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„Das Zauberwort heißt Energiespeicherung“

In den Sektoren Nahrung, Gesundheit und Energie ist die Region Nimwegen-Arnheim-Wageningen in den Niederlanden federführend. Der Wirtschaftsrat „The Economic Board“ gilt als Antreiber und Innovationsmotor in der Region direkt hinter der deutschen Grenze. „In enger Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Bildungssektor und Unternehmen stoßen wir wirtschaftliche Aktivitäten und Innovationen in und zwischen den Bereichen Food, Health und Energy an“, erklärt im Gespräch mit AHA24x7 Sigrid Helbig, Geschäftsführerin von The Economic Board. Und betont, dass es bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit deutschen Partnern noch viel zu tun gibt.

AHA24x7.com: Frau Helbig, welchen Mehrwert hat The Economic Board als Wirtschaftsförderer für die Region?

Sigrid Helbig: Unsere Aufgabe ist es, die wirtschaftlichen Stärken der Region zu festigen und auszubauen. In den Sektoren Food, Health und Energy nimmt das Städtenetzwerk Nimwegen-Arnheim-Wageningen schon heute eine Spitzenposition ein. Um hier die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen, fördern wir die intensive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Hochschulen und öffentlicher Hand. The Economic Board vermittelt, verbindet Parteien und setzt Projekte und Initiativen in den genannten Sektoren auf die Agenda. Und wenn wir in diesem Prozess bei Unternehmen feststellen, dass die gerade ein förderungswürdiges Projekt auf die Beine stellen, setzen wir alles daran, dafür eine Finanzierung hinzubekommen, sei es mit Hilfe der Regierung in Den Haag, Brüssel oder der Provinz; die Provinz Gelderland steht finanziell ja nicht gerade schlecht da. Unser Mehrwert besteht also darin, zu kommunizieren, zu verbinden und zu finanzieren. Nicht mit eigenem Geld, sondern mit Fördermitteln, venture capital oder Subventionen.

 

„Die Stadt Nimwegen ist mit ihrer Radboud-Universität federführend im Gesundheitssektor, war im Jahr 2018 grüne Hauptstadt Europas und mischt zusammen mit Arnheim auch beim Ausbau der regionalen digitalen Erreichbarkeit ordentlich mit.“

 

AHA24x7.com: Kann eine Region an der Peripherie des Landes mithalten mit den traditionell leistungs- und innovationsstarken Wirtschaftsregionen Randstad oder Eindhoven und Umgebung?

Sigrid Helbig: Auf einigen Gebieten auf jeden Fall. Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und der Gesundheitsindustrie zum Beispiel hat die Region eine Vorreiterfunktion, zählen einige Unternehmen zu den Weltmarktführern. So steht etwa die Universität Wageningen weltweit an Platz Eins der Einrichtungen, die sich mit der Welternährungssituation befassen. Die Stadt Nimwegen ist mit ihrer Radboud-Universität federführend im Gesundheitssektor, war im Jahr 2018 grüne Hauptstadt Europas und mischt zusammen mit Arnheim auch beim Ausbau der regionalen digitalen Erreichbarkeit ordentlich mit. In Arnheim liegt der Schwerpunkt zudem auf Energie. Hier hat das Unternehmen Tennet seinen Firmensitz, das im Zuge der Energiewende auch in Deutschland die Stromversorgung sicherstellen soll. Wie man weiß, ist nach wie vor Energiespeicherung das Zauberwort, also die Frage, wie man Energie „lagern“ und bei Bedarf wieder abrufen kann. Energiespeicherung ist zur Zeit der Heilige Gral. Wenn da jemand mit einer bahnbrechenden Idee käme, wären wir als Wirtschaftsförderung selbstverständlich sofort dabei.

AHA24x7.com: Hört sich ganz so an, als wäre die grenznahe Region durch diese Entwicklungen zunehmend attraktiv auch für Arbeitskräfte. Macht die doch eher ländlich geprägte Region an der Grenze zu Deutschland da ausreichend Angebote?

Sigrid Helbig: Das will ich meinen. Gerade für junge Familien ist die naturnahe Umgebung eine wichtige Entscheidungshilfe, einen Umzug von den Ballungsräumen im Westen des Landes hierher „aufs Land“ ernsthaft ins Auge zu fassen. Das Freizeit- und Kulturangebot kann sich durchaus sehen lassen. Zudem sind die Leute hier weitaus relaxter. Wir haben hier auch Städte, aber eben nicht mit den großstädtischen Problemen, wie man sie von Amsterdam, Den Haag oder Rotterdam kennt.

 

„Während in den Niederlanden der digitale Verkehr längst wie selbstverständlich in allen Bereichen dominiert, stößt in Deutschland die Nutzung des Internets, wenn überhaupt verfügbar, oftmals nach wie vor auf Skepsis. In einigen Unternehmen herrscht die Maxime, wenn man keins hat, kann man auch nicht gehackt werden.“

 

AHA24x7.com: Arnheim und Nimwegen sind beides Grenzstädte. Welche Bedeutung kommt bei Ihrer Rolle als Wirtschaftsförderung dem grenzüberschreitenden Aspekt zu?

Sigrid Helbig: Nun ja, die Grenze ist schon da, das lässt sich nicht leugnen. Dass in diesem Bereich nach wie vor Einiges verbessert werden könnte, liegt nicht so sehr daran, dass die eine oder die andere Seite verschiedentlich zu sehr bremst. Es sind vielmehr die Regeln beider Länder und wie sie jeweils gehandhabt werden. Das unterschiedliche Regelwerk hält viele Akteure davon ab, hin und wieder mal „out of the box“ zu denken und zu handeln. Hinzu kommen mentalitätsbedingte Unterschiede. Nehmen wir als Beispiel die Nutzung bzw. die Verfügbarkeit des Internets. Während in den Niederlanden der digitale Verkehr längst wie selbstverständlich in allen Bereichen dominiert, stößt in Deutschland die Nutzung des Internets, wenn überhaupt verfügbar, oftmals nach wie vor auf Skepsis. In einigen Unternehmen herrscht die Maxime, wenn man keins hat, kann man auch nicht gehackt werden. Überhaupt stehen Mentalitätsunterschiede einer funktionierenden grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Wege. Niederländer fackeln nicht lange, marschieren los. Deutsche hingegen müssen alles genau vorausplanen und zu Papier bringen. Leider ist aber die Welt heute nicht mehr so. Man muss heute viel schneller agieren, auch auf die Gefahr hin, dass man sich womöglich mal die Nase stößt.

AHA24x7.com: The Economic Board fördert die intensive Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen, Hochschulen und Unternehmen. Ist der grenzüberschreitende Einsatz von Fachkräften eine förderungswürdige Möglichkeit, die Position des regionalen Standortes in genannten zukunftsträchtigen Sektoren zu festigen?

Sigrid Helbig: In diesem Bereich ist zwar schon ordentlich was auf den Weg gebracht worden, aber generell verhindert das bestehende Regelwerk oftmals den grenzenlosen Transfer und Einsatz von qualifizierten Mitarbeitern. So hat etwa die Hochschule Rhein-Waal in Kleve eine Vielzahl ausländischer Studierender, die aber nicht aus dem EU-Ausland stammen. Die kommen für ein paar Jahre aus China, Vietnam, Bangladesch oder auch vielen afrikanischen Ländern. Diese Studierenden müssen im Zuge ihrer Ausbildung ein Praktikum absolvieren. Alle sprechen neben der Sprache ihres Herkunftslandes fast ausschließlich Englisch. Die Schwierigkeit beginnt da, wenn man diesen englischsprachigen Studierenden ein Praktikum in einem deutschen Betrieb zu vermitteln versucht; dort wird in der Regel kein Englisch gesprochen. Das nun wieder würde jenseits der Grenze in den Niederlanden wenig Probleme bereiten, weil dort die Unternehmenskultur ohnehin häufig englisch geprägt ist. Nun versuche ich gerade gemeinsam mit anderen Akteuren, ein Projekt auf die Beine zu stellen, das es dieser Gruppe ermöglicht, zum Beispiel in den Niederlanden ihr obligatorisches Praktikum zu absolvieren oder, wenn sie ihren Abschluss schon haben, dort einen Job anzutreten.

Das können die im Moment nicht, weil sie nur eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland haben und nicht für das Schengen-Gebiet. Das heißt, dass teuer ausgebildete Studierende der Hochschule Rhein-Waal in Kleve eher nach Mönchengladbach geschickt werden, um dort Schuhe einzupacken, als dass wir sie zum Praktikum nach Europa verschicken, damit sie dort in Betrieben ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt werden können. Und das versteh ich nicht! Das tut mir in der Seele weh, und da werde ich alles daran setzen, um dort Veränderungen zu bewirken.

Vielen Dank für das Gespräch!

INFO
Sigrid Helbig ist Geschäftsführerin von „The Economic Board“. Sie bringt große Erfahrung im Dienstleistungssektor mit. Helbig kommt aus Deutschland und will die Verbindung dorthin stärken.