Deutsch-Niederländischer Workshop entwickelt Blaupause

Deutsch-Niederländischer Workshop entwickelt Blaupause
Foto: Sanitätsdienst der Bundeswehr

Fast 40 Spezialisten trafen sich in der Theodor-Blank-Kaserne in Rheine, um etwas Neues und Innovatives zu entwickeln. Der offizielle Titel der Veranstaltung lautete „Workshop Aesclepius 2022“ und hatte die länderübergreifende Kooperation der deutschen und niederländischen militärischen Sanitätsdienste zum Ziel.

Die binationale NLD-DEU Medical Steering Group unter der Leitung von Generalarzt Dr. Johannes Backus hatte die Liegenschaft des Sanitätsregiments 4 als Durchführungsort ausgewählt. Das ehrgeizige Ziel der Teilnehmenden beider Nationen war und ist die Integration eines Konzepts für die gemeinsame medizinische Versorgung im Bewusstsein der Landes- und Bündnisverteidigung.

Länderübergreifende Zusammenarbeit

Die aktuell angespannte Lage durch die Russische Aggression in der Ukraine macht es notwendig, dass Deutschland und die Bündnispartner der NATO sich an die neuen Gegebenheiten und Gefahren anpassen müssen. Dadurch werde eine gemeinsame und länderübergreifende Zusammenarbeit immer wichtiger, damit alle notwendigen Fähigkeiten des Militärs zur Verfügung stünden, um eine flexible und leistungsfähige Verteidigung zu gewährleisten.

„Mehr denn je ist es auch die Aufgabe unserer Sanitätsdienste, auf die verschiedenen Szenarien der Bedrohung vorbereitet zu sein, denen wir auf allen Ebenen der Zusammenarbeit ausgesetzt sind“. Als ein „weg vom Bauchgefühl und hin zur Lagefeststellung“, beschrieb Generalarzt Dr. Backus die Richtung, die der Workshop einschlagen sollte. Die beiden Sanitätsdienste hätten seit 2004 eine intensive kameradschaftliche Arbeitsbeziehung auf Augenhöhe. Diese habe ihre Basis in einem gemeinschaftlichen Werteverständnis medizinischer Versorgungsleistung. Zudem seien Qualitäts- und Versorgungsstandards sehr vergleichbar. Das gemeinsame Sprachgefüge in räumlicher Nähe sei ebenso förderlich.

Grenzenlose Kommandos

Deutschland und die Niederlande fördern seit langem verschiedene bilaterale Vorhaben, die sich auf die Integration von Einheiten und den Austausch von Fähigkeiten konzentrieren. Eines davon ist das Projekt TAURUS, das 2015 ins Leben gerufen wurde. Das deutsche Panzerbataillon 414 aus Bergen-Lohheide in Niedersachsen wurde der 43. Niederländischen Mechanisierten Brigade zugeschrieben. Gleichzeitig wurde die 43. Niederländische Mechanisierte Brigade dem Kommando der 1. gepanzerten Division in Oldenburg unterstellt. Bislang laufen zwei unterschiedliche nationale Systeme bei der Patientenversorgung der internationalen Kampfverbände. Absicht des dreitägigen Workshops war es, dies zu ändern und die Basis für eine gemeinsame und qualitativ identische Versorgung aller Soldaten der internationalen Verbände zu gewährleisten.

„Beide Nationen haben im Grunde genommen beinahe dieselben Resultate in der Medizinischen Versorgung. Der Weg dahin erscheint jedoch häufig unterschiedlich“, fasst Surgeon Captain Donald Verschoor (Defence Healthcare Organisation) den bisher üblichen Ablauf zusammen. „Daher gilt es herauszufinden, was die genauen Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind.“ Manchmal ergeben sich Unterschiede durch eine unterschiedliche Interpretation einer eher allgemein formulierten NATO-Definition. Eine Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten, Abläufe und Herangehensweisen an bestimmte Situationen könnte die Lösung für verschiedene Probleme sein. Dabei könnten nationale Besonderheiten grundsätzlich erhalten bleiben. Die medizinischen Planer müssten lediglich wissen, welche Unterschiede es gibt, damit sie die verschiedenen Fähigkeiten richtig einsetzen können.

Workshop mit Zukunft

„Der Workshop sieht nach einem guten Start zu einem vielversprechenden Ergebnis aus, der dem Projekt TAURUS einen Schub nach vorne geben wird“, schätzte Colonel Loek Frusch (Ministry of Defense of the Netherlands Royal Army) die weitere Entwicklung ein. Nach Jahren der Zusammenarbeit in der 1. Panzerdivision im Bereich der kämpfenden Truppe sei es an der Zeit, auch den Ausbau einer gemeinsam betriebenen, medizinischen Rettungskette mit konkreten Vorschlägen voranzutreiben. Schließlich sei das Vertrauen der Soldaten in eine gute medizinische Versorgung der Garant für eine ebenfalls gute Moral.

„Wir haben die richtigen Leute, mit der notwendigen Einstellung und der erforderlichen Bereitschaft für einen Wandel hier im Workshop“, bestätigte Oberstarzt Dr. Stefan Göbbels. Jeder Teilnehmer habe die Möglichkeit gehabt, sich aktiv einzubringen und die binationale Zusammenarbeit zu stärken. Langfristig könne sich daraus sogar eine multinationale Entwicklung ergeben. Dabei könnte es möglich sein, aus dem Pragmatismus der aktuellen Situation und einer Vision eine zuverlässige Organisation aufzubauen. Doch eines sei auch jetzt schon sicher: Weitere Workshops und eine weitreichende und detaillierte Ausplanung seien für die anschließende Entwicklung erforderlich.

Die ersten Ergebnisse standen am Ende des dritten Tages bereits fest und wurden durch die Teilnehmenden aus den fünf funktionalen Arbeitsgruppen in eine Fähigkeitsmatrix aufgenommen. Diese enthalte nunmehr die Anforderungen an ein zukünftiges binationales (DEU-NLD) integriertes medizinisches Unterstützungssystem, das in der Lage sei, die 1. Panzerdivision im Kontext einer Bündnisverteidigung sanitätsdienstlich zu unterstützen. Als nächster Schritt zur Konsolidierung weiterer Erkenntnisse ist für den September 2022 ein Folgetermin vereinbart. Hierbei sollen die erforderlichen gemeinsamen Grundlagen sowie die erforderlichen Fähigkeiten und deren Kapazitäten abgestimmt werden.

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