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Besuch des Botschafters Franz Josef Kremp an der Radboud Universität

Bankenkrise, Eurokrise, Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise – die Herausforderungen unserer Zeit sind groß. So groß, dass sie von einzelnen Staaten in unserer vernetzten Welt kaum noch allein gelöst werden können. Trotzdem wird das „Konzept Nationalstaat“ in diesen Tagen wieder oft bemüht. Großbritannien droht mit dem „Brexit“, die Niederlande stehen zum zweiten Mal seit 2005 vor einem Referendum, dass die Pläne der europäischen Union durchkreuzen könnte und warum eigentlich lädt Angela Merkel hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland ein? Um etwas Licht ins Dunkel dieser komplexen Entwicklungen zu bringen hat der Deutsche Verein Nimwegen den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in den Niederlanden, Franz Josef Kremp zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion eingeladen.

Pünktlich um 16 Uhr wird es ruhig in der Aula der Radboud Universität in Nimwegen als der Botschafter gemeinsam mit Paul Sars, Professor für Deutsche Sprache und Kultur sowie Niederlande-Deutschland-Studien und Thomas Coenraads, Vorsitzender des Studienvereins „Deutscher Verein Nimwegen“, den Raum betritt. Unter dem Titel „Aktuelle Herausforderungen an die EU“ kündigt Kremp an über vier ausgewählte Kernthemen sprechen zu wollen: die Flüchtlingskrise, den „Brexit“, die Stabilität der Eurozone und das niederländische Referendum über das Assoziationsabkommen mit der Ukraine.

Dem ersten Punkt widmet der Botschafter gleich zu Beginn besondere Aufmerksamkeit. Natürlich: In den Nachrichten scheint es kein anderes Thema mehr zu geben, die Flüchtlingskrise hat sich zu einer echten Bewährungsprobe für die EU ausgewachsen. Mit dem Missverständnis, das nicht selten von so manchem Politiker und „besorgten Bürger“ zum Vorwurf an die Kanzlerin erhoben wird, sie habe alle Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen, räumt Kremp leidenschaftlich auf. Sie habe lediglich auf eine untragbare Situation an den Ostgrenzen der Bundesrepublik reagiert. Wichtig sei es schon früher gewesen, denjenigen Schutz zu bieten, die diesen benötigten. Neu sei in diesem Zusammenhang, dass im Zuge dieses Grundsatzes das sogenannte Dublin-Abkommen außer Kraft gesetzt wurde, welches beinhaltet, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Schengen-Land stellen müssen, das sie als erstes betreten haben und das schon vorher immer wieder in der Kritik stand.

Der Deutsche Verein Nimwegen hatte den Botschafter zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion eingeladen. Foto: Radboud Universiteit
Der Deutsche Verein Nimwegen hatte den Botschafter zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion eingeladen. Foto: Radboud Universiteit

Anpassung des EU-Asylrechts als unverzichtbare Maßnahme
Die große Herausforderung vor der die Bundesrepublik Deutschland und die EU nun stehe, sei es, so Kremp, die Flüchtlingsströme zu steuern. Die Lösung für diese komplexe Herausforderung könne nur gefunden werden, wenn gemeinsam mit allen EU-Ländern solidarisch zusammengearbeitet werde. Nationale Egoismen, so Kremp auf eine Nachfrage aus dem Publikum, helfen seiner Meinung nach niemandem weiter. Besonders wichtig sei es darüber hinaus, Fluchtursachen zu bekämpfen und falsche Erwartungen bei den Flüchtlingen zu vermeiden. Ein geordnetes Grenzschutzsystem und eine Anpassung des EU-Asylrechts betrachtet Kremp als unverzichtbare Maßnahme, die im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom ergriffen werden müssten.

Die zweite Herausforderung, die Kremp thematisiert, ist der sogenannte Brexit – ein Ausscheiden Großbritanniens aus der Euro-Zone. Der britische Unmut wird seiner Meinung nach von vier wichtigen Faktoren beeinflusst. Zum einen gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Euro-Staaten. In diesem Zusammenhang spielen auch Souveränitätsfragen nach den Kompetenzen der nationalen Parlamente und Regierungen eine wichtige Rolle. Letztlich, so Kremp, ginge es allen EU-Staaten um eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Dass es Meinungsverschiedenheiten über den Weg dorthin gibt, beweisen Diskussionen um die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vor dem Hintergrund nationaler Sozialleistungssysteme.

Referendum in den Niederlanden
Obgleich die Flüchtlingskrise und der drohende Brexit die Nachrichtenlandschaft derzeit monothematisch zu beherrschen scheinen, ermahnt der Botschafter sein Publikum, nicht zu vergessen, dass die Frage der Stabilität der Eurozone noch immer nicht abschließend geklärt ist. Die Lage in Griechenland habe sich noch nicht entspannt und die Abwertung der Bonität portugiesischer Staatsanleihen einiger namhafter Ratingagenturen sorge weiterhin für Unsicherheit und Probleme.

Last but not least findet am 6. April in den Niederlanden ein nicht bindendes Referendum über das Assoziationsabkommen mit der Ukraine statt. Kremp erläutert für sein Publikum wichtige Rahmenbedingungen wie beispielsweise, dass eine Mindestwahlbeteiligung von 30 Prozent vorliegen müsse, damit sich die niederländische Regierung erneut mit dem Assoziationsabgekommen beschäftige. Bewusst, so Kremp, beließe er seine Ausführungen beim Umriss der Rahmenbedingungen – der Ausgang sei schließlich offen und im Übrigen Sache der Niederländer selbst.

Informeller Empfang des Botschafters mit Studierenden
Dass dem Botschafter auch der Kontakt mit den Studierenden ein persönliches Anliegen war, bewies er im zweiten Teil der Veranstaltung. In Form kleiner Präsentationen stellten einige Studierende ihre Studienprogramme sowie teils eigen initiierte Projekte im deutsch-niederländischen Kontext vor. Anschließend bestand für alle Studierenden die Möglichkeit, mit dem Botschafter persönlich ins Gespräch zu kommen.

Unter Moderation der Masterstudentin Laura Holtland machte Theun Herder den Anfang. Mit dem einleitenden Satz „Eigentlich ist unser Bachelorstudium wie eine Reise nach Deutschland – nur viel öfter!“ machte er deutlich, dass ein essenzieller Teil des Studiums dem interkulturellen Austausch mit dem Nachbarland gewidmet ist. Sei es durch regelmäßige Exkursionen an die Partneruniversität Duisburg-Essen oder sei es durch einen langen Auslandsaufenthalt von mindestens einem Semester an einer deutschsprachigen Universität.

Dass Deutsch zwar ein wichtiges, aber nicht immer beliebtes Schulfach in den Niederlanden ist, wurde während des Vortrags von Chrissy Laurentzen deutlich. Sie bereitet unter anderem einen sogenannten Interreg-Antrag an die Euregio Rhein-Waal für ein Projekt vor, das den interkulturellen Austausch zwischen Deutschland und den Niederlanden auf schulischer Ebene unterstützen soll.