Frauen können lernen, schlagfertig zu reagieren auf Zurückweisungen und abwertende Verhaltensweisen, betont die gebürtige Niederländerin und Wahlkölnerin Anouk Ellen Susan, deren Buch „Upgrade Yourself. Souverän und selbstbewusst als Frau im Job“ Mitte Februar im Haufe Verlag erschienen ist. Im Interview mit AHA24x7.com erläutert die gelernte Marketingmanagerin, Moderatorin und Trainerin, wie Frauen sich selbst stärken können – als Grundlage für die eigene Karriere.
AHA24x7.com: Frau Susan, der Titel Ihres Buches, „Upgrade Yourself – Souverän und selbstbewusst als Frau im Job“, kommt programmatisch daher. Sind solche Appelle im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts immer noch notwendig?
Anouk Ellen Susan: Leider, muss ich sagen. Ich hätte das Buch übrigens lieber nicht geschrieben, hätte nicht die Situation dies dringend erforderlich gemacht. Erst vor zwei Monaten ist eine Studie erschienen, der „Gender Gap Index“, erstellt von der „Denkfabrik“ des World Economic Forum, das Vergleiche anstellt über die Stellung von Frauen und Männern in den Bereichen Wirtschaft, Bildung Gesundheit und politische Partizipation. Darin heißt es, dass es noch gut 100 Jahre dauern wird, bis Frauen weltweit gleichgestellt sind. Was die Länder Westeuropas betrifft, könnte das noch 54 Jahre dauern. Nach wie vor ist die Situation so, dass viele Frauen entweder aus mangelndem eigenen Antrieb oder aufgrund externer Einflüsse nicht so selbstbewusst und souverän im Job sind oder darin nicht weiterkommen, obwohl sie das eigentlich gerne wollen, aber nicht wissen wie.
„Natürlich hätte ich meinen Mund aufmachen müssen, und zwar gleich von Anfang an. Es kommt halt darauf an, verbal stärker zu werden. Schlagfertig zu reagieren auf derartige Verhaltensweisen oder abwertende Äußerungen kann man üben. Dafür gibt es Techniken.“
AHA24x7.com: Haben Sie den Eindruck, dass sich Frauen unentwegt selbst in ihren Möglichkeiten „beschneiden“, sich allzu oft zurücknehmen, sich zu wenig zutrauen?
Anouk Ellen Susan: Was wir feststellen können ist, dass Frauen, wenn sie mal abgewiesen werden, zum Beispiel schlechte Noten bekommen, darauf äußerst sensibel reagieren, sich zurückgesetzt fühlen. Das führt dann dazu, dass sie anschließend Herausforderungen meiden, etwa von Jungs dominierte Studiengänge meiden, früher abbrechen, leichtere Studiengänge wählen. Eine Studie der London Business School besagt, dass Frauen, die einmal bei einer Bewerbung abgelehnt wurden, bei einer Beförderung übergangen oder bei einer Ausschreibung nicht bedacht worden sind, sich von diesen Erfahrungen sehr schnell entmutigen lassen. Was sie in der Folge davon abhält, es erneut zu versuchen. Daraus geht ja wohl hervor, dass Frauen oftmals „kleiner“ denken, Furcht vor Ablehnung haben und schneller Versagensängste haben als Männer. Anstatt zu sehen, dass es womöglich nur einer Tagesform geschuldet war. In einem Kapitel meines Buches, „Lack und Leder“ überschrieben, thematisiere ich, wie Frauen in der Auseinandersetzung mit Kollegen Kontur zeigen können. Nein sagen können, Kontra geben, Dinge einfordern, für seine Meinung einstehen – das sind die Eigenschaften, die zu einer selbstsicheren Persönlichkeit gehören und zu einem Ego-Upgrade führen. Streitbar zu sein und Stellung zu beziehen, bringt Frauen jede Menge Respekt ein.
AHA24x7.com: Inwieweit widerspiegelt das Buch selbst gemachte Erfahrungen?
Anouk Ellen Susan: Klar habe ich viele dieser Erfahrungen auch selbst in meinem Berufsleben machen müssen. So war ich, als ich schon 33 Jahre alt war, in Den Haag als Marketingmanagerin tätig und eines Tages zu einem Kongress eingeladen, bei dem ich einen Vortrag halten sollte. Voller Stolz und hochmotiviert komme ich da an und treffe am Eingang auf den Tagungsdirektor. Der begrüßt mich freudig, ohne mich groß nach Namen und Funktion zu erkundigen, und bittet mich, doch bitte schnell mal beim Verteilen der Tagungsunterlagen zu helfen. Da steh ich also mit meinem Bündel Papieren, die Tagungsteilnehmer kommen gerade in den Raum, und ich denke mir, ok, geh‘ erst mal rein, trink einen Kaffee, reg dich nicht auf, du bist ja flexibel. Da kommt der Direktor mit zwei seiner Kollegen erneut auf mich zu, will mich den beiden vorstellen, aber ihm will partout mein Name nicht einfallen. „Darf ich dich vielleicht Coco nennen“, fragt er mich, „so hieß mal eine Geliebte von mir.“
Sprachlos, wie gelähmt, gucke ich den an, die beiden Kollegen lachen, und ich bin so überrollt, dass mir in dem Moment einfach keine schlagfertige Antwort einfallen will. Ich sage mir abermals, reg dich nicht auf, gleich ist dein Vortrag, der ist dir wichtig, das steckst du weg! Dann kommt auf einmal die Organisatorin der Tagung auf mich zu, sagt, es tue ihr fürchterlich leid, aber es sei etwa Unvorhergesehenes dazwischengekommen, mein Vortrag müsse leider aus dem Programm genommen werden, ich käme aber auf jeden Fall im nächsten Jahr dran.
Wieder sag ich nichts, steh einfach nur da, kann es gar nicht glauben, gehe raus, um frische Luft zu schnappen. Vor dem Eingang macht in dem Moment ein Pressefotograf Aufnahmen von einem Manager und ist sichtlich unzufrieden mit dem äußeren Rahmen für sein Porträt. Er sieht mich und sagt zu dem Kongressteilnehmer, „stellen Sie sich doch bitte mal neben die kleine Blonde da, das macht was her.“ So viel zu meiner Tagesform. Natürlich hätte ich meinen Mund aufmachen müssen, und zwar gleich von Anfang an. Es kommt halt darauf an, verbal stärker zu werden. Schlagfertig zu reagieren auf derartige Verhaltensweisen oder abwertende Äußerungen kann man üben. Dafür gibt es Techniken. Wenn man das trainiert, muss man sich bei zwingend gebotenen Reaktionen nicht ausschließlich auf sein Improvisationstalent verlassen.
„In den Niederlanden wird es als völlig normal angesehen, dass eine Frau eine Führungsposition innehat, auch wenn sie nur in Teilzeit arbeitet.“
AHA24x7.com: „Upgrade Yourself“ richtet sich an ein deutschsprachiges Publikum. Nun sind Sie ja beruflich von jeher grenzüberschreitend tätig, früher als Marketingexpertin, heute als Trainerin, Moderatorin und Rednerin. Gibt es in dieser Frage zwischen Deutschland und den Niederlanden Kulturunterschiede?
Anouk Ellen Susan: Ein wichtiges Thema ist in diesem Kontext natürlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und hier sehen wir zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen. In den Niederlanden wird es als völlig normal angesehen, dass eine Frau eine Führungsposition innehat, auch wenn sie nur in Teilzeit arbeitet. Teilzeitarbeit ist in den meisten deutschen Unternehmen eher nicht so gerne gesehen. Das macht es für Frauen, die sich sowohl in der Familie als auch im Beruf engagieren möchten, schwieriger als in den Niederlanden. Ohnehin ist es für Frauen in den Niederlanden in jeder Hinsicht ein Stück einfacher, aber das ist meine subjektive Ansicht. Auch wenn Frauen in den Niederlanden ebenso wenig vor abwertenden Bemerkungen oder Verhaltensweisen seitens der Männerwelt gefeit sind, so machen es die gesellschaftlichen Strukturen in den Niederlanden es den Frauen doch etwas einfacher im Alltag.
AHA24x7: Sollten Frauen lernen zu klüngeln, nicht zu verwechseln mit dem eher wertfreien Begriff netzwerken?
Anouk Ellen Susan: Klüngeln können ist nicht verkehrt, wenn es so praktiziert wird, dass man nicht unbedingt was zurückhaben will für das, was man jemandem zugute hat kommen lassen. Ich halte in Hinblick auf die Situation von Frauen ganz viel von netzwerken, Frauen könnten sich noch viel mehr gegenseitig unterstützen, ihr Netzwerk wesentlich besser nutzen. In der Regel halten sich die meisten Frauen in dieser Frage eher zurück, möchten die Beziehung nicht zum eigenen Vorteil nutzen, versuchen die Beziehung ausgeglichen zu halten, sie sind leider oftmals auch eher bereit zu geben als zu nehmen. Da rate ich eher zu gegenteiligen Strategien, sage: sieh zu, wie du dein Netzwerk so effektiv wie möglich nutzen kannst. So wie die Männer eben.
Was netzwerken anbelangt, können Frauen noch eine Menge von den Männern abgucken. Wir Frauen haben das noch nicht so drauf! Wichtig wäre hierbei auch, dass Männer es als Chance begreifen, Veränderungen herbeizuführen, zusammen zu netzwerken. Männer müssen in dieser Frage unbedingt mitziehen. Und da in Unternehmen in aller Regel Männer nach wie vor an den Hebeln sitzen, Entscheider sind, kann nur Zusammenarbeit Positives bewirken. Ich halte es da gerne mit einem Motto: Alleine bist du schneller, gemeinsam kommst du weiter. Und damit meine ich Männer wie Frauen.
„Ich glaube an das Konzept des „mixed leadership“, bei dem Männer und Frauen sich ergänzen und zusammenarbeiten, um das bestmögliche Ergebnis zu generieren.“
AHA24x7: Sind Männern zugeschriebene „Kompetenzen“, im Job, wenn nötig, auch mal fies zu sein, auszuteilen, um sich durchzusetzen, für Frauen erstrebenswert?
Anouk Ellen Susan: Prinzipiell finde ich nicht, dass Frauen sich solche Eigenschaften aneignen sollten, nur um anerkannt zu werden, dazuzugehören. Im Gegenteil, ich glaube, dass man seine Linie verfolgen sollte, nach dem Motto: Qualität setzt sich durch. Authentizität ist für mich ein ganz wichtiger Faktor. Es macht einen sowieso nicht glücklich, wenn man ständig vorgibt, jemand zu sein, der man nicht ist. Das wäre ja der totale Krampf! Wichtig ist doch, dass man sich auf die Aufgaben konzentriert und nicht auf die Bedingungen drumherum! Heißt aber nicht, dass wenn es Situationen gibt, wo man mal ein bestimmtes „tool“ zur Durchsetzung seiner Interessen einsetzen sollte, dies dann unterlässt. Es sollte aber eine jede so sein, wie sie ist, und wenn es schon weibliche Eigenschaften gibt, dann bitte schön auch einsetzen. Ich glaube an das Konzept des „mixed leadership“, bei dem Männer und Frauen sich ergänzen und zusammenarbeiten, um das bestmögliche Ergebnis zu generieren.
Über Anouk Ellen Susan
Anouk Ellen Susan (44), ist strategische Marketingexpertin, sie hat 20 Jahre lang in einer Führungsposition gearbeitet. Heute arbeitet sie selbstständig als Speakerin, Moderatorin, Trainerin und Consultant. Zu belauschen ist Anouk Ellen Susan darüber hinaus beim deutsch-niederländischen Talk mit Grenzgängern im Podcast „Lekker anders“: www.anoukellensusan.de
„Upgrade Yourself – Souverän und selbstbewusst als Frau im Job“
Haufe 2020, € 24,95