In diesem Jahr feiert die deutsch-niederländische Kommunikationsagentur mediamixx ihr 30-jähriges Bestehen. Wie hat sich das Verhältnis der beiden Nachbarländer seit der Unternehmensgründung 1994 verändert? Was sind nach wie vor die größten Kulturunterschiede? Welche Highlights bot die Unternehmensgeschichte? Im Gespräch mit AHA24x7.com blickt Agenturgründer Frank Wöbbeking zurück und voraus.
AHA24x7.com: Wie ist es zur Gründung einer deutsch-niederländischen Agentur gekommen?
Frank Wöbbeking: Während meiner Ausbildung zum Tageszeitungsredakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung habe ich im Spanienurlaub eine Niederländerin kennengelernt. Zweieinhalb Jahre später bin ich nach Nijmegen gezogen, habe Niederländisch gelernt und das Alltagsleben in dem Land erlebt. Als ich mich 1994 selbstständig gemacht habe, war klar, dass der Niederlandebezug mein Alleinstellungsmerkmal war. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
AHA24x7.com: Was gehört zu deinen Highlights in 30 Jahren mediamixx?
Frank Wöbbeking: Grundsätzlich das Brückenbauen zwischen Menschen und den Ländern, egal ob es um einen kleinen Campingplatz geht oder um große Unternehmen wie Efteling, Wintershall, Dermasence, Wagner-Pizza, WD40, die Messe Düsseldorf … Wir haben etlichen Journalisten und Influencern (und deren Kindern!) das jeweils andere Land nähergebracht. Ein Highlight war sicherlich die Zeit als einer der Chefs vom Dienst in der Pressestelle der Expo 2000 in Hannover. Da war ich unter anderem für die Betreuung niederländischer Journalisten zuständig. Dabei bin ich einmal sogar in den NOS-20-Uhr-Nachrichten am Samstagabend zu sehen gewesen.
AHA24x7.com: mediamixx hat sich vom 1-Personen-Start-up zum 15-köpfigen Team entwickelt. Was müssen die Mitarbeitenden mitbringen?
Frank Wöbbeking: Die Begeisterung für das jeweils andere Land und das Interesse an den Kulturunterschieden. Auf dieser Grundlage haben wir ein tolles binationales Team, das Kunden in beide Richtungen beraten kann. Wir müssen selbst immer offen bleiben und neue Entwicklungen im Blick halten, das gilt vor allem für neue Medienkanäle im Onlinebereich. Wir dürfen uns nie auf dem Erreichten ausruhen.
AHA24x7.com: Du berichtest oft in Vorträgen über die Kulturunterschiede. Was gefällt Dir an der niederländischen Mentalität am besten?
Frank Wöbbeking: Die Offenheit. Niederländische UnternehmerInnen sind offen für Innovationen und andere Meinungen. Außerdem sind sie Weltmeister im Netzwerken und machen dabei anderen problemlos ihre Kontakte zugänglich. Man trifft sich einfach „op de koffie“, um zu schauen, ob man gemeinsam aktiv werden kann – ohne feste Agenda. Im Laufe von Projekten bleiben Niederländer flexibel, halten ständig Ausschau nach neuen und besseren Möglichkeiten. Im beruflichen Alltag sehen sie eher Chancen, während wir Deutschen erst die Risiken ausschließen wollen. Die niederländische Fehlerkultur ermöglicht es, aus Fehlern zu lernen, während in Deutschland erst einmal der Schuldige gesucht wird, bevor man über eine Lösung nachdenkt. Und wenn es mal Probleme gibt, heißt es meistens „we komen er wel uit“. Man bemüht sich um Lösungen, mit denen alle Beteiligten leben können. Da ist man in Deutschland schneller beim Rechtsanwalt…
AHA24x7.com: Gibt es Dinge, die du kritisch siehst?
Frank Wöbbeking: Da sich niederländische UnternehmerInnen gerne alle Optionen offenhalten, fehlt es mir manchmal an der nötigen Verbindlichkeit. Auch nach Vertragsabschluss kann man nicht sicher sein, ob der Partner nicht plötzlich doch noch andere Ideen hat. Niederländer verkaufen gerne und meist erfolgreich, finden den Rest – sprich: die Produktion – dann aber eher lästig. Als Erfolgsrezept gilt es für Unternehmer, „eigenwijs“ zu sein. Das kann schon mal in Beratungsresistenz umschlagen.
AHA24x7.com: Wie sieht für dich die ideale Partnerschaft aus?
Frank Wöbbeking: Deutsche Planung und Zuverlässigkeit sowie niederländische Offenheit und Flexibilität bilden ein absolutes Erfolgsduo. Wenn man die richtige Balance in einer Kooperation erreichen kann, steht dem Erfolg nichts im Wege. Wenn man die Mentalitätsunterschiede jedoch nicht berücksichtigt, ärgert man sich nur über den jeweils anderen. Also: Unterschiede akzeptieren und die Chancen nutzen!
AHA24x7.com: Was empfiehlst du Unternehmen oder Organisationen, die im jeweiligen Nachbarland aktiv werden wollen?
Frank Wöbbeking: Grundsätzlich wichtig ist, nicht davon auszugehen, dass alles wie im eigenen Land läuft. Die Mediennutzung ist anders, Produkte werden anders bewertet, die Vertriebswege können unterschiedlich sein. Dafür sind die Kultur- und Mentalitätsunterschiede noch zu groß.
AHA24x7.com: Warum die Einschränkung „noch“?
Frank Wöbbeking: Die Mentalität der Menschen in beiden Ländern gleicht sich langsam an. Die Unterschiede zwischen jungen Deutschen und jungen Niederländern sind kleiner als zwischen jungen und älteren Deutschen. Das bezieht sich unter anderem auf die Einstellung zur Arbeit, die Affinität zu neuen Technologien und die Nutzung von Medien.
AHA24x7.com: Wie hat sich das Verhältnis zwischen den Ländern in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?
Frank Wöbbeking: Ausgezeichnet. Die Niederlande-Korrespondentin Kerstin Schweighöfer hat es mal sehr schön ausgedrückt: Als Deutscher musste man in den neunziger Jahren in den Niederlanden auf Zehenspitzen gehen. Damals war es in den Niederlanden angesagt, Deutschland-kritisch zu sein. Das zeigte sich in der Werbung, in der man sich über bierbäuchige Deutsche in ihren Strandburgen lustig machte, über böse Kommentare über erfolgreiche deutsche Biathleten bis zur Aktion „Ik ben woedend“ eines Radiosenders. Besonders entlud sich die Stimmung aber beim Fußball. Mittlerweile hat sich die Situation komplett gedreht. Wir können zusammen Länderspiele schauen, sind politisch eng verbündet und wirtschaftlich verknüpft. Das gemeinsame Handelsvolumen erreicht von Jahr zu Jahr neue Rekordwerte. Ich hoffe, die Erfolge der rechtsextremen Parteien in beiden Ländern machen diese Entwicklung nicht zunichte.
AHA24x7.com: Was sind deine Befürchtungen?
Frank Wöbbeking: Die Ideen eines Nexit oder Dexit, die von den betreffenden Parteien als Lösung aller Probleme propagiert werden, sind völliger Schwachsinn. Ein Rückzug aus der EU wäre für beide Länder nichts weniger als wirtschaftlicher Selbstmord – und würde uns zurück in die Steinzeit führen. Genau das scheint ja das Ziel dieser Parteien zu sein. Gegen alles Neue, gegen alle Veränderungen. Dabei birgt jede Veränderung große Chancen. Da bin ich ganz niederländisch.
AHA24x7.com: Was ist dein Wunsch für die Zukunft?
Frank Wöbbeking: Dass die beiden Länder in den gegenwärtig unsicheren Zeiten eng zusammenstehen und sich bei den großen Herausforderungen gegenseitig unterstützen.