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Eine „einzigartige grenzüberschreitende Medizinerausbildung“

„Mit der European Medical School Oldenburg-Groningen wird eine grenzüberschreitende Medizinerausbildung angeboten, die in dieser Art deutschland- und europaweit einzigartig ist.“ Mit diesen Worten würdigte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil die Universitätsmedizin Oldenburg in seiner Festrede anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum.

Vor rund 600 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheitswesen und Wissenschaft erklärte er: „Die Universitätsmedizin Oldenburg hat mit dem Modellstudiengang Humanmedizin ein beeindruckendes Studienangebot etabliert, mit dem bereits viele Aspekte des Masterplans Medizinstudium 2020 aufgegriffen werden. Die angehenden Ärztinnen und Ärzte beschäftigen sich nicht nur mit hochspezialisierten Fällen, sondern auch mit ganz alltäglichen Erkrankungen – davon profitieren medizinische Nachwuchskräfte und Gesellschaft gleichermaßen, denn in den kommenden Jahren werden wir vor allem auch Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner benötigen, um eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen.“

Deutsch-niederländisches Gemeinschaftsprojekt

Der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern, hatte im November 2010 den Weg geebnet für die Gründung eines neuen medizinischen Standorts an der Universität Oldenburg – und damit auch für das deutsch-niederländische Gemeinschaftsprojekt „European Medical School Oldenburg-Groningen“. Im Wintersemester 2012/13 nahmen die ersten 40 Studierenden ihr humanmedizinisches Studium an der Universität Oldenburg auf. Dies war die Geburtsstunde der Universitätsmedizin Oldenburg. Sie wird von der Universität, dem Evangelischen Krankenhaus Oldenburg, der Karl-Jaspers-Klinik, dem Klinikum Oldenburg und dem Pius-Hospital Oldenburg getragen.

Im Rahmen des Festakts betonte Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler, dass die niedersächsischen Standorte der Universitätsmedizin einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in Niedersachsen, aber auch bundesweit leisteten. „Wir haben allein in dieser Legislaturperiode mehr als 190 Vollstudienplätze geschaffen, das entspricht einer Steigerung von mehr als 30 Prozent. Mit dem Anstieg von 40 auf 120 Plätze allein in Oldenburg ist es in kürzester Zeit gelungen, einen innovativen und starken dritten Ausbildungsstandort im Land zu etablieren“, so der Minister weiter. Mit dem Ankauf des Grundstücks im Technologiepark Oldenburg sei erst kürzlich der Grundstein für den weiteren Ausbau gelegt worden. Dadurch werde die Realisierung des Forschungs- und Bürogebäudes inklusive der Anatomie-Lehrflächen möglich.

Neue Perspektive für eine ganze Region

Die Arbeiten für den rund 4.000 Quadratmeter umfassenden ersten Bauabschnitt des Universitätmedizin-Gebäudes am Pophankenweg beginnen 2024. Bereits im kommenden Wintersemester realisiert die Universität den Anstieg von derzeit 80 auf 120 Plätze im ersten Studienjahr. An der Fakultät forschen und lehren aktuell insgesamt 58 Professoren, von denen 25 zugleich auch in den Universitätskliniken der Kooperationskrankenhäuser tätig sind. Zahlreiche weitere Dozenten und medizinisches Fachpersonal sowohl in der Universität als auch in den Krankenhäusern und rund 180 Lehrpraxen unterstützen die Ausbildung der angehenden Ärzte. Vor drei Jahren war die Zahl der Studienanfänger von 40 auf 80 verdoppelt worden. Bislang haben 111 Ärzte erfolgreich ihre Ausbildung in Oldenburg abgeschlossen.

„Die Gründung unserer Medizinischen Fakultät vor zehn Jahren eröffnete einer ganzen Region eine völlig neue Perspektive. Heute ist die Universitätsmedizin Oldenburg der erhoffte Garant für die medizinische Versorgung im Nordwesten und darüber hinaus“, sagte Universitätspräsident Prof. Dr. Ralph Bruder. Es sei einmalig, was die Universität seitdem gemeinsam mit der Universität Groningen und den Partnern vor Ort in Forschung, Lehre und Gesundheitsversorgung geleistet habe. Ohne die zahlreichen Unterstützer aus Stadt und Region wäre dies nie möglich gewesen, ergänzte Bruder. „Oldenburg hat sich in kurzer Zeit fest als dritter universitätsmedizinischer Standort in Niedersachsen etabliert. Gemeinsam werden wir ihn weiter stärken.“

Medizinerausbildung mit besonderem Praxisbezug

Der Oldenburger Modellstudiengang „European Medical School Oldenburg-Groningen“ zeichnet sich durch einen Praxisbezug aus: Bereits ab dem ersten Semester lernen Studierende Untersuchungsmethoden kennen, kommen mit echten Patienten sowie speziell geschulten Simulationspatienten in Kontakt und hospitieren regelmäßig in Praxen und auf Stationen. Alleinstellungsmerkmal der Oldenburger Medizinerausbildung ist zudem die Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen (RUG) und dem Universitätsklinikum Groningen (UMCG). Sie ermöglicht Studierenden zum Beispiel, neben einem Staatsexamen auch einen Bachelor- oder Masterabschluss zu erwerben.

Ebenfalls persönlich überbrachte RUG-Präsident Prof. Dr. Jouke de Vries seine Glückwünsche zum zehnjährigen Bestehen der Universitätsmedizin Oldenburg: „Wir blicken mit Stolz auf ein Jahrzehnt zurück, in dem die Zusammenarbeit unserer Universitäten immer enger geworden ist. Beide Universitäten sind einerseits wichtige Akteure für Forschung und Lehre in ihren jeweiligen Regionen, andererseits stehen sie aber auch dafür, modernste Erkenntnisse in praktische Lösungen umzusetzen, die das Wohl der Menschen auf beiden Seiten der Grenze verbessern. Wir freuen uns darauf, unsere Zusammenarbeit zu vertiefen – für die Forschung und Lehre, aber vor allem für unsere Bürgerinnen und Bürger.“

Zahl der Studienplätze soll wachsen

Für die Patienten der Region hat sich die Versorgungssituation seit Gründung der Oldenburger Universitätsmedizin merklich verbessert. In den vier Kooperationskrankenhäusern haben sie heute Zugang zu 27 Universitätskliniken, in denen jährlich mehr als 50.000 stationäre und über 130.000 ambulante Fälle behandelt werden. „Die Universitätsmedizin hat unsere Kliniken nachhaltig verändert und die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten für die Region in eine neue Dimension geführt. Wir danken ausdrücklich den Trägern unserer Krankenhäuser, dass sie diese Entwicklung von Anfang an finanziell getragen haben und trotz schwieriger Rahmenbedingungen immer noch tragen“, sagte Rainer Schoppik, Vorstandsvorsitzender des Klinikums Oldenburg, im Namen der Kooperationskrankenhäuser.

Der Dekan der Fakultät Medizin und Gesundheitswissenschaften, Prof. Dr. Hans Gerd Nothwang, appellierte an die Politik, zeitnah zusätzliche Medizin-Studienplätze in Oldenburg zu schaffen: „Niedersachsen braucht weitere gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte, sonst droht eine Unterversorgung. Deshalb muss die Zahl der Studienplätze in Oldenburg in der nächsten Legislaturperiode auf 200 pro Jahr erhöht werden.“ Damit gehe einher, dass Universität und Kooperationskrankenhäuser für ihre Leistungen im Rahmen der Universitätsmedizin auskömmlich finanziert werden. „Wir benötigen außerdem dringend ein eigenes Lehrgebäude“, so Nothwang weiter.

Prägende Merkmale der Oldenburger Medizinforschung

Dass die Universitätsmedizin Oldenburg rasch zu einer festen Größe wurde, ist auch der universitätsmedizinischen Forschung am Standort zu verdanken. Besonders prägend sind die Hörforschung und Neurosensorik sowie die Versorgungsforschung.

Die bereits seit fast drei Jahrzehnten in Oldenburg etablierte und international sichtbare Hörforschung sei ein profilbildendes Merkmal der hiesigen Medizinforschung, attestierte der Wissenschaftsrat im Jahr 2019. Ziel sei es, die Kommunikationssituation von Menschen mit Höreinschränkungen durch eine verbesserte individualisierte Hördiagnostik und Versorgung mit persönlichen Hörhilfen zu optimieren. Daran arbeiten die Oldenburger Forschenden und ihre Verbundpartner mit großem Erfolg: Der Exzellenzcluster „Hearing4all“ feiert in diesem Jahr bereits sein zehnjähriges Bestehen, außerdem erhielt der Sonderforschungsbereich Hörakustik gerade eine Anschlussförderung. In der Neurosensorik untersuchen Forschende aus Medizin, Naturwissenschaften, Ingenieurs- und Informationswissenschaften, Psychologie, Versorgungsforschung sowie aus den Sprachwissenschaften, wie das menschliche Gehirn die von den Sinnesorganen wahrgenommenen Reize in ein inneres Bild verwandelt. Mehr als 30 Arbeitsgruppen forschen interdisziplinär zu diesen Fragen.

Die Mobilität älterer Menschen testen, Daten von Krebserkrankten auswerten oder Roboter für die Altenpflege entwickeln: So unterschiedlich die Themen sind, mit denen sich die Oldenburger Versorgungsforscher beschäftigen, so nehmen sie alle den medizinischen Alltag in den Blick und forschen für ein zukunftsfähiges und leistungsstarkes Gesundheitssystem. Unter dem Dach des „Cross-Border Institute of Healthcare Systems and Prevention“ – einer gemeinsamen Einrichtung der Standorte Oldenburg und Groningen – analysieren die Experten vergleichend das niederländische und deutsche Gesundheitssystem, um wichtige Erkenntnisse zur Optimierung zu erlangen.