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„Gründlichkeit und Flexibilität bilden ein super Gespann“

Interview mit Anke Dorenbos, Gründerin von The Dutch & German Connection in Hilversum, über Methoden zum Umgang mit Kulturunterschieden zwischen niederländischen und deutschen Geschäftspartnern und die Herausforderungen des digitalen Zeitalters.

AHA24x7.com: Frau Dorenbos, wer ein paar Kurse Niederländisch belegt hat und die Sprache inzwischen ganz ordentlich beherrscht, versteht nicht zwangsläufig, wie Niederländer „ticken“. Und das ist ja schließlich eine conditio sine qua non beim Umgang mit niederländischen Geschäftspartnern. Woran hapert’s?

Anke Dorenbos: Am Verständnis. Allzu oft kommt es zu Missverständnissen zwischen deutschen und niederländischen Geschäftspartnern, die zu vermeiden gewesen wären, hätten beide Seiten Verständnis für unterschiedliche Herangehensweisen bei bestimmten Abläufen. Was wir alle gern tun, ist urteilen und unsere Schlüsse ziehen. Eine bedeutende Rolle spielen dabei die gängigen Stereotypen: der Deutsche ist akkurat und stets gut vorbereitet, dafür starr und unflexibel, der Niederländer gibt sich meist spontan, offen und flexibel. Der Schlüssel zum Verstehen ist hier, diese Unterschiedlichkeit wahrzunehmen und nicht gleich in eine Schublade zu stecken, sondern die historischen Hintergründe für solches Verhalten zu begreifen. Das ist ein ganz schwieriger Prozess, schließlich handelt es sich um die kulturellen Standards und Wertesysteme des jeweils anderen Landes, und die haben ihren Ursprung in einem unterschiedlichen geschichtlichen Kontext.

 

„Ausgangspunkt eines jeden Trainings ist ein Intake-Gespräch, um herauszufinden, worum es beim Kunden gehen soll, welche die Vorgaben, Erfahrungen und Erwartungen sind.“

 

AHA24x7.com: Wie lassen sich diese vermitteln?

Anke Dorenbos: Nehmen wir zum Beispiel ein Unternehmen in der Grenzregion, das niederländische und deutsche Mitarbeiter beschäftigt. Während eines Interkulturellen Teamtrainings in einem solchen Unternehmen versuche ich herauszubekommen, wie denn niederländische bzw. deutsche Mitarbeiter die Identität des Teams definieren. Schließlich ist es für das Teambuilding von entscheidender Bedeutung, dass in der Belegschaft die Frage erörtert wird, ob alle das gleiche Verständnis haben von den Zielen, Aufgaben, Herangehensweisen und Abläufen im Betrieb. Durch Rollenspiele, bei denen sie zwischendurch die Perspektive wechseln und auch mal den Part des neutralen Beobachters übernehmen, lernen die Teilnehmer, das eigene angelernte Verhalten als Hindernis für das Verstehen des jeweils anderen zu erkennen.

AHA24x7.com: Was genau beinhaltet ein Interkulturelles Training?

Anke Dorenbos: Ausgangspunkt eines jeden Trainings ist ein Intake-Gespräch, um herauszufinden, worum es beim Kunden gehen soll, welche die Vorgaben, Erfahrungen und Erwartungen sind. Jedes Training ist maßgeschneidert, je nach den Erfordernissen des Klienten, je nach dem etwa, ob eine deutsche Einzelperson ergründen möchte, wie die Niederländer privat „ticken“, oder ob ein deutscher Manager in einem niederländischen Betrieb Reformen umsetzen muss und sich mit Widerstand konfrontiert sieht – Widerstand, der entweder kulturbedingt ist oder sich gegen die möglich als Bedrohung empfundenen Veränderungen richtet. Hier geht es prioritär darum, Vertrauen aufzubauen.  

Begonnen wird mit dem Prozess des „Cultural Awareness“, wie es der englische Begriff so schön auf den Punkt bringt. Die Teilnehmer eines solchen Trainings sollen zunächst einmal erkennen, dass es nicht primär um das Verstehen der fremden Kultur geht, sondern um den eigenen kulturellen Hintergrund. Denn alles, was man denkt oder tut oder Reaktionen hervorruft, ist das Ergebnis angelernten Verhaltens. Jeder reagiert auf der Grundlage der eigenen Kultur. Man kann zwar gleiche Dinge sehen, dabei aber verschiedene Dinge wahrnehmen.

 

„Um die anders geartete Mentalität zu ergründen, muss man Kenntnisse haben von der anderen Kultur.“

 

AHA24x7.com: Welche Aktivitäten kommen im Training zum Einsatz?

Anke Dorenbos: Perspektivwechsel ist die Devise, die Bereitschaft, Dinge auch mal anders zu sehen und zu erfahren. Zu erkennen, dass man selbst zu sehr die Neigung hat, vom eigenen erlerntem Umfeld auszugehen und dass andere nun einmal ein anderes Umfeld haben und deshalb anders reagieren. Wichtig ist daher, Verständnis dafür zu wecken, dass man Dinge auch von einer anderen Warte aus betrachten und interpretieren kann.

Um die anders geartete Mentalität zu ergründen, muss man Kenntnisse haben von der anderen Kultur. Zu einem Training gehören daher auch Wissenstransfer (beispielsweise: wie verläuft ein typisch deutsches Meeting), Diskussionen und Erfahrungsaustausch. Am liebsten mit Hilfe von gemachten Erfahrungen, die in der Vergangenheit zu Problemen und Konfrontationen geführt haben.

Die Erkenntnis, dass Niederländer Sachen anders anpacken als Deutsche, dürfte weitestgehend bekannt sein. Aber was können beide voneinander lernen oder wie lassen sich beide Mentalitäten /Eigenschaften kombinieren? Ich persönlich, die als gebürtige Deutsche seit zwei Jahrzehnten in den Niederlanden lebe und arbeite, bin der Meinung, dass sich beide Mentalitäten ausgezeichnet ergänzen! Die strukturierte, gründliche Herangehensweise der Deutschen und die Flexibilität der Niederländer bilden doch ein super Gespann.

AHA24x7.com: Haben sich die Trainings von den Methoden her über die Jahre verändert? Etwa indem die rasanten technologischen Entwicklungen eine Anpassung an die Erfordernisse der modernen Berufswelt notwendig machten?

Anke Dorenbos: Ohne Zweifel! Ich treffe mich zwar eigentlich nach wie vor gerne mit Kunden zu Trainings vor Ort. Aber weil die Leute immer weniger Zeit haben und immer öfter gerne selbst bestimmen, wann sie lernen, gehört E-Learning, dem Virtuellem Lernen, die Zukunft. Immer öfter nehmen Einzelpersonen oder Teams die Gelegenheit wahr, mit Hilfe von Webinars und learning-on-demand zu positiven Ergebnissen zu gelangen. Und da auch in dieser Hinsicht Niederländer und Deutsche häufig auf einem unterschiedlichen Stand sind, ist das eine echte Herausforderung. Auch das so genannte „blended learning“, ein Mix aus verschiedenen Lernmethoden – online wie offline- gehört zu den Entwicklungen. Es geht um die Kombination aus Online-Kurs und Face-to-Face Training. Ein Training wird also unterstützt etwa durch digitale Übungen, E-Learning und Videos.

 

Über Anke Dorenbos

Anke Dorenbos war nach dem Studium der Fremdenverkehrsgeographie, Kunstgeschichte und Marketing an der Universität Trier bei verschiedenen Arbeitgebern in den Niederlanden und Deutschland im Profit- und Nonprofit-Sektor tätig. Als zertifizierte Intercultural (Business-)Trainerin & Moderatorin coacht sie Einzelpersonen oder Teams, Kultur bedingte Unterschiede zu erkennen und damit umzugehen.