…aber zur Sicherheit zuerst die Bankkonten des niederländischen Schuldners pfänden?
Ein Blog vom niederländischen Rechtsanwalt Wouter Timmermans
Um zu verhindern, dass der Schuldner vor oder während eines Zivilverfahrens sein Vermögen beiseite schafft und dadurch die spätere Vollstreckung eines Gerichtsurteils erschwert oder sogar unmöglich macht, bietet das niederländischen Recht einem Gläubiger die Möglichkeit, eine vorläufige Kontenpfändung durchzuführen, bei der das Bankguthaben des Schuldners „eingefroren“ wird. Das Konto ist dann dem Zugriff des Schuldners entzogen. Häufig führt alleine schon den Druck, der von diesem Mittel ausgeht dazu, dass der Schuldner noch vor Ausgang des Hauptverfahrens die Forderung zahlt oder ausreichende Sicherheiten abgibt. Wie die vorläufige Kontenpfändung genau funktioniert, erklärt der niederländische Rechtsanwalt Wouter Timmermans in diesem Blogbeitrag.
Schnelles Antragsverfahren ohne Anhörung des Schuldners
Das Verfahren zum Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung ist in der Regel ein schnelles und unkompliziertes Verfahren. Der Antrag kann nur über einen Anwalt gestellt werden. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt worden sind, gibt das zuständige Gericht dem vorläufigen Pfändungsbeschluss innerhalb von einigen Tagen, manchmal sogar noch am Tage des Antrags, statt. Der Schuldner wird dabei gar nicht gehört und weißt meistens nicht mal, dass überhaupt ein Antrag gestellt worden ist. Der Gerichtsvollzieher stellt den Pfändungsbeschluss der Bank zu. Der Überraschungseffekt ist oft groß, wenn der Schuldner nachträglich über das Antragsverfahren und die Kontenpfändung vom Gerichtsvollzieher amtlich in Kenntnis gesetzt wird. Nun besteht für den Schuldner keinen Weg mehr, sein Konto schnell noch leer zu räumen.
Nur eine marginale Prüfung
Im Antrag müssen die maximale Höhe (einschließlich kalkulierter Zinsen und Kosten) und Grundlage der Geldforderung ausreichend begründet dargelegt werden. So soll es deutlich sein, ob es sich um einen Anspruch auf Zahlung offenerer Rechnungen, Schadensersatzansprüche oder sonstige Ansprüche handelt. Auch muss im Antrag dargestellt werden, ob bereits ein Zivilverfahren eingeleitet worden ist. Ist dies noch nicht der Fall, dann wird der Richter in der Regel den Pfändungsbeschluss erlassen unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens acht Tagen (in der Praxis meistens vierzehn Tagen) nach der Pfändung ein Zivilverfahren einleitet. Der Richter prüft den Antrag nur marginal. Dies bedeutet, dass er in der Regel von den Mitteilungen des Antragstellers und den von ihm vorgelegten Unterlagen ausgeht.
Bankverbindung des Schuldners unbekannt?
Ist die Bankverbindung des Schuldners unbekannt, besteht in der Regel die Möglichkeit einer Blindpfändung („fishing expedition“). Der Antragsteller kann dann eine vorläufige Drittpfändung bei verschiedenen (größeren) Banken beantragen, ohne vorher zu wissen, ob der Schuldner dort über ein Bankkonto oder andere Guthaben verfügt. Im Falle einer geringen Forderung kann es sein, dass der Richter den Antrag auf Blindpfändung ablehnt oder die Anzahl der Banken begrenzt.
Die vorläufige Pfändung erlischt automatisch
Die vorläufige Pfändung erlischt automatisch, wenn innerhalb der von dem Richter gesetzten Frist kein Zivilverfahren eingeleitet wird. Auch, wenn der Schuldner Konkurs anmeldet, ausreichende Sicherheiten (zum Beispiel in Form einer Bankgarantie) abgibt, oder die Forderung ausgleicht, erlischt die vorläufige Pfändung.
Begrenzte Anfechtungsmöglichkeiten des Schuldners
Der Schuldner hat keine Möglichkeit, eine Berufung gegen den Pfändungsbeschluss einzureichen. Sonstige Möglichkeiten, gegen die Pfändung vorzugehen, sind begrenzt. Der Schuldner könnte mittels eines Eilverfahrens versuchen, die Pfändung vom Richter aufheben zu lassen. Der Richter prüft in dem Fall nur marginal, ob die Forderung fehlerhaft ist, ob die Pfändung unnötig war oder ob ausreichende Sicherheiten abgegeben worden sind. Der Richter ist äußerst zurückhaltend, eine Kontenpfändung aufzuheben. Der Gedanke dahinter ist, dass, falls die Klage des Gläubigers in dem Zivilverfahren völlig oder teilweise abgewiesen wird, damit in der Regel feststeht, dass die vorläufige Pfändung unrechtmäßig war. In dem Fall hat der Schuldner die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Das ist also ein potenzielles Haftungsrisiko des Gläubigers und führt dazu, dass er es sich vorab gut überlegen sollte, ob und was er tatsächliche vorläufig pfänden möchte.
Sicherung des Existenzminimums für den Schuldner
Ist der Schuldner eine natürliche Person, gilt ein Pfändungsfreibetrag. Damit wird ein gewisses Existenzminimum für ihn gesichert. Ein Pfändungsfreibetrag gibt es übrigens auch im Falle einer (vorläufigen) Lohnpfändung.
Was passiert nach der Pfändung?
Nur das Bankguthaben, das zum Zeitpunkt der vorläufigen Pfändung vorhanden ist, ist von der Pfändung betroffen und wird eingefroren. Gelder, die nach der vorläufigen Pfändung auf dem Bankkonto eingehen, unterliegen nicht mehr der Pfändung. Der Schuldner kann also frei darüber verfügen.
Die Bank wird nach der Pfändung innerhalb von zwei Wochen dem Gerichtsvollzieher eine Dritterklärung überreichen. Erst nach Erhalt der Dritterklärung ist klar, ob die Pfändung überhaupt erfolgreich war und wenn ja, welche Gelder eingefroren worden sind.
Sobald der Klage im Zivilverfahren stattgegeben und die vollstreckbare Gerichtsentscheidung dem Schuldner und der Bank zugestellt worden ist, verwandelt sich die vorläufige Kontenpfändung in einer normalen Kontenpfändung. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung zahlt die Bank die Gelder dann an den Gerichtsvollzieher aus.
Über den Autor
Wouter Timmermans berät und vertritt seit vielen Jahren deutsche Unternehmen mit seiner Expertise im niederländischen Recht. Er ist Anwalt der Kanzlei Stellicher advocaten NV in Arnheim (Niederlande) und Vorsitzender des Deutsch-Niederländischen Businessclubs Gelderland.