Neulich passierte es sogar einem der geübtesten und versiertesten Debattierer der Niederlande. Am Vorabend der Provinzwahlen Mitte März, mitten in der letzten Fernsehdebatte, wusste der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte auf einmal nicht mehr weiter. Er geriet ins Stocken, verlor den Faden und dann … dann rief er „Caroline“ – und schuf damit einen unvergesslichen Moment in der niederländischen Fernsehgeschichte. Seine politische Assistentin Caroline erlang (ungewollt) auf Anhieb Weltruhm in den Niederlanden. Und Mark Rutte erwarb manche Sympathiepunkte wegen seiner Menschlichkeit und Verletzlichkeit – die seine Partei allerdings die Wahl nicht gewinnen ließen.
War es Mangel an Vorbereitung in einer hektischen Woche, die durch den Anschlag in Utrecht am Tag davor geprägt war? Auf jeden Fall haben die Niederländer Rutte den Hilferuf nach seiner Assistentin nicht übelgenommen. Menschliche Unzulänglichkeit stößt in den Niederlanden durchaus auf Verständnis, vor allem, wenn man es mit Humor nimmt.
Bodenständiger Humor
Humor ist auch das Zauberwort, wenn Sie vor einem niederländischen Publikum eine Präsentation halten. Humor lockert auf – und in einer entspannten Atmosphäre ist es nach niederländischer Ansicht gut Geschäftemachen. Dabei nehmen Niederländer vor allem sich selbst gern aufs Korn. Selbstironie und Understatement sind beliebte Stilmittel, um auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und sich bloß nicht als überheblich darzustellen. Denn das kommt, wie Sie wohl wissen, in den egalitären Niederlanden einer Todsünde gleich.
Womit punkten Sie sonst noch bei Ihren niederländischen Zuhörern? Hier fünf Tipps, wie Sie Ihr Publikum auf der anderen Seite der Grenze für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung gewinnen können.
1. Erzählen Sie eine Geschichte
Beginnen Sie Ihre Präsentation normalerweise mit einer Übersicht Ihres Unternehmens, der Anzahl der Mitarbeiter, Ihrer Dienstleistungen und einer ausführlichen Unternehmensgeschichte? Dann werden Sie nach zehn Minuten entdecken, dass Ihre niederländischen Zuhörer höflich zuhörend eingeschlafen sind… Was in Deutschland funktioniert, kommt in den Niederlanden nicht wirklich gut an.
Fangen Sie Ihre Präsentation stattdessen mit einer netten kleinen Anekdote, einer kurzen humoristischen Geschichte oder einem provozierenden Statement an und verarbeiten Sie einige Eckdaten darin. Damit sprechen Sie, mehr als mit einer „objektiven“ Darstellung von Fakten, die Emotionen Ihres Publikums an und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Ihre „Belohnung“: Ein waches Publikum, das neugierig wartet auf das, was Sie sonst noch zu erzählen haben.
2. Denken Sie in Chancen
Fühlen Sie sich ohne tiefgründige und komplexe Problemanalyse als Voraussetzung für die Lösung, die Sie in Ihrer Präsentation darstellen, unwohl? Niederländer denken weniger in Problemen, sondern mehr in Chancen und Herausforderungen. Kompetent ist derjenige, der sich auf die Suche nach Lösungen macht und sich dabei traut, eingetretene Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren. Eine ganz andere Herangehensweise, die der amerikanischen näher als der deutschen ist.
Obwohl Niederländer den deutschen Ansatz durchaus schätzen, geht der Tiefgang manchen Niederländern dann doch zu weit. Versuchen Sie daher in Ihrer Präsentation den goldenen Mittelweg zu finden. Benutzen Sie eine weniger problemorientierte Sprache, sondern achten Sie auf positiv besetzte Begriffe. Niederländer verstehen durchaus, dass manche Probleme auch echte Probleme sind, über die man sprechen sollte. Allerdings verlangt nicht jedes Problem eine tiefgehende Analyse.
3. Vergessen Sie Theorien und Modelle
Ohne theoretische Begründung läuft bei Ihnen nichts? Klar, auf „Luftschlösser“ kann man kein seriöses Produkt oder keine solide Dienstleistung bauen. Dennoch gibt es in diesem Punkt einen großen Unterschied zwischen der niederländischen und der deutschen Betrachtungsweise: Niederländer denken anwendungsorientiert und legen weniger Wert auf Theorien.
Präsentieren Sie also nur die Theorien, Zahlen, Daten und Fakten, auf die Sie wirklich nicht verzichten können. Wenn Ihre niederländischen Zuhörer mehr Informationen brauchen, werden Sie sich schon melden. Man hat ja einen „holländischen Mund, den man aufmachen kann“ – so hörte ich schon in meiner Jugend. Halten Sie Ihre Daten für alle Fälle bereit, aber gehen Sie in Ihrer Präsentation vor allem auf den Nutzwert Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung ein: Was kann man damit tun? Wozu ist es gut? Und auf welche Weise erleichtert das Produkt bzw. die Dienstleistung das Leben des Anwenders?
4. Verwenden Sie Bildsprache
Hand aufs Herz: Wie textlastig sind Ihre Präsentationen? Viel Text, mindestens 10 Aufzählungszeichen pro Folie und keine Bilder? Damit tun Sie Ihrem niederländischen (und übrigens auch Ihrem deutschen) Publikum keinen Gefallen. Denn was ist der natürliche Reflex Ihrer Zuhörer, sobald eine Folie mit Text erscheint? Genau, sie fangen an zu lesen. Und schwuppdiwupp ist die Aufmerksamkeit für Sie als Redner weg. Wenn Sie wollen, dass die Aufmerksamkeit zu Ihnen zurückkehrt, sollten Sie schon eine tolle Botschaft haben!
Niederländische Folien haben immer häufiger nur eine Überschrift und ein oder mehrere Bilder. Wenn Text, dann nur wenige Aufzählungszeichen. Fällt Ihnen eine so „nackige“ Präsentation schwer? Erstellen Sie dann ein gutes Handout, in dem alle Informationen übersichtlich aufgelistet sind. Kündigen Sie es an (sonst fängt die Mitschreiberei wieder an), aber verteilen Sie es erst im Nachhinein – damit die Aufmerksamkeit während der Präsentation nur Ihnen gehört!
5. Verkaufen Sie!
Tja, war da nicht noch etwas mit einer Vergangenheit als Handelsnation? Genau, im 17. Jahrhundert waren die Niederländer die Weltmeister des Welthandels. Und ganz ehrlich: Sie können es immer noch! Nur, Sie raten es schon: auch hier ist der niederländische Ansatz anders als der deutsche.
Wie sieht die deutsche Art aus? Nach umfassender Information und ausführlicher Argumentation wird eine logische Schlussfolgerung präsentiert. Diese wird jedoch nicht verkauft, sondern steht erst einmal für sich, quasi als weiterführende Information. Es bleibt dem Käufer überlassen, ob er sich von dieser Schlussfolgerung überzeugen lassen will.
Niederländer beziehen diesen Schritt in Ihre Präsentation ein und verkaufen auch die Schlussfolgerung – nicht als weiterführende Information, sondern als Wahlmöglichkeit: kaufen oder nicht kaufen. Mit Mengenrabatt oder zusätzlichem Gadget – Hauptsache verkaufen.
Legen Sie also Ihre Scheuklappen ab und verkaufen Sie bis zum Schluss. „Das Nein hat man, das Ja kann man bekommen“, lautet eine bekannte niederländische Redewendung. Das Schlimmste, das Ihnen passieren kann, ist ein „Nein“. Was nach niederländischer Ansicht einfach zum „Spiel“ gehört und was man am besten auf niederländische Art und Weise hinnehmen kann. Sie raten es schon: Bleiben Sie auch dann einfach locker!
Über die Autorin
Ingeborg Lindhoud lebt in Kleve und führt interkulturelle Trainings und interkulturelle Beratungen durch. Mit ihrer Kommunikationsagentur symphony communication ist sie auf interkulturelle Kommunikation zwischen deutschen und niederländischen Geschäftspartnern spezialisiert.