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Durchblick im „Papierkram“

Wer in den Niederlanden geboren wurde, in Deutschland aufwuchs, in den Niederlanden zur Schule ging, heute in Deutschland lebt, in beiden Ländern gearbeitet hat und zweimal fast aus dem Land geflogen wäre, ist am Niederrhein vor allem für einen Job prädestiniert: die Beratung von Grenzpendlern. Carola Schroer, Niederländerin aus Kranenburg, hat ihre vielfältigen deutsch-niederländischen Erfahrungen zum Beruf gemacht und arbeitet seit fast 20 Jahren bei der Euregio Rhein-Waal, seit 2016 im GrenzInfoPunkt. Ein Leben auf der Grenze – mit einem Bein in jedem Land.

Carola Schroer ist mit dem grenzüberschreitenden Gen geboren. Die Niederländerin wurde im grenznahen Malden bei Nimwegen geboren und zog im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern, ihrer Schwester und ihrem Bruder ins deutsche Kranenburg. Der Grund für den Umzug: Der Vater betrieb ein Blumengeschäft in Duisburg. Da war es einfacher, auch in Deutschland zu wohnen. Für Carola hatte das eine besondere Konsequenz: „Ich war Ende der 70er-Jahre das erste Kind, das in Deutschland wohnte, aber in den Niederlanden zur Schule ging“, blickt sie zurück. Während sie morgens auf Niederländisch unterrichtet wurde, lernte sie nachmittags Deutsch von ihren Kranenburger Freundinnen. So gut, dass sie heute locker als Deutsche durchgeht.

Aufenthaltsgenehmigung

So weit, so gut. Wenn da nicht der lästige Papierkram wäre. So kam der erste Schock nach einem langersehnten Highlight: Gerade 18 Jahre alt geworden, fuhr Carola Schroer erstmals mit dem Auto von Kranenburg zum Einkaufen nach Nimwegen. Auf dem Rückweg jedoch wurde sie an der Grenze angehalten – wo die kontrollierenden Beamten feststellten, dass sie keine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland mehr hatte. „Das Generalkonsulat hatte offenbar vergessen, mich darüber zu informieren, dass ich als Niederländerin in Deutschland ab 18 eine eigene Aufenthaltsgenehmigung benötige. Ich hätte das Land also eigentlich sofort verlassen müssen. Das konnte zum Glück über die Gemeinde Kranenburg unbürokratisch geregelt werden. Allerdings galt die Genehmigung nur für fünf Jahre“, blickt sie zurück. Und so kam es, wie es kommen musste: Carola Schroer heiratete, wurde schwanger – und stand kurz vor der Geburt ihres Sohnes wieder ohne Aufenthaltsgenehmigung da. „Damals haben sich auch meine Arbeitskollegen stark für mich eingesetzt“, erinnert sie sich. Erst im Alter von 30 Jahren erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis auf unbestimmte Zeit.

Kulturschock

Beruflich hat sich Carola Schroer ebenfalls auf beiden Seiten der Grenze getummelt. Nach dem niederländischen Schulabschluss und einer Zusatzausbildung zur Sekretärin gab es im Nachbarland jedoch keine passenden Stellenangebote. „Deshalb habe ich kurzerhand in Deutschland mein Glück versucht. Dieses Glück kam übrigens mit dem Schornsteinfeger, der mir berichtete, dass die Firma Spectro jemanden suchte. Dort bin ich sechs Jahre geblieben“, blickt Carola Schroer zurück. Anschließend arbeitete sie bei Douglas in Kleve, bis eine Reorganisation ihren Job kostete. „Danach habe ich es andersherum versucht: Über eine Zeitarbeitsfirma gelangte ich zu Kegro Deuren nach Groesbeek. Das war ein positiver Kulturschock, dort herrschte ein völlig anderes Arbeitsklima“, erinnert sie sich. Wo lag der große Unterschied? „In der Art des Arbeitens. Der deutsche Chef erwartet, dass man seine Anweisungen ausführt. Der niederländische Chef erwartet, dass man selbstständig seinen Job macht. Ich war schon so eingedeutscht, dass ich mich an diese Art erstmal gewöhnen musste.“

Der nächste Karriereschritt führte sie wieder auf die deutsche Seite der Grenze, allerdings in eine sehr niederländisch geprägte Organisation: zur Euregio Rhein-Waal. „Da ich selbst so viel Erfahrung im grenzüberschreitenden Arbeitsleben gesammelt hatte, wurde die Beratung von Grenzpendlern zu meinem „Hobby“. Seit 2016 bin ich jetzt hauptamtlich als Beraterin tätig.“ Bei der Euregio Rhein-Waal sind übrigens alle Mitarbeiter – typisch niederländisch – per Du. „Wenn ich zu einer Behandlung in die Radboud-Klink in Nimwegen gehe, duze ich den Arzt auch ganz selbstverständlich. Bei meinem deutschen Hausarzt würde mir das nicht im Traum einfallen.“

Kulturunterschiede

In der beruflichen Praxis hat sie es ebenfalls mit den typischen Kulturunterschieden zu tun. Seit Beginn der Corona-Pandemie zeigen sich diese vor allem in der Akzeptanz von Regeln. „Wenn man Deutschen erklärt, dass es zurzeit nicht erwünscht sei, zum Einkaufen ins Nachbarland zu fahren, dann tun sie es in der Regel auch nicht. Wenn man das Gleiche Niederländern erklärt, dann hören Sie aufmerksam zu – und beenden das Gespräch häufig mit dem Satz: ‚Maar ik doe het toch.‘“ Kürzlich rief der Geschäftsführer einer niederländischen Fahrschule an und fragte, ob er denn mit seinen Fahrschülern auf deutschen Straßen fahren dürfe, in den Niederlanden sei es ja derzeit nicht möglich. „Das ging natürlich auch in Deutschland nicht.“ Und wenn Leute nach konkreten Steuertipps fragen? „Wir können klären, wo Steuern zu zahlen sind, aber nicht, wie sie zu vermeiden sind. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir sorgen für den Durchblick im lästigen Papierkram rund um Sozialversicherungen, Krankenversicherungen oder Pensionsansprüche.“

Hausarrest

Ihre eigene Familie ist übrigens auf beide Länder verteilt: Die Schwester lebt in den Niederlanden, der Bruder in Deutschland – der Familienbande tut das keinen Abbruch. Ihr Sohn hat übrigens die deutsche Staatsbürgerschaft, profitierte aber von der niederländischen Einstellung seiner Mutter. „Als mein Sohn zur Schule ging, hatte ich natürlich auch Kontakt zu anderen Müttern. Dabei hörte ich zum ersten Mal das Wort „Hausarrest“. Den gab es für schlechte schulische Leistungen. So etwas konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, mein Sohn hatte bei mir pro Quartal eine 5 frei…“, blickt sie schmunzelnd zurück. Geschadet hat es ihm definitiv nicht. Und das Beste: Falls er in die Niederlande umziehen möchte, braucht er heutzutage keine Aufenthaltsgenehmigung mehr…

Kontakte und Termine

Weitere Informationen zum GrenzInfoPunkt der Euregio Rhein Waal auf www.grenzinfo.eu/erw, unter 02821/793079 oder per E-Mail (gip@euregio.org).

Aufgrund der Corona-Pandemie sind persönliche Beratungsgespräche aktuell nur telefonisch möglich. Termine montags bis donnerstags von 8.30 bis 16.30 Uhr. Der GrenzInfoPunkt Rhein-Waal veranstaltet zudem gemeinsam mit seinen Partnern mehrmals monatlich digitale Sprechstunden. Wer Interesse hat, kann unter 02821/793079 einen Termin vereinbaren. Weitere Infos und die nächsten geplanten Sprechstunden finden sich unter www.grenzinfo.eu/erw/sprechtage.