassen sich miteinander verbinden, Steckverbindungen vorbereiten oder Kerben an exakt vorbestimmten Stellen einfügen. Ein weiterer Pluspunkt ist die 100-prozentige Reproduzierbarkeit. Für die Bühnendekoration des European Song Festivals im Mai 2015 in Wien hat CLT 1 288 unterschiedliche Rohre geschnitten, gekennzeichnet und den Vorgaben entsprechend verpackt – innerhalb weniger Wochen.
Goudsmit Magnetic Supplies
Vom Handelshaus zum Engineering-Partner: Goudsmit Magnetic Supplies mit Sitz im niederländischen Waalre hat sich in den vergangenen Monaten einer Metamorphose unterzogen. „Wir haben zwar schon immer mit unseren Kunden mitgedacht, jetzt aber entwickeln wir auch zusammen neue Produkte und Verfahren“, erläutert der kaufmännische Geschäftsführer Jeff Hagelen die neue Ausrichtung. Modernste Maschinen, ISO-Zertifikate und Hightech-Prüflabore – die Magnetkomponenten und -systeme aus dem Hause Goudsmit erfüllen höchste Qualitätsansprüche. Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete ist die Automobilindustrie. „Wir sitzen mit den Entwicklern deutscher Automobilkonzerne zusammen und erarbeiten gemeinsam die gewünschten Produkte“, berichtet Hagelen. Neben der Automobilindustrie sind Magneten von Goudsmit in fast allen Branchen zu finden, in denen magnetische Kräfte gefordert sind. Die Bandbreite reicht von Notbremsen in Zügen über die Turbinen von Windrädern und medizinische Geräte bis hin zu Maschinen für die Recyclingindustrie. Das Material für die Magneten kauft das Unternehmen in China ein. Dort befinden sich die größten Vorkommen an Seltenen Erden. „Die Magneten werden dann nach unseren Spezifikationen hergestellt“, berichtet Hagelen. Goudsmit Magnetic Supplies verfügt bereits über fast 30 Jahre Erfahrung in China – und kann somit eine konstant hohe Qualität garantieren. Deshalb vertrauen auch Kunden, die mittlerweile selbst in China fertigen, beim Einkauf ihrer Magneten noch immer dem niederländischen Zulieferer. Oder entwickeln mit Goudsmit-Ingenieuren neue Produkte.
Holland Innovative
Ein Kühlsäckchen, das komplett recyclebar ist. Unterschiedliche Materialien, die durch Magnetkraft miteinander verbunden werden. Innovative Armaturen für industrielle Laboratorien – Holland Innovative mit Sitz auf dem „High Tech Campus Eindhoven“ unterstützt Startups und knüpft Verbindungen zu großen OEMs. Das Ergebnis sind neue Produkte, die einen direkten Marktzugang haben. Ein Modell, das auch in Deutschland erfolgreich ist: Siemens, Bosch und MTU sind nur einige Beispiele für deutsche Partnerunternehmen. Auf der HANNOVER MESSE managt Holland Innovative in Halle 4 einen Gemeinschaftsstand innovativer niederländischer Startups – und serviert Kaviar aus dem 3-D-Drucker. „Wir sehen uns als Entwicklungspartner von Unternehmen. Wir helfen ihnen, schneller und mit einem besseren Produkt auf den Markt zu kommen“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Hans Meeske die Firmenphilosophie. Die Grundlagen von Holland Innovative bilden Knowhow und Erfahrung in den Bereichen Produkt- und Prozessentwicklung, Projektmanagement und Zuverlässigkeitsmanagement. Im Tagesgeschäft setzt Meeske auf offene Innovation. „Verbinden, Knowhow teilen und gemeinsam Ergebnisse erreichen. Auf diese Weise unterstützen wir Startups, Mittelständler und Konzerne.“ Außerdem will Holland Innovative die Umsetzung von Industrie 4.0, Smart Industries und nachhaltigen Lösungen vorantreiben. „Wir brauchen echte Game Changers“, sagt Meeske. „Wir müssen uns von alten Denkmustern lösen, nur dann können wir innovativ werden.“
LouwersHanique
Aus massivem Quarzglas werden filigrane Bauteile: Die Marktreife der dafür erforderlichen laserbasierten Technologie ist das Ergebnis einer deutsch-niederländischen Hightech-Kooperation. Der Glasbearbeitungsspezialist LouwersHanique aus dem niederländischen Hapert steuert Werkstoffe, Prozess-Knowhow und Marktzugang bei, das deutsche Startup LightFab aus Aachen hat das Verfahren „Selektives laserinduziertes Ätzen (SLE)“ entwickelt. „Ein typisches Beispiel, wie aus 1 + 1 = 3 wird“, sagt Carel van de Beek, Vertriebsleiter von LouwersHanique. Am Niederlande-Pavillon auf der Industrial Supply zeigt die Kooperation, wie sie durch Early Supplier Involvement ihre Kunden unterstützt. LouwersHanique ist seit rund 60 Jahren in der Glasindustrie tätig. Das Unternehmen hat sich dabei zum Spezialisten für die Bearbeitung von industriell genutzten Gläsern entwickelt. Schwerpunkte bilden die thermische Umformung, das präzise Bearbeiten sowie innovative Verbindungstechniken. Im Laufe der Zeit hat LouwersHanique ausgezeichnete Beziehungen zu renommierten Kunden aufgebaut. „Mittlerweile werden wir schon in der Konzeptphase von vielen Kunden einbezogen, vor allem von großen OEMs“, berichtet Van de Beek. In Kreativteams entwickeln die Mitarbeiter der Kunden und des Zulieferers beispielsweise neue Produkte, verschlanken Verfahren und testen neue Werkstoffe.
Nijdra Group
Was haben Hightech-Kopfhörer mit Geräten zur zerstörungsfreien Materialanalyse zu tun? Ganz einfach: Entscheidende Komponenten stammen von der niederländischen Firma Nijdra mit Sitz in Middenbeemster, nördlich von Amsterdam. „Wir sind Lieferant von Hightech-Baugruppen und unterstützen unsere Kunden inzwischen von der Designphase bis hin zur Montage und vom Funktionstest bis hin zum Supply Chain Management“, erklärt Vertriebsleiter Dennis van Dijk. „Wir sind breit aufgestellt und für viele unterschiedliche Branchen tätig. Der große Vorteil besteht darin, dass wir die Erkenntnisse, die wir in der einen Branche gewinnen, auch in einem anderen Industriezweig anwenden können.“ Die Bandbreite reicht von medizinischen Produkten wie Implantaten oder Röntgenblenden über Komponenten für Mikrofone bis hin zu Spektrometeranalysegeräten. Dabei werden auch Hochleistungswerkstoffe wie Nickelbasislegierungen und Titan verarbeitet. Ein Musterbeispiel für die Kooperation mit Kunden ist die Verbindung von Nijdra und Sennheiser. Das Ergebnis ist einer der besten Kopfhörer und Verstärker der Welt: der Orpheus. „Bei diesem Prestigeprojekt, das unter direkter Leitung der Sennheiser-CEOs Daniel Sennheiser und Dr. Andreas Sennheiser stand, haben wir unsere Expertise auf dem Gebiet hochwertiger Zerspanung zur Reproduzierbarkeit verschiedener mechanischer Teile des Kopfhörers und des Verstärkers eingebracht“, berichtet Van Dijk. Nach mehreren Angebots- und Gesprächsrunden wurde Nijdra schließlich auf der HANNOVER MESSE 2015 zum Produktionspartner für dieses Projekt ausgewählt. Mittlerweile liegen mehrere Bestellungen für die Hightech-Kopfhörer vor.
Vector Fabrics
Industrie 4.0, Internet der Dinge, 3-D-Druck, Big Data, künstliche Intelligenz sind allesamt Entwicklungen, die in kurzer Zeit Unmengen an neuer Software benötigen und somit aber auch Fehlerquellen bergen. Das niederländische Unternehmen Vector Fabrics mit Sitz in Zaltbommel bietet eine innovative Lösung: Tools zur dynamischen Software-Analyse, die Bugs schon während der Entwicklungsphase aufspüren und dadurch das Risiko für kostspielige Rückrufaktionen oder verzögerte Markteinführungen minimieren. Somit können neue Produkte gleichzeitig schneller und sicherer auf den Markt gebracht werden. Am Niederlande-Pavillon auf der HANNOVER MESSE zeigt das Unternehmen, wie die Lösung funktioniert. „Die NASA hat einmal ausgerechnet, dass die Reparatur eines Fehlers im Feld hundert Mal so viel kostet, wie die Behebung eines Bugs in der Entwicklungsphase“, verdeutlicht Dr. Martijn Rutten, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Vector Fabrics. Nicht in Zahlen zu fassen seien daraus folgende Imageschäden. Dennoch sorgen immer wieder Datenlecks, Sicherheitslücken und Rückrufaktionen für Schlagzeilen. Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Rutten: „Die Anforderungen an Softwareprogrammierer sind enorm gestiegen. Bisher gibt es auf der einen Seite Software-Experten und auf der anderen Seite Hardware-Spezialisten. Da inzwischen fast alle Maschinen mit unterschiedlichsten Software-Anwendungen verknüpft sind, wird es immer wichtiger, die Interaktion zwischen Software und Hardware zu verstehen. In diesem Bereich gibt es einen riesigen Informationsbedarf.“ Ein spezielles Problem stellen die so genannten Heisenbugs dar. Fehler, die beim Zusammenspiel zwischen Software und Hardware nur in der Realität auftreten, aber in keiner Simulation festzustellen sind. An dieser Stelle setzt die Lösung von Vector Fabrics an. „Wir haben sieben Jahre lang an einem Analysetool gearbeitet, das solche Fehler schon in der Entwicklungsphase der Software entdeckt.“ Unter dem Namen Pareon Verify ist es gelungen: Mit einem Tool, das große Mengen Programmcode automatisch und dynamisch auf kritische Fehler durchforstet und Fehler aufspürt, die andere Verfahren nicht entdecken.
Fachvorträge ergänzen das Programm
Neben den Messepräsentationen bietet der Gemeinschaftsstand zahlreiche Vorträge, Diskussionsrunden und Netzwerkgelegenheiten. Thematisiert werden unter anderem Smart Industry, Social Innovation, Pitches von Start-up-Unternehmen, die Interaktion der drei Hauptakteure Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, Medizintechnik Holland, Flexible Manufacturing oder die digitale Fabrik. Am Mittwoch, 27. April, laden die Holländer ab 16 Uhr zum Dutch Industrial Supply Pavilion Netzwerk-Empfang.