Am 15. März 2017 stehen in den Niederlanden die Wahlen an, die Planungen in den niederländischen Ministerien zu möglichen nächsten Reformschritten einer neuen Regierung laufen bereits seit Ende 2015. Befasst hat sich damit unter anderem die hochkarätig besetzte interministerielle Arbeitsgruppe „Nachhaltiges Wachstum“. Bei den für viele deutsche Unternehmen interessanten Themenfeldern Energie, Mobilität und im Wohnungswesen kündigen sich Veränderungen an. Thomas Boom, Politikexperte in der deutsch-niederländischen Public Affairs-Agentur Meines Holla & Partners, beschreibt in seinem Blog vier der möglichen Neuerungen.
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Niederlande könnten selbst Maut einführen
Auch die Niederlande diskutieren die Einführung einer Maut. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Niederlanden und Deutschland über die Einführung der deutschen PKW-Maut könnten sich damit in Kürze erledigen. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den Niederlanden haben auch die Staus und Verzögerungen im Berufsverkehr merklich zugenommen.
Verschiedene Szenarien werden durchgespielt: eine LKW-Maut nach deutschem Vorbild, eine einheitliche PKW Maut aber auch eine voll digitalisierte Bemautung nach Verkehrsaufkommen, Zeit oder abhängig von den gemessenen Umweltbelastungen.
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Hochlauf staatlicher Investitionen in Verkehrsinfrastruktur, eine Chance für deutsche Bauunternehmen?
In Deutschland werden die langfristig und dadurch vertrauensschaffenden niederländischen Planungszeiträume für den Infrastrukturausbau und die transparente Finanzierungssystematik häufig als vorbildhaft angesehen.
In den niederländischen Ministerien beklagt man sich allerdings zusehends über die mangelnde Flexibilität des Systems. Die Mittel für MIRT (Meerjarenprogramma Infrastructuur Ruimte en Transport) sind bis 2028 gebunden. Ein weiter steigendes Verkehrsaufkommen erfordert allerdings ein schnelleres Reaktionsvermögen. Dies kann mittels einer Erhöhung des Haushalts oder über eine konsequentere Ausrichtung am besten Kosten-Nutzen-Faktor erreicht werden. Mit einem Boom beim Straßenbau ergeben sich interessante Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Bauunternehmer.
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Energiewende soll endlich auch in den Niederlanden zum Erfolgsmodell werden
Im Bereich der Energiewende steuern die Niederlande gerade massiv um. Traditionelle Zielstellungen der Energiewende wie beispielsweise die zum Ausbau Erneuerbarer Energie wurden aufgegeben. Einzig verbliebener Orientierungspunkt ist die Reduktion von Treibhausgasen bis 2050.
Durch diese neue Ausrichtung ist eine Entscheidung zur weiteren Zukunft niederländischer Kohlekraftwerken, von der auch deutsche Unternehmen wie RWE/Innogy und E.ON/Uniper betroffen sind, unumgänglich.
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Neue Wohnungsmarktreformen
Zu guter Letzt sind im Bereich des Wohnungsmarktes weitere Reformschritte zu erwarten. Die aktuelle Regierung hatte ihre Arbeit gerade erst aufgenommen als sie im Februar 2013 eine ausführliche Reformagenda zum Wohnungsmarkt präsentierte.
In 2015 wurden die letzten Maßnahmen dieser Agenda implementiert und seither ist es ruhig geworden was weitere Reformmaßnahmen betrifft. Mit der Reform wurde insbesondere beim Erwerb von Wohneigentum eine Zeitenwende eingeleitet. Die Beleihungsgrenze wurde schrittweise von 125% auf 106% in 2012 und 100% in 2018 herabgesetzt und die in den Niederlanden großzügige steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekzinsen wurden reduziert.
Neben der der Niederländischen Bank und der Finanzmarktaufsicht Autoriteit Financiële Markten (AFM) fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) seit Jahren eine weitere Verminderung der Beleihungsgrenze und eine Defiskalisierung des Fördersystems, um dadurch die Krisenanfälligkeit des Wohnungsmarktes zu verringern. Niederländer sind im internationalen Vergleich sehr gute Sparer aber sparen eher bei der privaten Altersvorsorge als für Wohneigentum. Dies wird zusehends als Schieflage und Problem betrachtet. In dem Gesamtgeflecht des Vermögensaufbaus werden sich neue Reformen abspielen, die sich auch auf den Wohnungsmarkt auswirken werden.
Möglicherweise können zukünftig optional Teile der Altersvorsorge zur Vermögensbildung für Wohneigentum eingesetzt werden. Angesichts der Niedrigzinsphase schreiben die niederländischen Beamten in ihrem Bericht zum „nachhaltigen Wachstum“, „wenn jetzt keine weiteren Reformen angestoßen werden, wann dann?“.
Über den Autor
Thomas Boom ist Partner bei Meines Holla & Partners. Meines Holla & Partners ist eine Agentur für Politikberatung und Public Affairs mit Sitz in Den Haag und Berlin. Der Schwerpunkt des Tätigkeitsfeldes von Thomas Boom liegt dabei auf der Beratung deutscher Auftraggeber, die Berührungspunkte mit der niederländischen Politik haben, sowie bei niederländischen Unternehmen, die in Deutschland ihre Interessen vertreten wollen.