Ein Gerichtsurteil, das auch auf der anderen Seite des Atlantiks jemanden insgeheim Grund zur Freude sein dürfte: „Drill, baby, drill“, lautet seine Maxime für die ab dem 20. Januar 2025 beginnende zweite Amtszeit als US-Präsident. Und die wird Donald Trump zweifellos nutzen, um die Auflagen für die Ölindustrie zu lockern, ungeachtet der Pariser Klimabeschlüsse zur Reduzierung des CO-2-Ausstoßes. Ein Gerichtsurteil also, das jeden Klimaschützer in den Niederlanden und darüber hinaus frustrieren dürfte. Das Mineral- und Erdgasunternehmen Shell hat in der Berufungsinstanz gegen ein Klimaurteil in den Niederlanden gewonnen und damit eine Klage der Umweltschutzorganisation Milieudefensie abgewiesen. Dem Urteil zufolge muss Shell die Reduzierung seines Ausstoßes um 45 Prozent nicht bis 2030 erreichen. Das berichtet die Nachrichtenplattform nu.nl. Nach Auffassung des Gerichts sei der Prozentsatz nicht ausreichend begründet. Zudem sei unklar, ob dies ein wirksamer Weg zur Bekämpfung des Klimawandels ist.
Die Emissionen der Autofahrer
Das bahnbrechende Urteil ist eine bittere Niederlage für die Klimaschutzbewegung. 2019 hatte Milieudefensie eine Klage gegen Shell eingereicht und verlangt, dass der Ölmulti mehr zur Bekämpfung des Klimawandels unternimmt. Damals war Shell noch zum Teil ein niederländisches Unternehmen, heute ist der Öl- und Erdgaskonzern ausschließlich in britischer Hand. Das Gericht stimmte zu und entschied 2021, dass Shell seine Emissionen innerhalb von sechs Jahren fast halbieren müsse. Dagegen legte Shell Berufung ein. Auch entschied das Gericht mit dem damaligen Urteil, dass Shell bis 2030 45 Prozent weniger Emissionen ausstoßen sollte als 2019. Das Unternehmen sollte dieses Ziel bei den Emissionen auf seinen Bohrinseln und in seinen Raffinerien erreichen. Die Emissionen der Millionen von Autofahrern, die Shell-Benzin tanken, unterlagen nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts einer „gewichtigen Anstrengungsverpflichtung“ zur Einhaltung des Ziels.
Sorgfaltspflicht der Konzerne
Das Berufungsgericht hat nun einen Schlussstrich unter das frühere Urteil in diesem Berufungsverfahren gezogen. Das Gericht stellt außerdem fest, dass Shell eine Sorgfaltspflicht hat. Das bedeutet, dass das Unternehmen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen und anderen internationalen Klimavereinbarungen handeln muss. Das bedeute aber noch nicht, dass ein Gericht Shell zwingen kann, die Emissionen um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren.
Shell: Kohle schädigt das Klima weit mehr
Milieudefensie zufolge zeigt die internationale Klimawissenschaft, dass die globalen Emissionen zwischen 2019 und 2030 um 45 Prozent sinken müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Shell glaubt jedoch, dass es weniger tun muss, weil der Konzern keine Kohle verkauft. Kohle habe eine größere Auswirkung auf das Klima als Öl und Gas. Das Gericht gibt Shell in diesem Punkt Recht. Die Verbraucher und Unternehmen, die Benzin tanken und Gas kaufen, spiegeln nach Auffassung der Richter die globale Produktpalette und das globale Kundenangebot nicht gut wider. Daher könne ein solcher globaler Prozentsatz nicht an einem einzelnen Unternehmen festgemacht werden.
Umweltverschmutzer nicht unantastbar
In einer Reihe von Punkten sieht das Gericht Milieudefensie allerdings im Recht. Von den Unternehmen könne erwartet werden, dass sie ihren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Dabei sollten die Unternehmen auf die Klimawissenschaft hören. Shell hat eine „menschenrechtliche Verpflichtung, seine CO2-Emissionen zu begrenzen und damit den gefährlichen Klimawandel zu bekämpfen“, urteilte das Gericht. Das Urteil ist nach Meinung von Milieudefensie schmerzhaft. Dennoch sei der Prozess nicht umsonst gewesen, habe er doch gezeigt, dass große Umweltverschmutzer nicht unantastbar sind. Auch habe das Verfahren die Debatte über die Verantwortung der Konzerne bei der Bekämpfung des Klimawandels weiter angeheizt.