Die Logistikplattform Quicargo mit Hauptsitz in Amsterdam hat spärlich beladenen Lastwagen den Kampf angesagt. Das große Ziel geht über eine bessere Auslastung hinaus. Denn diese entlastet nicht nur die verstopften Straßen – eine häufige Ursache von Unfällen – sondern reduziert auch den CO2-Ausstoß. Quicargo konnte seit dem Launch im September 2017 dank der Spezialisierung auf Kurzstrecken stark wachsen. Gut 1.600 Versender buchten über die Plattform knapp 5.000 Lastwagen bei den 200 angeschlossenen Speditionen. Das Ergebnis sind tausende auslastungsoptimierte Frachtfahrten, 120.000 km weniger Leerfahrten und drei Prozent weniger CO2. Justine Van den Mooter, Associate Business Development, verrät im Interview weitere Details über die Entwicklung des Start-ups.
Frau Van den Mooter, vielleicht erläutern Sie zum Einstieg noch einmal das Prinzip von Quicargo?
Justine Van den Mooter: Eigentlich ist es ganz simpel: Versender wenden sich mit den zu liefernden Produkten sowie dem gewünschten Zielort und dem Lieferzeitpunkt an die Plattform und erhalten über diese entsprechende Hinweise auf verfügbare Lastwagen in der Nähe. Hat der Versender sich für einen entschieden, fehlt nur noch die Bestätigung der Spedition und der Versand nimmt seinen Lauf. Zahlungen werden über die Plattform sicher und zuverlässig abgewickelt.
Und wie gut funktioniert das Konzept aktuell? Gibt es für jede Ladung eine Transportlösung?
Justine Van den Mooter: Wir garantieren, dass die Palletten geliefert werden. Jede Anfrage, die bei uns eingeht ist ein Auftrag, der abgearbeitet wird. Auch wenn es einmal keinen freien Platz in den Lastwagen unseres Speditionsnetzwerkes gibt, wird die Ware transportiert. Für diesen Zweck verfügen wir über Backup-Lastwagen.
„Im Binnenverkehr werden 30 Prozent der Lieferkapazitäten nicht ausgeschöpft.“
Der Launch von Quicargo fand im vergangen Jahr statt. Was waren die größten Herausforderungen für dieses Start-up?
Justine Van den Mooter: Da unsere Gründer aus Israel stammen und noch keine Kontakte in den Niederlanden hatten, bestand die größte Herausforderung darin, Kontakte zu knüpfen und natürlich Kunden für uns zu gewinnen. In dieser Branche spielen langjährige Geschäftsbeziehungen und Vertrauen eine wichtige Rolle. Die Gründer Avishai Trabelsi (CEO) und Roni Liberman (CPO) mussten diese Kultur erst kennenlernen und die Spediteure von der Idee und unserer Vertrauenswürdigkeit überzeugen.
Die Plattform ist auf Kurzstrecken spezialisiert. Warum ist das so?
Justine Van den Mooter: 85 Prozent des Transports zu Lande erfolgt in einem Radius von 150 km – der sogenannte Binnenverkehr. Aufgrund der Zunahme im E-Commerce und den damit verbundenen kleineren Volumen sowie der Wichtigkeit von Lieferzeiten wird dieser immer ineffizienter. Auch die Zahlen sprechen für sich: Im Binnenverkehr werden 30 Prozent der Lieferkapazitäten nicht ausgeschöpft, im internationalen Transportwesen sind es nur 14 Prozent. Mit Quicargo bieten wir eine Lösung, die freien Kapazitäten schnell und einfach zu füllen.
Deutschland und Belgien zählen zu den Zielmärkten, in denen Sie sicher schon die ersten Erfahrungen gesammelt haben. Wie sehen diese aus?
Justine Van den Mooter: Die Probleme der Branche – zu wenige Fahrer, Staus, CO2-Ausstoß – beschränken sich nicht auf die Niederlande. Außerdem entfallen 83 Prozent der Lieferungen aus den Niederlanden ohnehin auf Deutschland und Belgien. Unsere Lösung ist also auch dort relevant. Die Arbeitsabläufe unterscheiden sich jedoch von Land zu Land, genauso wie die Kultur. Unser Vorteil ist, dass die Region, auf die wir uns konzentrieren, bereits durch ein logistisches Ökosystem verbunden ist. Es gibt eine intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit, was es leichter macht, unser Konzept zu vermitteln.
„In fünf Jahren soll Quicargo fünf Prozent des Straßentransports in Westeuropa übernehmen.“
Wie sehen die nächsten Schritte für den deutschen Markt aus?
Justine Van den Mooter: In den nächsten Monaten möchten wir unser Zielgebiet erweitern. Ein erster wichtiger Schritt hierfür ist der Aufbau eines Netzwerks von Spediteuren. Die Basis hierfür schaffen wir aktuell. Sobald wir das Gefühl haben, dass es stark genug ist, wenden wir uns an die Versender.
Investoren sind für ein Start-up wichtig und Quicargo ist in diesem Bereich recht erfolgreich – es wurden bereits 1,3 Millionen Euro Seed-Finanzierung eingeworben. Was würde ein „Wunschinvestor“ abgesehen vom Kapital mitbringen?
Justine Van den Mooter: Ideal wäre ein Social Impact Venture Capital, das – genau wie wir – die Notwendigkeit sieht, Staus und den CO2-Ausstoß zu verringern und uns bei unserer weiteren Entwicklung unterstützt.
Wie soll die aussehen, wo sehen Sie Quicargo in fünf Jahren?
Justine Van den Mooter: In fünf Jahren soll Quicargo fünf Prozent des Straßentransports in Westeuropa übernehmen. So kann der CO2-Ausstoß durch das Auffüllen leerer Lastwagen um drei Prozent verringert werden.