In Deutschland und den Niederlanden genießt das Bildungssystem einen hervorragenden Ruf. Beide Länder legen großen Wert auf eine hochwertige Ausbildung und bemühen sich, ihre Schüler auf die Herausforderungen der modernen Welt vorzubereiten. Doch obwohl sich die Ziele ähneln, unterscheiden sich die Schulsysteme in wesentlichen Aspekten.
Bereits der Zeitpunkt der Einschulung ist unterschiedlich. In den Niederlanden gehen Kinder in der Regel ab dem vierten Lebensjahr in die Schule. In Deutschland hingegen wird man frühestens mit fünf, im Normalfall aber erst mit sechs oder sogar erst mit sieben Jahren eingeschult. Die Schulpflicht in den Niederlanden beginnt mit dem fünften Lebensjahr und dauert bis zum 18. Geburtstag, ab dem Alter von 16 ist man allerdings nur noch partiell schulpflichtig. In Deutschland ist man vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr schulpflichtig.
Die sogenannte Basisschool in den Niederlanden dauert acht Schuljahre, die Kinder verlassen sie im Alter von zwölf Jahren. Die in Deutschland vergleichbare Grundschule besuchen Kinder hingegen nur vier Jahre und verlassen diese ungefähr im Alter von zehn Jahren.
Drei unterschiedliche Schulformen
In den Niederlanden gliedert sich das Bildungssystem im Anschluss in drei unterschiedliche Schulformen: voorbereidend middelbaar beroepsonderwijs (vmbo), hoger algemeen voortgezet onderwijs (havo) und voorbereidend wetenschappelijk onderwijs (vwo).
Vmbo ist ein vierjähriger Berufsunterricht auf vier Niveaustufen, der einen Übergang in die Berufsausbildung darstellt. Der vmbo enthält verschiedene Lernwege, die unterschiedliche Ziele wie zum Beispiel eine Ausbildung für den mittleren Dienst mit dem Ziel einer praktischen Berufsausbildung anstreben. Die Abschlüsse sind vergleichbar mit dem Haupt- und Realschulabschluss, abhängig vom Lernweg.
Havo ist ein fünfjähriger Bildungsgang und bereitet einen höheren Berufsbildungsweg vor. Der Abschluss berechtigt zu einem Studium an einer Hochschule und ist mit dem deutschen Fachabitur vergleichbar.
Vwo ist der höchste Bildungsabschluss und kann nach sechs Jahren erreicht werden. Der Abschluss ist mit dem Abitur vergleichbar, soll auf das wissenschaftliche Arbeiten vorbereiten und wird von ungefähr 20 Prozent der Kinder erlangt.
Im Vergleich zu Deutschland bleiben die Schüler somit länger zusammen in der Basisschool, ehe ein dreigleisiges System auf sie wartet. In den jeweiligen Schulformen finden trotz der individuellen Flexibilität jeder Schule gleiche Abschlussprüfungen statt.
Hohe Anzahl an Privatschulen
Mit der Vielfalt der Schulen und ihrer verschiedenen Wege zum Abschluss geht auch eine hohe Anzahl an Privatschulen einher. Rund 70 Prozent der niederländischen Schüler besucht eine Privatschule, in Deutschland hingegen ist sind es nur rund 10 Prozent. Die Schulen können von den Eltern frei gewählt werden. Oft sind Indikatoren wie die Konfession oder das pädagogische Konzept dafür ausschlaggebend.
Der niederländische Staat trägt fast alle Kosten und vergibt an jede Schule ein Budget. Das können die Schulen selbst verwalten, auch das Personal muss davon bezahlt werden. Eine Verbeamtung wie in Deutschland ist für Lehrer in den Niederlanden nicht möglich, sie werden direkt von den Schulen eingestellt bzw. entlassen.
Gleiches Ziel, anderer Weg
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Systemen liegt in der Struktur und Organisation des Schulalltags. Das deutsche Schulsystem betont eine eher traditionelle Unterrichtsmethode, bei der der Lehrer im Vordergrund steht und den Großteil des Wissens vermittelt. Der Unterricht folgt einem festen Lehrplan und Prüfungen spielen eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Schüler. Im Gegensatz dazu betont das niederländische Schulsystem eine stärkere Beteiligung der Schüler am Lernprozess. Der Unterricht basiert auf einer interaktiven Methode, bei der die Schüler in Diskussionen und Gruppenarbeiten eingebunden werden. Die Bewertung erfolgt in beiden Ländern sowohl durch Prüfungen, als auch durch kontinuierliche Beurteilungen während des Schuljahres.
Beide Schulsysteme haben ihre Vor- und Nachteile. Das duale Ausbildungssystem in Deutschland bietet den Schülern eine frühzeitige Spezialisierung und ermöglicht es ihnen, praktische Fähigkeiten zu entwickeln. Auf der anderen Seite könnte die Trennung der Schüler nach der Grundschule zu einer frühzeitigen sozialen Selektion führen. Das niederländische Schulsystem fördert die Chancengleichheit und individuelle Entwicklung, kann jedoch aufgrund der größeren Heterogenität der Schüler eine Herausforderung für Lehrer darstellen.
Insgesamt zeigen der deutsche und der niederländische Ansatz, dass es verschiedene Wege gibt, Bildung erfolgreich zu gestalten. Beide Länder haben ihre Stärken und Schwächen, aber letztendlich ist das Ziel beider Schulsysteme dasselbe: die bestmögliche Bildung für ihre Schüler zu gewährleisten.