Tulpen, Käse, Holzschuhe, Linda de Mol oder Silvie Meis: Jedem Deutschen fällt sofort ein Klischee ein, wenn er an die Niederlande denkt. Kulturelle Unterschiede oder Vorurteile von niederländischer Seite sind hingegen weniger bekannt. Gerade, wenn es um geschäftliche Beziehungen geht, gibt es jedoch Punkte, die Sie beachten sollten, wenn Sie im Nachbarland eine erfolgreiche Partnerschaft aufbauen möchten. Lesen Sie den Gastbeitrag von Bjorn Bos, Berater für deutsch-niederländische Geschäftsbeziehungen.
1. Bleiben Sie locker
Ein Deutscher bereitet sich gründlich auf das Gespräch vor. Er erstellt eine perfekte Agenda und eine Checkliste, die er dann im Meeting Punkt für Punkt abhaken kann. Genau in der geplanten Reihenfolge.
Vergessen Sie das! Niederländer gehen offen in eine Verhandlung und lassen sie im Geschäftsverlauf entstehen. Jeder darf diskutieren und seine Meinung frei äußern – wundern Sie sich also nicht, wenn es nicht direkt zur Sache kommt. Zu Beginn sprechen Niederländer gern über Privates, Formalitäten spielen dabei keine Rolle.
Stellen Sie sich auf einen lockeren Gesprächsverlauf ein. Bringen Sie Zeit mit und seien Sie geduldig, während Ihr niederländischer Gesprächspartner vom Hund des Nachbarsjungen seiner Schwägerin erzählt. Erzählen Sie im Gegenzug etwas von Ihrer Katze, die Ihnen morgens die Schuhe bringt, damit Sie Ihre Zeitung holen können.
2. Steigen Sie kurz herunter vom hohen Ross
„Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ kommt bei Niederländern nicht gut an. Wenn ein Niederländer hört, dass ein Verhandlungspartner sich mit Prestige-Symbolen brüstet, betrachtet er ihn als Angeber. Was Deutsche hingegen oft als zweitrangig oder unwichtig betrachten, gefällt den Niederländern: Bescheidenhei
Heben Sie sich Erzählungen über Ihre luxuriösen Schmuckstücke besser für Deutschland auf. Und beharren Sie nicht auf Ihren Doktortitel. Stapeln Sie gerne ein bisschen tiefer.
3. Nein, Deutsch ist keine internationale Sprache
Nederlands spreken? Verstehen Sie das? Sie sollten nicht voraussetzen, dass jeder Niederländer Ihre Sprache spricht. Nur die Niederländer, die im Grenzgebiet wohnen und arbeiten, sprechen etwas Deutsch. In den niederländischen Schulen gibt es zwar noch Deutschunterricht, dieser wird aber immer seltener angeboten. Mittlerweile ist Englisch die wichtigste Fremdsprache in den Niederlanden, jüngere Niederländer beherrschen es ausgezeichnet. Bei international agierenden Unternehmen ist Englisch oft die Geschäftssprache.
Again: German is not an international language. Im Idealfall sprechen Sie in neutralem Englisch. Natürlich ist es noch besser, wenn Sie Niederländisch verstehen. Dann können Sie im Gespräch zuhören und auf Englisch Fragen stellen.
4. Du, ich meinte Sie – oder doch Dich?
Bleiben wir bei der englischen Sprache. Das praktische YOU im Englischen differenziert nicht in Du oder Sie. In den Niederlanden verhält es sich mit dem DU so ähnlich. Duzt ein Niederländer den deutschen Gesprächspartner, darf der Deutsche sich geschmeichelt fühlen, denn es bedeutet, dass er noch für jung gehalten wird. Die Verwendung des DU bezieht sich in den Niederlanden auf das Alter. Selbst im Jahr 2015 siezen einige Niederländer ihre Eltern und Großeltern noch aufgrund des Altersunterschieds, als Zeichen der Wertschätzung. Mit einem DU des niederländischen Verhandlungspartners entsteht jedoch keine dicke Freundschaft, Sie brauchen ihn nicht sofort zu umarmen. Das niederländische DU hat nämlich nichts mit persönlicher Nähe zu tun.
In den Niederlanden wird im Geschäftsleben kaum gesiezt. Es sei denn, der Gesprächspartner ist wesentlich älter als Sie. Wenn Sie das Alter Ihres Gegenübers jedoch nicht einschätzen können, verwenden Sie zunächst die förmliche Ansprache und achten auf seine Reaktionen. Im Laufe des Gesprächs kann einfach, ohne offizielle Ankündigung, die Ansprache ins DU übergehen.
5. Geografie: 6?
Holländer oder Niederländer? Ja, da die Ecke.
Und jetzt richtig: Der offizielle Name des Landes lautet „Königreich der Niederlande“. Die Niederlande umfassen zwölf Provinzen. Und nur zwei Provinzen, Nord- und Südholland, heißen zusammen Holland.
Umgangssprachlich werden die Bezeichnungen Holland und Niederlande synonym verwendet, das beruht aber auf einem Irrtum. Ein Vergleich dazu ist Deutschland und Bayern. Bayern ist ein Teil von Deutschland, aber nicht jeder Deutsche ist ein Bayer.
Also nicht vergessen: Wenn Sie mit einem Niederländer sprechen, kommt er aus den Niederlanden und spricht Niederländisch. Verwenden Sie daher konsequent die Worte „Niederlande“ und „Niederländisch“.
6. Wissen Sie überhaupt, mit wem Sie sprechen?
Seien Sie nicht überrascht, wenn Sie nicht mit dem Chef persönlich reden, sondern mit seinem Angestellten verhandeln. Niederländische Hierarchien sind deutlich flacher als die in Deutschland. Während der deutsche Geschäftsführer ein eigenes Büro besitzt, kann ein Chef in den Niederlanden das Büro mit seinen Mitarbeitern teilen.
Mit wem auch immer Sie im Gespräch sind – seien Sie versichert, dass derjenige über genügend Entscheidungskompetenz verfügt.
7. Kleider machen Leute – nicht Krawatten
Deutscher Dresscode ist nicht gleich niederländischer Dresscode in der Geschäftswelt. Während in Deutschland Krawatten in der oberen Chefetage normal sind, sieht es bei den Niederländern lockerer aus. Wie locker, das hängt von der Firmenkultur ab. Im Finanzsektor trägt man zwar keine bauchfreien Tops, aber im Allgemeinen geht der Trend immer mehr ins Legere. Lassen Sie sich jedoch von der lockeren Kleiderordnung nicht täuschen: Es gibt keine Korrelation zwischen äußerem Erscheinungsbild und wirtschaftlichem Geschäfts- oder Scharfsinn.
8. „Ach, ist das schön hier!“
Mögen Sie die Niederlande? Mögen Sie Tulpen und Käse? Wenn Sie das oder etwas anderes tatsächlich mögen, sagen Sie es Ihrem Nachbarn. Er freut sich darüber! Warum? Das Königreich der Niederlande ist viel kleiner als Deutschland. Wenn ein Deutscher ein ehrliches Kompliment über die Heimat des Niederländers macht, sammelt er Pluspunkte beim Kollegen.
9. Auf „Los!“ geht´s los!
Wenn Deutsche mit Niederländern zusammenarbeiten, müssen sie irgendwann einen Vertrag abschließen. „Wann ist irgendwann?“ ist hier die Frage. Der lockere Niederländer denkt, dass er im Vertrag ist, wenn er „Mach mal“ gesagt hat. Für den deutschen Perfektionisten ist der Vertrag erst abgeschlossen, wenn er einen klaren Auftrag mit schriftlicher Bestätigung bekommen hat und sich sicher ist, dass er sich sicher ist.
Und nun? Zum einen können Sie nach einer wortkargen mündlichen Vertragsbestätigung seitens des Niederländers loslegen. Wirklich? Wirklich! Zum anderen können Sie sich vergewissern, ob es soweit ist, wenn Sie unsicher sind, ob es soweit ist. In diesem Fall fragen Sie gezielt nach Informationen, die Sie vom Niederländer für die Ausführung des Vertrags benötigen.
Wenn Sie nämlich nichts unternehmen, sondern auf weitere Anweisungen warten, nachdem der Niederländer „Mach mal!“ gesagt hat, ist das keine gute Idee. Sind Sie sicher, dass Sie das verstanden haben?
10. Verstehen Sie Spaß?
Treffen sich ein ernster Deutscher und ein lustiger Niederländer zur Vertragsverhandlung … Das ist kein Witz.
Am Anfang eines Gesprächs erzählen Niederländer oft Witze, um das Eis zu brechen. Üblicherweise dienen kleine lustige Geschichten der Auflockerung und fördern die gute Stimmung. Der Deutsche muss also mit einer Anekdote rechnen. Im besten Fall sollte er selbst einen Witz parat haben. Niederländer lachen sehr gerne. Lachen Sie mit und erzählen Sie am besten einen Witz über Deutsche.
An dieser Stelle ein Witz: Ein Deutscher und ein Amerikaner wetten, wer schneller ein Haus bauen kann. Nach vier Wochen telegrafiert der Amerikaner: „Noch 14 Tage und ich bin fertig!“ Antwortet der Deutsche: „Noch 14 Formulare und ich fang‘ an!“ (Gefunden bei witzdestages.net)
Fazit: Seien Sie für eine Weile nicht so deutsch! Sprechen Sie die Sprache der Niederländer. So klappt‘s auch mit dem Nachbarn.
Über den Autor
Bjorn Bos (1977) ist Geschäftsführer von Thinking Marketing und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Online- und Offline-Marketingkommunikation mit Spezialisierung auf Niederlande-Deutschland-Marketing. Er berät sowohl niederländische als auch deutsche KMU, wenn es um Marktforschung, Strategie und Positionierung im jeweiligen Nachbarland geht.