Cross Border Talent hat Grenzen überschritten

Cross Border Talent hat Grenzen überschritten
Sascha Leuftink und Kerstin Schweighöfer im „Studio“. Foto: CBT

Talentierte Hochschulabsolventen in Deutschland und den Niederlanden für die Grenzregion erhalten. So lautete seit 2016 die Zielsetzung des Interrreg-Programms „Cross Border Talent“ (CBT), einer Kooperation der FH Münster, der Saxion Hogeschool in Enschede, der Hochschule Osnabrück, der Wirtschaftsförderung des Landkreises Grafschaft Bentheim, des Wirtschaftsverbandes Emsland sowie VNO-NCW Midden, das jetzt nach vier Jahren seinen Abschluss fand. Projektziel war es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zu fördern, um so deren Innovationskraft zu stärken. Kleine und mittelständische Unternehmen aus der Grenzregion boten dabei Studierenden die Möglichkeit, über einen Zeitraum von sechs Monaten ihre Abschlussarbeit zu schreiben und deren Ergebnisse in einer Traineephase umzusetzen.

Die Teilnehmer wurden zugeschaltet. Foto: CBT

Die Abschlussveranstaltung am 27. Januar fand exklusiv online statt, im „Studio“ saßen die Moderator*innen Sascha Leuftink, Dozent an der Saxion Hogeschool Enschede und Projektleiter von Cross Border Talent, sowie Kerstin Schweighöfer, Journalistin und ausgewiesene Niederlande-Kennerin. Zugeschaltet waren eine Reihe von CBT-Absolvent*innen, von denen inzwischen einige von „ihren“ Unternehmen in fester Anstellung übernommen wurden und im Rahmen der 90-minütigen online Veranstaltung ihr Zertifikat erhielten. Auch kamen deutsche und niederländische Unternehmer zu Wort, die von ihren Erfahrungen mit den Studierenden und dem CBT-Projekt berichteten.

Zum Auftakt von Kerstin Schweighöfer befragt nach seiner Einschätzung der Relevanz eines Projekts wie CBT für seine Region lobte Rob Welten, Bürgermeister der Gemeinde Haaksbergen und Präsident des Euregio-Rates, den integralen Ansatz des Projekts, die Verbindung zwischen Ausbildung, Arbeitsmarkt und Auslandserfahrung, die für jeden jungen Menschen wie auch (künftige) Arbeitgeber positive Auswirkungen habe. „Kompliment an die Adresse der beteiligten Unternehmen und Hochschulen“, so Welten, der zugleich seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, die bisher teilnehmenden Absolvent*innen und Unternehmen seien „nur die Vorhut“ für möglichst viele Nachfolger gewesen.

Erfolgreiche Vermittlungen

Kerstin Schweighöfer begriff dies als Appell Richtung Brüssel. „Möge dieser Abschluss nicht das Ende eines Projekts, sondern der Auftakt zu weiteren erfolgreichen grenzüberschreitenden Aktivitäten bedeuten“, sagte die gebürtige Deutsche, die seit vielen Jahren in den Niederlanden lebt. CBT-Projektleiter Sascha Leuftink zeigte sich erfreut, auf 60 erfolgreiche Vermittlungen („matches“) verweisen zu können. Einschließlich der Vorgespräche und Wartelisten habe CBT 125 interessierte Unternehmen und 131 Kandidat*innen in der Kartei zu verzeichnen. „Von den 60 CBT-Kandidat*innen haben 13 ein Jobangebot ihres Unternehmens erhalten und arbeiten inzwischen im Betrieb“, erklärte Leuftink.

Wie das Konzept für Hochschulabsolventen und Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden kann, erläuterten in der Folge per Videoschalte eine Reihe von Geschäftsführern niederländischer und deutscher Unternehmen aus der Region sowie CBT-Absolvent*innen, die seit Beendigung ihrer Abschlussarbeit und anschließender Trainee-Zeit heute in ihren jeweiligen Betrieben tätig sind. Marie Büscher etwa, die International Business & Management an der Hochschule Osnabrück studiert hat, ist bei der Paranthion Groep in Deventer als Marketingexpertin für das Dienstleistungsunternehmen tätig. Ihre Aufgabe ist es, das Produkt des Unternehmens (Wissen und Talententwicklung) auf den deutschen Markt zu positionieren. „Bei aller von den Deutschen gemeinhin so geschätzten Lockerheit der Niederländer geht es beim Geschäft mit deutschen Partnern doch zuallererst um Zuverlässigkeit“, weiß Paranthion-CEO Roel Smabers. „Ein native speaker wie Marie, die unsere und die deutsche Unternehmenskultur kennt, macht da ganz klar den Unterschied.“

Unternehmenskultur

Beim Bodensanierer NTP Group Environment in Enschede betrachtet Geschäftsführer Gerard Borggreve die Beschäftigung junger deutscher Mitarbeiter in seinem Unternehmen als exzellente Voraussetzung für den Einstieg in den deutschen Markt. Lukas Scholz hat an der Hochschule Osnabrück den Masterstudiengang Boden, Gewässer, Altlasten absolviert, Willy Zubert hat an der FH Münster Wirtschaftsingenieurwesen Chemietechnik mit dem Schwerpunkt Verfahrenstechnik studiert. Beide haben bei der NTP Group Environment in Enschede ihre Abschlussarbeit geschrieben und bemannen jetzt das Deutschland-Büro des Unternehmens. “Wir haben schon vor einiger Zeit eine GmbH gegründet mit dem Ziel zu expandieren“, so Geschäftsführer Borggreve. „Und weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass im Technikbereich deutsche Hochschulen die besten Ergebnisse, mithin hervorragend ausgebildete Absolventen hervorbringen, habe ich nur zu gerne beim CBT-Projekt mitgemacht.“ Das Wissen und Können hätten die beiden deutschen Mitarbeiter mitgebracht, berichtete Borggreve. „Das notwendige Fingerspitzengefühl haben sie dann im Betrieb entwickelt.“ Lukas Scholz erzählte in der online-Veranstaltung, wie es ihn anfangs überrascht habe, dass er sofort verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen musste, auch Fehler machen durfte. „Die Überantwortung wichtiger Aufgaben nach dem Motto: ‚Finde raus, worin du stark bist‘ hat mich sehr beeindruckt und mich für die niederländische Unternehmenskultur eingenommen“, betonte Scholz.

„Das Beste aus zwei Welten“

Dass trotz kultureller Unterschiede und Vorbehalte wegen der zu erwartenden hierarchischen Grundordnung in einem deutschen Unternehmen die Chemie von Anfang an stimmte, erfreut die Geschäftsführung von Funke Medical in Raesfeld und ihrem Trainee Jeanine Maarse gleichermaßen. Obwohl sie Pandemie bedingt vorwiegend von zu Hause aus zu arbeiten gezwungen ist und daher bedauert, ihre Deutschkenntnisse noch nicht entscheidend voranbringen konnte, schätzt es die Absolventin der Saxion Hogeschool sehr, dass man ihr bei ihren Aufgaben große Freiräume zugesteht. „Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen bei seiner Ambition zu internationalisieren zu unterstützen, und dabei kann ich weitgehend selbst bestimmen, worauf ich meine Aktivitäten fokussiere“, so Jeanine Maarse. Nicht unbedingt typisch deutsch, oder?“

Mit einem Wort des Dankes an die Projektpartner schloss CBT-Projektleiter Sascha Leuftink die virtuelle Abschlussveranstaltung und äußerte sich zuversichtlich, dass das positive Feedback sowohl aus den Reihen der Unternehmen als auch der Absolvent*innen ein Signal nach Brüssel senden könnte. „Wie es scheint, haben wir mit Cross Border Talent das Beste aus zwei Welten zusammengeführt“, so Leuftink. Das sei das beste Indiz dafür, dass eine solche Förderung sich lohnt.

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