Bei einer Tagung zum Thema Migration im deutsch-niederländischen Grenzraum trafen sich in Groningen Vertreter der dortigen Rijksuniversität, der Wadden-Akademie und des Frysk Institut in Leeuwarden sowie Experten der Emsländischen, Oldenburgischen und Ostfriesischen Landschaft. Im Mittelpunkt standen Vorträge zum Bevölkerungsaustausch zwischen Nordwestdeutschland und den nördlichen Provinzen der Niederlande, aber auch allgemeine Fragen der Migrationsforschung. Die Ergebnisse stoßen manche bisherige Theorie über den Haufen.
Meindert Schroor und Hidde Feenstra von der Waddenakademie berichteten über die Wanderungsbewegungen zwischen den niederländischen Nordseeinseln, dem Küstenraum und dem Binnenland. Nur selten suchten Einwanderer aus Deutschland auf den sturmgeplagten Inseln ihr Glück, die meisten der dortigen Neuankömmlinge stammten von einer der Nachbarinseln sowie aus dem niederländischen Hinterland.
Richard Paping und Erwin Karel von der Universität Groningen stellten die Ergebnisse ihrer Studien zu den deutschen Einwanderern in Drenthe und Groningen vor. Dafür haben sie die Daten von mehreren hundert Personen ausgewertet. Von einer in der Heimatforschung häufig dargestellten „Völkerwanderung im Bourtanger Moor“ aus den emsländischen Moorkolonien in die holländischen Veengebiete kann demnach keine Rede mehr sein – die meisten Einwanderer stammten dort aus Ostfriesland und der Grafschaft Bentheim.
Auch Frauen wechselten die Seite der Grenze
Und noch eine überraschende Entdeckung machten die niederländischen Forscher: Nach dem Ersten Weltkrieg wanderten plötzlich viele Frauen in die nördlichen Niederlande aus – es waren hauptsächlich deutsche Dienstmädchen, die dort in schwierigen Zeiten offenbar nicht nur guten Verdienst, sondern auch eine gute Partie fanden. Nachdem die Abwanderung in die Niederlande Jahrhunderte lang eine Domäne junger Männer darstellte, ergab sich durch den Mangel an Haushaltshilfen in den Niederlanden nun plötzlich auch für Frauen die Möglichkeit zum „Hollandgang“.
Marcell Berninghoff aus Osnabrück stellte das Institut für Migrationsforschung an der dortigen Universität vor, das historische wie aktuelle Fragen der Migration in den Focus nimmt. Dabei erläuterte er auch neu geobasierte Verfahren zur Darstellung von Migrationsbewegung. Über die Darstellung von Migration in Museen und Ausstellungen berichtete Dr. Andreas Eiynck vom Lingener Emslandmuseum. Neben speziellen Migrationsmuseen verfügen zu diesem Thema auch die meisten kulturhistorischen Museen über Sammlungsstücke, die allerdings, so Eiynck, viel stärker als bisher unter dem Aspekt der Migration betrachtet werden müssten.
Viele Ausstellungen – Magazin in der Mache
Der Auftrag und der Ansatz der meisten Museen seien traditionell durch nationale, regionale oder lokale Blickwinkel geprägt. Die Migration bilde zwar seit dem 16. Jahrhundert einen festen Bestandteil der europäischen Geschichte, dies spiegle sich aber in den Museum und Ausstellungen nur unzureichend wider. Die Möglichkeiten zur Darstellung von Migration erläuterte Eiynck anhand von Auswanderer- und Verkehrsmuseen sowie an aktuellen Beispielen aus dem Emsland und den angrenzenden Niederlanden, etwa der Hollandgängerausstellung in Schepsdorf und der Töddenausstellung in Schapen.
Alle Teilnehmer wünschten sich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit im „Historical Border Network“ der Ems-Dollart-Region, die aus dem INTERREG-Programm unterstützt wird. Die Emsländische Landschaft und das Emslandmuseum erstellen in diesem Zusammenhang ein Magazin zu historischen und aktuellen Aspekten der Migration zwischen der Ems-Vechte-Region und den Niederlanden, das im Frühjahr 2017 erscheinen wird.