Im Auftrag des Hafenbetriebs Rotterdam hat das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mehrwert des Hafens von Rotterdam für Deutschland untersucht. In der Untersuchung zeigt sich die enge Verbundenheit zwischen der deutschen Industrie und dem Hafen- und Industriecluster des Rotterdamer Hafens.
Der Hafen von Rotterdam hat einen Anteil von 34 Prozent an den gesamten Transporten zwischen Deutschland und den für Deutschland relevanten Seehäfen. Mit einem Transportvolumen in Höhe von 85 Millionen Tonnen pro Jahr ist der Hafen von Rotterdam der wichtigste Seehafen für Deutschland. Über Rotterdam werden insbesondere die Stahl- und Chemieindustrie sowie die Energiewirtschaft im Ruhrgebiet und im Rheinkorridor mit wesentlichen Rohstoffen und Gütern versorgt.
Güter sorgen für hunderttausende Jobs in Deutschland
In der Antwerpen-Rotterdam-Rhine-Ruhr-Area (ARRRA) und im Ruhrgebiet sorgen die über Rotterdam transportierten Güter laut der Studie für jeweils 140.000 bis 150.000 Jobs. Im Automobilcluster der Region Stuttgart werden mit den über Rotterdam transportierten Gütern bis zu 50.000 Menschen beschäftigt
„Fraunhofer hat inventarisiert, was der gesellschaftliche und wirtschaftliche Mehrwert der über Rotterdam transportierten Güter ist und festgestellt, dass die über unseren Hafen transportierten Güter im Rheinkorridor und dem Ruhrgebiet 300.000 Jobs sichern. Obwohl dies natürlich in erster Linie ein Verdienst der deutschen Wirtschaft selbst ist und sich unser Beitrag lediglich auf die Bereitstellung einer effizienten Transportkette und optimalen Bedingungen im Hafen beschränkt, macht uns diese Zahl stolz“, erläutert Allard Castelein, Vorstandsvorsitzender des Hafenbetriebs Rotterdam, die Zahlen.
Wasserstraße Rhein – Rückgrat eines effizienten Systems
Ungefähr 70 Prozent des Transportvolumens zwischen Deutschland und Rotterdam wird per Binnenschiff, und damit mit dem nachhaltigsten Verkehrsträger transportiert. Etwas mehr als zehn Prozent der Verkehre verlaufen über die Schiene und weniger als 20 Prozent über die Straße. Der Bedeutung der Binnenschifffahrt entsprechend unterstützt der Hafenbetrieb Rotterdam die im Bundesverkehrswegeplan prioritär eingestuften Vorhaben zur Abladeoptimierung des Rheins zwischen Duisburg und Stürzelberg sowie zwischen Mainz und St.Goar. Die Vorhaben können einen wichtigen Beitrag leisten, bislang ungenutzte Transportpotenziale der Binnenschifffahrt zu heben. Nach der vorrangigen Einstufung im Bundesverkehrswegeplan sollten die Vorhaben auch vorrangig realisiert werden. Begrenzte Kapazitäten der Planungsstellen sind keine zufriedenstellende Begründung für Verzögerungen bei der Umsetzung.
Castelein: „Neben der Wasserstraße wollen wir die Schiene als den Verkehrsträger für Verkehre nach Deutschland etablieren. Stellvertretend dafür steht der Ausbau der Betuwe. Der niederländische Teil der Betuwestrecke wurde im Jahr 2007 eröffnet. Mit dem ersten Spatenstich für den Ausbau auf deutscher Seite im Januar dieses Jahres befinden wir uns auf der Zielgeraden dieses deutsch-niederländischen Leuchtturmprojektes. Die niederländische und deutsche Logistikwirtschaft wünscht sich nichts mehr als eine schnelle Fertigstellung.“
Seit einiger Zeit entwickeln sich letzte offene Fragen zur Sicherheit und dem Lärmschutz zum Hemmschuh bei der Realisierung der Betuwe-Linie auf deutscher Seite.
„Ich rufe alle Beteiligten dazu auf sich diesbezüglich auf pragmatische Lösungen zu einigen. Es kann nicht im Interesse des Projektes sein, dass diese offenen Fragen bei der Sicherheit und dem Lärmschutz erst vor Gericht gelöst werden können und sich das Projekt unnötig weiter verzögert“, so Castelein.
Wachstumspotenziale im Containersegment
Für den Container-Transport hat das Fraunhofer Institut errechnet, dass mindestens zwölf Prozent des deutschlandrelevanten Containertransportes über Rotterdam in gängigen Studien zu den deutschlandrelevanten Seeverkehren nicht erfasst wurden. Dabei handelt es sich um indirekte Verkehre. Dies sind Verkehre, die über Rotterdam verlaufen, in niederländischen Distributionszentren konsolidiert und anschließend nach Deutschland transportiert werden. Demzufolge wurden in 2014 nicht wie bislang angenommen 1,6 Millionen TEU zwischen Rotterdam und Deutschland transportiert, sondern mindestens 1,83 Millionen TEU.
Der Containermarkt ist nach Ansicht Rotterdams der Markt in dem es in Deutschland Marktanteile zu gewinnen gibt.
„Unsere Analysen des deutschen Containermarktes haben ergeben, dass wir deutschen Verladern aus logistischer Perspektive durchaus etwas zu bieten haben. Rotterdam ist bei internationalen Containerverkehren häufig der erste und der letzte Hafen, der in der Nordsee-Range angelaufen wird. Damit lässt sich für deutsche Verlader der Transportweg um bis zu zwei Tage verkürzen. Vielen deutschen Verladern ist dies aber noch nicht ausreichend bewusst. Daran müssen wir arbeiten und das tun wir durch zielgerichtetes Marketing und durch neue Verbindungen.“
Fit für die Zukunft – Herausforderungen gemeinsam bewältigen
Mit Blick auf die Zukunft werden sich die Güterströme von und nach Deutschland verändern. Dabei stehen beide Länder vor gleichen Herausforderungen: Industrie 4.0, Digitalisierung und die Energiewende. Der Rotterdamer Hafen will diese Herausforderungen in enger Zusammenarbeit mit Deutschland beantworten.
Castelein: „In vielen Bereichen, z.B. bei der Verteidigung, gelingt das bereits. Deutschland und die Niederlande fügen dort Truppenteile zusammen, treffen Absprachen über Materialnutzung und beschließen die gemeinsame Anschaffung neuer Ausrüstung. Von dieser konkreten Form der Zusammenarbeit sollten wir in der Wirtschaft lernen. Ich denke dabei an gemeinsame Forschung oder Pilotprojekte. Die Wiederverwertung von CO2 ist so ein Thema, bei dem es sich lohnen könnte die Kräfte zu bündeln.“ In Rotterdam gibt es sehr konkrete Pläne zum Auffangen und Speichern von CO2. In Deutschland ist man weltweit führend bei der Forschung zur industriellen Wiederverwertung von CO2.