Niederländische Unternehmen erwarten mehr Zahlungsverzögerungen und kürzere Zahlungsverzugsdauern. Dies ist ein Ergebnis der Studie über das Zahlungsverhalten von Unternehmen in den Niederlanden. Der Kreditversicherer Coface hat diese im ersten Halbjahr des Jahres 2020 durchgeführt. In vier Teilen stellt AHA24x7.com die Ergebnisse zu den Themen Zahlungsfristen, Zahlungsverzögerung sowie die wirtschaftlichen Aussichten vor und gibt Einblicke in den Hintergrund der Studienteilnehmer.
Zwei Studien: vor und während Corona
Der Kreditversicherer Coface hat im ersten Halbjahr 2020 zwei Umfragen über die Zahlungserfahrungen von Unternehmen in den Niederlanden durchgeführt. Die erste Umfrage fand vor dem Ausbruch der Coronakrise zwischen Februar und Anfang März 2020 statt. Im ersten Quartal nahmen 301 niederländische Unternehmen teil.
Am Ende des Erhebungszeitraums traf jedoch Covid-19 die Welt und veränderte die wirtschaftlichen Aussichten drastisch. Um dieser Veränderung nachzugehen, führte Coface zwischen Anfang Mai und Ende Juni eine weitere Umfrage in den Niederlanden durch. An dieser zweiten Umfrage im zweiten Quartal nahmen 114 niederländische Unternehmen teil.
Anhand der zweiten Studie erkenne man, wie sich die Zahlungserfahrungen der niederländischen Unternehmen verändert haben. „Die Ergebnisse unterscheiden sich innerhalb dieser wenigen Monate beträchtlich“, sagt Coface-Chefvolkswirtin Christiane von Berg. Ein möglicher Grund für diese Veränderungen könnte der Ausbruch von Covid-19 sein.
Veränderte Unternehmensprofile
Ein großer Unterschied zwischen den beiden Studien sei die Teilnehmerzahl. An der ersten Studie zwischen Februar und Anfang März 2020 nahmen 301 niederländische Unternehmen teil, an der zweiten Studie zwischen Anfang Mai und Ende Juni 114. Obwohl der Zeitraum, in dem die Umfrage durchgeführt wurde, bei der zweiten Umfrage länger war, hätten deutlich weniger Firmen teilgenommen. Laut von Berg ist es wichtig, auf die Unterschiede der Teilnehmerzahl und der Profile der Unternehmen hinzuweisen. Denn wenn sich diese zwischen der ersten und zweiten Umfrage verändert haben, könnten die Ergebnisse dadurch beeinflusst worden sein. „Einige Veränderungen mögen auf den unterschiedlichen Teilnehmerkreis zurückzuführen sein, aber andere spiegeln den neuen wirtschaftlichen Status Quo wider“.
Zahlungsverzögerung
Die Anzahl der Unternehmen, die Zahlungsverzögerungen verzeichnen, ist in den Niederlanden gestiegen. Vor der Coronakrise berichteten 71 Prozent der Unternehmen über Zahlungsverzögerungen. Während der Coronakrise stieg der Anteil auf 75 Prozent. Interessant ist auch, dass 85 Prozent der befragten niederländischen Unternehmen von Zahlungsverzögerungen im Jahre 2019 in Deutschland berichteten.
Bei den Zahlungsverzögerungen sind große Unterschiede zwischen den verschiedenen Sektoren festzustellen. Bereits vor der Coronakrise gaben alle befragten Unternehmen aus dem IT-Sektor an, dass es Zahlungsverzögerungen gebe. Damit hat der IT-Sektor die höchste Quote. Auf Platz zwei lag mit 92 Prozent die Transportbranche. Die Plätze drei und vier belegen mit 78 und 76 Prozent der Einzelhandels-Textil-Bekleidungssektor und der Bereich Agar-Lebensmittel-Holz. Im Sektor Papierverpackung wurde mit 56 Prozent die geringste Quote an Zahlungsverzögerungen verzeichnet.
Zahlungsverzugsdauer nimmt ab
Auch wenn die Anzahl der Unternehmen mit Zahlungsverzögerungen während der Coronakrise zugenommen hat, ist im gleichen Zeitraum eine Abnahme der durchschnittlichen Zahlungsverzögerung festzustellen. Vor der Coronakrise lag diese bei den befragten niederländischen Unternehmen bei 65,7 Tagen und während der Krise bei 58,7 Tagen. Damit hat die durchschnittliche Zahlungsverzögerung insgesamt um sieben Tage abgenommen.
Interessant ist die Betrachtung der durchschnittlichen Zahlungsverzögerung auch vor der Frage, ob die niederländischen Unternehmen im heimischen Markt tätig sind oder auf dem Exportmarkt. Bei ersteren blieb die Zahlungsverzögerung um Durchschnitt bei rund 60 Tagen. Bei Letzteren nahm die durchschnittliche Zahlungsverzögerung während der Coronakrise um zwölf Tage ab. Sie liegt nun ebenfalls bei rund 60 Tagen.
Auffällig ist zudem, dass vor der Coronakrise sechs Prozent der Unternehmen Zahlungsverzögerungen von mehr als 150 Tagen verzeichneten. Während der Coronakrise gab dies jedoch kein einziges Unternehmen an. Diese Tatsache könnte jedoch auch durch die geringere Anzahl an teilnehmenden Unternehmen bei der zweiten Umfrage entstanden sein.
Insgesamt sind deutliche Veränderungen bei den Zahlungsverzögerungen festzustellen. Vor der Coronakrise gaben 45 Prozent der niederländischen Unternehmen Zahlungsverzögerungen von bis zu 60 Tagen an. Während der Coronakrise stieg der Anteil auf 57 Prozent.
Zahlungsverzugsdauer per Branche
Nicht nur durch den Markt, auch durch die Branche unterscheiden sich die durchschnittlichen Zahlungsverzögerungen. Dabei ragt der Einzelhandels-Textil-Bekleidungssektor mit 97 Tagen Zahlungsverzögerung heraus. Dies ist die längste Zahlungsverzugsdauer. Im IT-Sektor gab es mit 47 Tagen die kürzeste Zahlungsverzugsdauer.
Interessant ist zudem, dass verschiedene Branchen über Zahlungsverzögerungen von mehr als 150 Tagen berichteten. Dies gaben 14,3 Prozent der befragten Unternehmen aus dem Einzelhandels-Textil-Bekleidungssektor, 10 Prozent in der Pharma-Chemie Branche, 6,5 Prozent in der Metall- und Automobilindustrie, 5,4 Prozent in den Sektoren Agar-Lebensmittel-Holz sowie 4,5 Prozent im Bausektor an.
Forderungslaufzeit
Die Forderungslaufzeit, auch Days Sales Outstanding (DSO) genannt, ergibt sich durch das Zusammenrechnen der Zahlungsfrist und des Zahlungsverzuges. Aus der Forderungslaufzeit geht hervor, dass die befragten niederländischen Unternehmen vor der Coronakrise im Durchschnitt nach der Lieferung 90 Tage auf die Zahlung warteten. Während der Coronakrise betrug die durchschnittliche Forderungslaufzeit 80 Tage. Die Abnahme der Forderungslaufzeit um 10 Tage entsteht durch die Abnahme der Zahlungsfristen und des Zahlungsverzuges.
Bei der durchschnittlichen Forderungslaufzeit sind auch sektorspezifische Unterschiede erkennbar. Die längste Wartezeit vor der Coronakrise wurde mit 112 Tagen in der Pharma-Chemie-Branche verzeichnet. Mit 84 Tagen wurde die kürzeste Wartezeit in der Transportbranche festgestellt.
Interessant ist die Betrachtung der durchschnittlichen Forderungslaufzeit auch vor der Frage, ob die niederländischen Unternehmen im heimischen Markt tätig sind oder auf dem Exportmarkt. Die durchschnittliche Abnahme der Forderungslaufzeit entsteht aufgrund der starken Abnahme dieser bei den exportierenden Unternehmen. Diese hatten vor der Coronakrise im Durchschnitt 104 Tage auf ihr Geld gewartet. Während der Coronakrise sank die Forderungslaufzeit jedoch auf 82 Tage. Dies entspricht einer Abnahme von 22 Tagen. Dass die durchschnittliche Forderungslaufzeit aller befragten niederländischen Unternehmen lediglich um 10 statt um 22 Tage sank, liegt an der Zunahme der Forderungslaufzeit bei den Unternehmen, die auf dem heimischen Markt aktiv sind. Während diese vor der Coronakrise durchschnittlich 67 Tage auf die Begleichung der Rechnung warteten, stieg die Anzahl der Tage während der Coronakrise auf 72 Tage. Dies entspricht einer Zunahme von fünf Tagen.
Gründe für die Zahlungsverzögerung
Die meisten Zahlungsverzögerungen hängen mit finanziellen Schwierigkeiten zusammen. Dies gaben sowohl vor als auch während der Coronakrise rund 42 Prozent der befragten niederländischen Unternehmen an. Ein weiterer Grund ist das Coronavirus. Bereits während der ersten Umfrage von Februar und Anfang März gaben dies 5,3 Prozent der Unternehmen an. In der zweiten Umfrage zwischen Anfang Mai und Ende Juni gaben 23,3 Prozent das Coronavirus als Grund an. Damit ist das Coronavirus in der zweiten Umfrage der am häufigsten genannten Grund.
Erwartungen überfällige Zahlungen
Die Erwartungen bezüglich der überfälligen Zahlungen haben sich zwischen der ersten und der zweiten Umfrage stark geändert. Vor der Coronakrise gab die Hälfte der befragten niederländischen Unternehmen an, keine großen Veränderungen im Vergleich zu den vorherigen Jahren zu erwarten. Während der Coronakrise sank der Anteil der Unternehmen, die keine Veränderungen erwarten, auf 43 Prozent. Ein Drittel der befragten Unternehmen erwartet zudem, dass die überfälligen Zahlungen steigen würden.
Laut der Coface-Volkswirtin Christiane von Berg ist der Anteil der Zahlungen, die um mehr als sechs Monate überfällig sind und einen beträchtlichen Teil des Umsatzes ausmachen, in den Niederlanden ein besorgniserregendes Thema. Insgesamt seien sie zwar nach wie vor niedrig, aber die Verteilung am oberen Ende habe sich geändert. „Während im Q1 2020 nur 3,6 Prozent der Teilnehmer antworteten, dass überfällige Zahlungen 5 Prozent oder mehr ihres Umsatzes ausmachten, hat sich die Zahl im Q2 auf 9,6 Prozent fast verdoppelt“, erklärt Christiane von Berg.
Auch die Erwartungen über die Höhe der ausstehenden Zahlungen haben sich drastisch geändert. Vor der Coronakrise erwartete eine Mehrheit von 62 Prozent der befragten niederländischen Unternehmen Stabilität bei der Höhe der überfälligen Zahlungen in den nächsten zwölf Monaten. Von den verbleibenden 38 Prozent erwartete der Großteil eher einen Rückgang als einen Anstieg. Dementsprechend wurde ein Rückgang um 8,9 Balance-Points erwartet. Während der Coronakrise gab jedoch fast die Hälfte der Befragten an, dass sie eine Zunahme an überfälligen Zahlungen erwartet. Diese Veränderung spielgelt sich auch in den neuen Balance-Points wider. Statt einer Abnahme um 8,9 Punkte erwarten die Unternehmen nun einen Zuwachs um 43,8 Punkte.