Jedes Semester beginnen Tausende internationale Studierende ein Studium in den Niederlanden. Dafür gibt es gute Gründe: moderne Studiengänge in englischer Sprache in einem internationalen Umfeld mitten in Europa. Trotzdem sind viele Universitäten mit dem Ansturm überfordert und auch der Wohnungsmarkt explodiert. Längst ist eine Debatte über internationale Studierende entbrannt, die nun auch die Politik zum Handeln bewegt.
Fast 40 Prozent der Studierenden in den Niederlanden kommen aus anderen Ländern an die Hochschulen. Ein Fünftel davon aus Deutschland. Die Niederlande sind bei internationalen Studenten äußert beliebt und auch das Land selbst half in den vergangenen Jahrzehnten kräftig mit, es für ausländische Studierende noch attraktiver zu gestalten. Nun aber dreht sich die Haltung vieler Experten. Sie erklären, dass die Hochschulen unter dem Ansturm ausländischer Studierender leiden. Dabei geht es ihnen um die Qualität der Ausbildung, aber auch um die anspruchsvolle Bürokratie für die Mitarbeiter der Universitäten. Überfüllte Hörsäle, überforderte Dozenten und wichtige Anträge, die aus Zeitgründen nicht fristgerecht bearbeitet werden (können), sind die Folge.
Aber auch außerhalb der Universitäten werden kritische Stimmen lauter. Die Niederlande sind das dicht besiedelteste Land Europas. Der Wohnraum in den beliebten Universitätsstädten ist bereits jetzt knapp und für viele Niederländer unbezahlbar geworden. Außerdem werden große Teile der Kosten für das Bildungssystem durch Steuergelder getragen. In Zeiten, in denen alles teurer wird, beschweren sich Bürger auch noch über die Teilfinanzierung internationaler Studierender.
Zahlreiche Studiengänge in englischer Sprache
An den Universitäten in den Niederlanden sind zahlreiche Studiengänge auf Englisch – auch dieser Fakt wird von vielen Menschen kritisiert. Englisch ist keine Amtssprache in den Niederlanden, trotzdem sind rund ein Drittel der Module an den Hochschulen auf Englisch. Das ist natürlich auch ein Grund, warum viele internationale Studenten in die Niederlande kommen. Daraus resultiert, dass man kein Niederländisch sprechen muss, um dort zu studieren.
Regierung ergreift Maßnahmen
Der Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, Robbert Dijkgraaf, erklärte bereits im April, dass er eine Reihe konkreter Maßnahmen ergreifen wolle, um die Zahl der internationalen Studenten besser zu kontrollieren und zu steuern. Der Minister will die Internationalisierung der Universitäten und Hochschulen zentral lenken. Außerdem fordert er die Einrichtungen auf, die niederländische Sprache zu erhalten und zu stärken. Es soll Möglichkeiten geben, einen Numerus Fixus gezielter einzusetzen, zum Beispiel für (nicht niederländischsprachige) Studiengänge. Trotzdem betont der Minister die Wichtigkeit internationaler Studierenden und den hohen Bedarf an talentierten Menschen.
„Die Niederlande sind keine Insel – im Gegenteil, wir sind eines der am stärksten international vernetzten Länder der Welt. Deshalb ist es gut, dass niederländische Studenten im Ausland und internationale Studenten in den Niederlanden studieren können“, so Dijkgraaf diplomatisch.
Nichts desto trotz ist sich auch der Minister der Probleme mit zu vielen internationalen Studierenden sowie der Debatte im Land bewusst: „Es muss möglich sein, den Zustrom von Studenten zu kontrollieren, wo dies notwendig ist. Unkontrolliert führt er unter anderen zu überfüllten Hörsälen, hoher Arbeitsbelastung, mangelnden Unterkünften und setzt die Zugänglichkeit der Studiengänge unter Druck. Mit einem langfristigen und zielgerichteten Ansatz will ich verhindern, dass die Qualität unserer Hochschulen derart unter Druck gerät, dass sie unsere internationale Spitzenposition untergräbt. (…) Wir brauchen nicht nur ein Gaspedal, sondern auch eine Bremse und vor allem ein Lenkrad.“
Konkret fordert die Regierung die Beibehaltung der niederländischen Sprache in zwei Drittel der Studiengänge. Außerdem sollen die Kapazitäten der Städte im Auge behalten werden und zielgerichtet eingegriffen werden, wenn die Universitäten oder der Wohnungsmarkt überfordert sind.
Kritik an den Plänen der Regierung
Die Pläne des Bildugnsministers stoßen derweil nicht nur auf Zustimmung. Viele Universitäten argumentieren, dass sie sich in den vergangenen Jahrzehnten stark international ausgerichtet haben und dies schwierig umzudrehen sei. Sie profitieren vor allem von der Vielfalt, die sich durch das internationale Umfeld ergibt.
Dabei spielen vor allem die Art des Studiengangs sowie der Standort eine Rolle. In großen und beliebten Universitätsstädten wie Amsterdam, Utrecht oder Leiden mit zahlreichen geisteswissenschaftlichen Studiengängen ergeben sich durch internationale Studenten mehr Probleme als in stark technischen Hochschulen in kleineren Städten, in denen die englische Sprache ein großer Vorteil ist.