Ein Blogbeitrag von Ingeborg Lindhoud.
„In den Niederlanden feiert man ja keine Weihnachten“. Alle Jahre wieder werde ich mit dieser Aussage konfrontiert, die mich als weihnachtsliebende Niederländerin anfangs richtig schockiert hat. Jetzt, da meine dreizehnte Weihnachtsfeier in Deutschland vor der Tür steht, sehe ich die Sache etwas gelassener. Wie so oft in der Interkulturalität ist alles letztendlich eine Frage der Perspektive: Aus deutscher Sicht ist Weihnachten nach Heiligabend praktisch vorbei, während sie in den Niederlanden dann gerade erst anfangen.
Ein bisschen Recht haben meine deutschen Bekannten schon… Wären sie früher einmal bei meinen Großeltern väterlicherseits vorbeigefahren, dann hätten sie sicherlich der Eindruck bekommen, dass Weihnachten in den Niederlanden nicht gefeiert wird. Denn bei meinen Großeltern stand kein Weihnachtsbaum im Haus. Und weihnachtliche Dekoration gab es auch nicht. „Weihnachten feiert man mit dem Inneren, nicht mit Äußerlichkeiten“, so meinten meine sehr calvinistischen Großeltern und verzichteten auf Weihnachtsstern, Weihnachtsbaum, Geschenke und Co. Nur das Festessen, das gab es dann doch.
Für mein weihnachtliches Seelenheil wurde bei meinen anderen Großeltern und zuhause gesorgt, wo pünktlich Mitte Dezember der Weihnachtsbaum geschmückt und alles feierlich dekoriert wurde. Sogar Geschenke gab es irgendwann in den Achtzigern, als der Trend aus Amerika herübergeweht kam. Sinterklaas blieb jedoch nach wie vor das große Kinder-Geschenkefest.
Damit liegt mein Elternhaus voll im Trend der niederländischen Gesellschaft. Aus einer Untersuchung der ING-Bank in 13 Ländern aus dem Jahr 2014 geht hervor, dass die Niederländer mit durchschnittlich 25 Euro den 12. Platz bei den Ausgaben für Weihnachtsgeschenke belegen. Mit 200 Euro kam Deutschland, zusammen mit Italien, auf den sechsten Platz. Spitzenreiter mit 440 Euro waren die Briten. Sinterklaas ist da sehr viel geschenkefreudiger, aber er ist hauptsächlich eine niederländische Angelegenheit. Eine weitere Bescherung in Dezember wäre dann doch zu viel des calvinistischen Guten…
Haben die Niederländer im Vergleich zu Deutschland das Geschenkefest also vorverlegt, so haben sie Weihnachten quasi nachverlegt. Denn wo das Weihnachtsfest in den Niederlanden hauptsächlich am 25. und am 26. Dezember gefeiert wird, ist in Deutschland Heiligabend der Inbegriff von Weihnachten. Nach dem antiken Kalender endet der Tag mit dem Sonnenuntergang, weswegen der Abend des 24. Dezember liturgisch bereits zum Weihnachtstag gehört. Daher findet die Bescherung in Deutschland und in manchen Ländern traditionell am Heiligabend statt. In den meisten Ländern jedoch, vor allem den angelsächsischen und auch in den Niederlanden, werden die Geschenke am ersten Weihnachtsfeiertag ausgepackt.
Die „richtige“ Weihnachtsfeier? Die gibt es natürlich nicht. Weihnachten wird in vielen Ländern gefeiert und überall ein bisschen anders. Aber egal wo und wie Sie feiern, mit oder ohne Geschenke, Weihnachtsbaum, Festessen und Weihnachtsdeko – feiern Sie Weihnachten mit dem Herzen!
In dem Sinne wünsche ich Ihnen, lieben Leserinnen und Lesern, ein wunderschönes Weihnachtsfest.
Über die Autorin
Ingeborg Lindhoud lebt in Kleve und führt interkulturelle Trainings und interkulturelle Beratungen durch. Mit ihrer Kommunikationsagentur symphony communication ist sie auf interkulturelle Kommunikation zwischen deutschen und niederländischen Geschäftspartnern spezialisiert.