In den Niederlanden steht die nächste Parlamentswahl vor der Tür: Am 17. März werden die 150 Abgeordneten der Zweiten Kammer gewählt. Und als wenn die Entscheidung nicht schon kompliziert genug wäre, kommt in diesem Jahr noch ein erschwerender Faktor hinzu: Politische Diskussionen finden, wenn überhaupt, nur noch in den eigenen Kreisen statt. Vier Freunde haben daher die Plattform „Waarom Kies Jij“ (dt.: „Warum wählst du“) eingerichtet, um den Meinungsaustausch mit Leuten außerhalb der eigenen „Blase“ zumindest virtuell in Form eines politischen Speeddatings zu ermöglichen. Darüber berichtet die niederländische Rundfunkanstalt NOS.
Die Niederländer bleiben durch den anhaltenden Lockdown mit dem engsten Familien- und Freundeskreis in ihren vertrauten vier Wänden. Das schränkt nicht nur die Bewegungsfreiheit, sondern auch den eigenen Horizont ein, denn man kommt automatisch seltener mit Personen in Kontakt, die einen anderen politischen Standpunkt vertreten und einem neue Sichtweisen eröffnen könnten. Dem soll die Plattform „Waarom Kies Jij“ entgegenwirken, indem sie Menschen miteinander ins Gespräch bringt, die gegensätzliche Wahlpräferenzen haben.
Coronakonformer Treffpunkt zum Meinungsaustausch
„Waarom Kies Jij“ bietet einen virtuellen Treffpunkt, der hält, was der Slogan der Plattform verspricht: „Brich aus deiner Blase aus und geh in die Diskussion.“ In der aktuellen Zeit ist es viel schwerer, über den eigenen Tellerrand zu schauen, berichtet Ruben Treurniet, einer der Mitbegründer der Webseite, gegenüber NOS: „Die Orte, an denen man normalerweise Menschen mit einer anderen Meinung trifft, zum Beispiel das Fitnessstudio oder das Café, sind aktuell leider geschlossen. Das entzieht den Menschen die Möglichkeit, im Hinblick auf die anstehenden Wahlen miteinander darüber zu sprechen, was man wählt und warum.“
150.000 Teilnehmer beim politischen Speeddating
Auf der Plattform gibt man zunächst an, welcher Partei man seine Stimme geben möchte, oder dass man noch unentschlossen ist. Im Anschluss wird man mit jemandem verbunden, der eine ganz andere politische Meinung vertritt. Das Matching beruht sozusagen auf dem umgekehrten Prinzip von Dating-Apps: Unterschiede statt Gemeinsamkeiten bestimmen die Zuteilung. Die beiden gegensätzlichen Parteien können dann auf verschiedene politische Statements reagieren und diese als Basis für einen Meinungsaustausch über die Chatfunktion nutzen. Alles völlig anonym. Die Plattform gab es auch bei der letzten Wahl vor vier Jahren schon, durch die Coronakrise und Werbung niederländischer Prominenter habe sie laut NOS in diesem Jahr jedoch einen enormen Boost erfahren. Bereits 150.000 Menschen hätten sich bis zur ersten Märzwoche beim politischen Speeddate auf der Plattform ausgetauscht. Der ein oder andere könnte danach seine Wahl noch einmal überdacht haben.