Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in den Niederlanden

Einer der augenfälligsten Unterschiede im System der sozialen Sicherheit zwischen Deutschland und den Niederlanden betrifft die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. In Deutschland (ebenso wie in vielen anderen Ländern) übernimmt der Staat relativ schnell die finanzielle Betreuung des erkrankten Arbeitnehmers. Die Zahlungspflicht des Arbeitgebers endet in Deutschland nach sechs Wochen. Ist der Arbeitnehmer darüber hinaus arbeitsunfähig, bekommt er in der Regel Krankengeld von seiner Krankenkasse. Auch wer noch nicht vier Wochen in einem Unternehmen angestellt ist, erhält bei Krankheit Geld von der Krankenkasse. Die Höhe des Krankengeldes richtet sich nach dem Einkommen: Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoeinkommens. Diese Zahlungen bekommen Arbeitnehmer bei erstmaliger Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer bestimmten Krankheit.

Arbeitgeber zahlt zwei Jahre

In den Niederlanden funktioniert das ganz anders. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit (bedingt durch Erkrankung oder Unfall) des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber verpflichtet, über einen Zeitraum von 104 Wochen mindestens 70 Prozent des Salärs weiter zu zahlen. „Es ist aber durchaus üblich, dem Arbeitnehmer im ersten Jahre seiner Krankheit 100 Prozent des Gehalts und im zweiten Jahr 70 Prozent weiter zu zahlen“, sagt Katja van Leeuwen, Marketing & Communication Manager bei Interfisc in Voorburg, einem Dienstleister, der u.a. deutschen Unternehmen eine Anlaufstelle ist, wenn diese Aktivitäten in den Niederlanden entfalten wollen. Im Gegensatz zu Deutschland ist also die Sozialversicherung nicht zur Rückerstattung verpflichtet.

Das Risiko absichern, geht das?

Arbeitgeber mit Firmensitz in den Niederlanden können diesem finanziellen Risiko durch Abschluss einer Arbeitsausfall- oder Krankengeldversicherung begegnen, deren Prämien zu ihren Lasten gehen. Hat jedoch der Arbeitgeber seinen Firmensitz zum Beispiel in Deutschland und beschäftigt Arbeitnehmer, die der niederländischen Sozialversicherungspflicht unterliegen, ist es fast unmöglich, sich gegen ein solches Risiko abzusichern. „In dem Moment nämlich, wo es um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Kombination mit grenzüberschreitendem Arbeiten geht, widersprechen sich nicht selten die Regularien auf dem Gebiet von Arbeitsrecht und Sozialversicherung in beiden Ländern“, erklärt Katja van Leeuwen.

Die so entstandene Grauzone führt dazu, dass sich niederländische Versicherer gerne mal querstellen, wenn etwa deutsche Unternehmen eine solche Versicherung beantragen. Und so sind deutsche Unternehmen, weil sie nicht im niederländischen Handelsregister eingetragen sind, ausgeschlossen von der Möglichkeit, sich in den Niederlanden abzusichern gegen das Risiko einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Das hat damit zu tun, dass EU-Richtlinien vorschreiben, dass in einer grenzüberschreitenden Arbeitssituation das Recht des Landes des Versicherungsnehmers, also des ausländischen Arbeitgebers, Anwendung findet und sich niederländische Versicherer damit nicht auseinandersetzen möchten.

Ausnahmeregelungen machen’s möglich

Trotz aller Bemühungen der zuständigen Instanzen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Grenzen hinaus zusammen zu bringen, zeigt sich immer wieder, wie schwierig die Materie in der Praxis ist. „Wenn allerdings beide Parteien, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, bereit sind, sich in die Materie zu vertiefen und auch zu investieren, gibt es durchaus Lösungsvorschläge, mit denen niederländische Versicherer sich anfreunden können“, betont Fachfrau Van Leeuwen von Interfisc. „In unserem Netzwerk haben sich inzwischen einige Versicherer bereitgefunden, Ausnahmeregelungen zu schaffen, so dass ausländische Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmer, die in den Niederlanden wohnen und arbeiten, in den Niederlanden gut versichert sind.“ Die Voraussetzungen, die ausländische Arbeitgeber im Rahmen dieser Ausnahmeregelungen für den Abschluss einer niederländischen Arbeitsausfall-/ Krankengeldversicherung erfüllen müssen, sind wie folgt:

  • Die zu versichernden Arbeitnehmer müssen in den Niederlanden sozialversichert sein. Sollten sie zu gleicher Zeit auch in anderen Ländern (lohn)steuerpflichtig tätig sein, wird das Welteinkommen versichert unter der Rubrik Arbeitsausfall- und Krankengeldversicherung.
  • Das zu versichernde Jahreseinkommen darf € 125.000 nicht übersteigen.
  • Die Arbeitgeberabgaben können mitversichert werden.
  • Im Falle einer Krankmeldung übernimmt der Versicherer die Abwicklung der erforderlichen administrativen Abläufe. Das heißt, der Arbeitgeber braucht lediglich die Krankmeldungen einzureichen, im Anschluss wird dafür Sorge getragen, dass der Arbeitgeber das von ihm weiterhin gezahlte Gehalt zurückerhält.

„Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass eine Eintragung in das niederländische Handelsregister aufgrund der genannten Ausnahmeregelungen nicht erforderlich ist“, betont Katja van Leeuwen. „Ausschlaggebend ist der Geltungsbereich und die Anwendung der niederländischen Sozialversicherung.“