Blog: Wofür Fremdsprachenkenntnisse? Und welcher Art?

Ein Blog von Michael Heijnsbroek

 

Als ich vor kurzem meinen niederländischsprachigen Neurochirurgen, der vor Jahrzehnten während seiner Ausbildung als Facharzt mehrere Jahre u.a. auch in Deutschland lebte, in der Sprechstunde traf, fragte ich ihn mal beiläufig, ob er denn noch die deutsche Sprache brauche. Er antwortete, dass er sie in der Tat noch regelmäßig nutzt. Vor allem das Sprechen sei ihm wichtig.

Nebenbei bemerkte er, dass die Sprachkompetenz Sprechen früher am Gymnasium mach seinem Geschmack viel zu wenig Aufmerksamkeit bekam. Daran hat sich auch nach meiner langjährigen Erfahrung als Sprachlehrer bzw. Dozent leider noch immer kaum etwas geändert. Als Facharzt sei es für ihn eigentlich von geringer Bedeutung, schriftlich zu 100 Prozent korrekt zu kommunizieren. Bei Bedarf beauftrage er einfach jemanden, der dies beherrsche. Aber am selber Sprechen führe kein Weg vorbei! Entscheidend für ihn sei es in erster Linie, sich in den Seminarpausen oder abends an der Hotelbar mit Fachkollegen unterhalten zu können.

Aktive und passive Sprachbeherrschung

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die aktive Kompetenz Sprechen sein kann. Was auch für viele weitere Berufe gilt. In jeder Geschäftsverbindung mit einem deutschsprachigen Land ist die mündliche Kommunikation von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang sollte man auch die Rolle der Körpersprache beim Sprechen keinesfalls unterschätzen. Sie spielt eine sehr wichtige Rolle. Häufig eine größere, als die gesprochenen Worte selbst. Auch Schweigen kann bekanntlich mehr als tausend Worte sagen.

In anderen Berufen und Kontexten kann das Sprachbedürfnis anders gelagert sein. Jemand, der viel schriftlich − und sei es per Mail oder App − kommuniziert, ist eine andere aktive Kompetenz, nämlich das Schreiben, entsprechend wichtiger.

Für viele Zwecke genügt es sogar vollkommen, eine Fremdsprache passiv zu beherrschen: Also Inhalte zu verstehen, wenn man die Sprache hört oder liest. Tatsache ist, dass die passive der aktiven Sprachbeherrschung zeitlich voran geht und damit als Basis sehr wichtig ist. Aktive Fähigkeiten sind im passiven Sprachgebrauch bereits angelegt. Ein Baby in Frankreich bekommt die Betonung der Wörter bereits anders „in die Wiege gelegt“, als ein deutsches Baby.

Mehr als „nur“ Worte

Wie bereits kurz erwähnt ist die Körpersprache ein sehr wichtiger Bestandteil eines guten Sprachunterrichts. Keineswegs nur im Hinblick auf ein Vorstellungsgespräch, den Klassiker, auf den man sich in der Regel sprachlich sehr gründlich vorbereitet. Mimik und Gestik, der Eindruck, den eine Person vermittelt – vieles wird vom Gegenüber unterbewusst wahrgenommen. Worte und Inhalte sind nicht unbedingt wichtiger. Menschliche Kommunikation und Sprache sind sehr komplex und lassen sich daher auch nicht einfach durch künstliche Intelligenz ersetzen.

Kulturunterschiede

Ich habe schon erlebt, dass Kulturunterschiede in einem informellen Gespräch zum Missverständnis führen können. Der Satz: „Wenn du das machst, geht es in die Hose und dann ist alles im Eimer!“ kann sehr von Personen ohne deutschen Hintergrund komplett falsch interpretiert werden. Genau das ist mir passiert. Auf weitere Details möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Jeder Satz braucht eben die Situation, auf die er abgestimmt ist.

Über Kulturunterschiede zwischen Holland und Deutschland, Österreich und deutschsprachiger Schweiz lässt sich vieles sagen und schreiben. Mit diesen Unterschieden muss man „in der Fremde“ immer rechnen. Fremdsprachen und sprachliche Inhalte gehen immer mit Kulturunterschieden einher. Das gilt bereits innerhalb eines Landes. Mundarten und Dialekte sind Ausdrücke von regionalen Unterschieden. Falls man mit anderen Nationalitäten Kontakte pflegt, sollte man sich kulturelle Unterschiede zu eigen machen bzw. sie mindestens berücksichtigen. Diese Fähigkeit kann und sollte man erlernen. Am besten funktioniert dies im jeweiligen Land selbst. Ein kompetenter Sprachlehrer hilft einem dabei jedoch auch schon ein gutes Stück weiter…

 

Über den Autor

Michael Heijnsbroek war jahrelang Deutschlehrer in den Niederlanden und bietet mit michasdeutschinfo verschiedene Sprachkurse und -Workshops an.