Seit ihrem „Memorandum of Understanding“ im April 2019 arbeiten die nordrhein-westfälische Förderbank NRW.BANK und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der niederländischen Provinz Limburg LIOF eng zusammen. Ziel dieser grenzüberschreitenden Partnerschaft ist es, Unternehmer euregional miteinander zu vernetzen und grenzüberschreitende Aktivitäten für deutsche und niederländische Unternehmer zu erleichtern. Nun sind die NRW.BANK und LIOF zudem Partner im EEN, dem „Enterprise Europe Network“ der EU-Kommission. Die kostenfreien Angebote dieses Netzwerks beinhalten beispielsweise Informationen zu internationalen Märkten und EU-Fördermitteln oder auch die Vermittlung von passenden Partnern für Forschungsprojekte, Vertriebspartnern und Zulieferern. Im Interview mit AHA24x7 erläutern Petra Milesevic, Prokuristin und Associate Director der NRW.BANK, und Rob Pijpers, International Trade Developer bei LIOF, die Zielvorgaben und Ambitionen des Enterprise Europe Network.
AHA24x7.com: Frau Milesevic, Herr Pijpers, was macht den Mehrwert des Enterprise Europe Network aus?
Petra Milesevic: Das EEN steht für praktische Hilfe und offene Türen. Wir sind ein wichtiger Ansprechpartner für die Unternehmen bei uns in der Region. Auch wenn wir nicht immer die benötigte Antwort kennen oder die richtige Adresse für alle Anfragen sind, ist es unser Anspruch, mit Hilfe des Netzwerks die benötigten Kontakte für das jeweilige Unternehmen herzustellen. Um das zu ermöglichen, arbeiten wir aktiv im Netzwerk mit. Beispielsweise sind wir Teil von diversen Arbeitsgruppen, die es uns auch ermöglichen, über den Tellerrand zu schauen, zu erfahren, wie in anderen Mitgliedsstaaten aktuelle Herausforderungen angegangen werden, und natürlich Kontakte zu knüpfen, von denen dann die Unternehmen hier in der Region profitieren können. Das EEN ist ein sehr lebendiges Netzwerk und lebt von der Vernetzung der Akteure untereinander.
„Immer liegt der Fokus darauf, wie Unternehmen dabei unterstützt werden können, ihre Potenziale zu nutzen und natürlich auch Förderprogramme in Anspruch zu nehmen. “
AHA24x7.com: Das EEN verfolgt einen Regionalansatz. Heißt das, dass Partnerschaften etwa an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Limburg bei der Beratung und Finanzierung von Unternehmen Exklusivität genießen?
Petra Milesevic: Das EEN ist ein EU-Beratungsnetzwerk. Das ursprüngliche Ziel bei der Gründung 2008 durch die EU-Kommission war, ein Beratungsangebot zu unterbreiten zur Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Regionalansatz bedeutet in dem Fall, dass es in der gesamten EU in jeder Region EEN-Ansprechpartner gibt, die Mitglieder im Netzwerk und auch untereinander vernetzt sind. Hieraus lassen sich jedoch keine weitergehenden Ansprüche herleiten.
Beratungsschwerpunkt war zunächst die Internationalisierung, später kamen Technologie und Innovation hinzu. Immer liegt der Fokus darauf, wie Unternehmen dabei unterstützt werden können, ihre Potenziale zu nutzen und natürlich auch Förderprogramme in Anspruch zu nehmen. Über die Jahre hat sich das Netzwerk sehr erfolgreich weiterentwickelt, so dass Unternehmen immer vor Ort einen Partner finden können. Das funktioniert in der ganzen EU auf regionaler Ebene sehr gut. Welche Institutionen daran teilnehmen, ist sehr verschieden. Das können – wie etwa die NRW.BANK – Förderbanken sein, aber auch Industrie- und Handelskammern oder beispielsweise auch Innovations-Hubs; das ist je nach Region unterschiedlich, je nachdem, wo diese ihre Schwerpunkte haben.
„Für uns als Förderbank gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Unternehmen meistens so, dass wir über das angedachte Projekt im Ausland sprechen und den genauen Finanzierungsbedarf ermitteln. Anschließend recherchieren wir dann ganz individuell die einzelnen Fördermöglichkeiten, die in Deutschland, im Zielland und von der EU zur Verfügung stehen könnten.“
Aber das Netzwerk ist auch ein Partnering-Netzwerk. Wenn beispielsweise ein Unternehmen aus NRW nach Polen expandieren möchte, dann kann das EEN bei der Partnersuche aktiv unterstützen. Wichtig ist, dass man sich bilateral zusammensetzt und miteinander spricht, denn es existieren vielfältige Möglichkeiten der Kooperation. Beispielsweise können wir über die EEN-Datenbank ein passgenaues Profil anlegen, um so den richtigen Partner aus der Forschung oder Wirtschaft vor Ort zu finden.
Für uns als Förderbank gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Unternehmen meistens so, dass wir über das angedachte Projekt im Ausland sprechen und den genauen Finanzierungsbedarf ermitteln. Anschließend recherchieren wir dann ganz individuell die einzelnen Fördermöglichkeiten, die in Deutschland, im Zielland und von der EU zur Verfügung stehen könnten. Wenn zum Beispiel ein deutsches Unternehmen in Spanien eine neue Produktionsstätte aufbauen möchte, dann beinhaltet unsere Recherche auch die Kontaktaufnahme mit den regionalen EEN-Partnern. Diese können dann beispielsweise bei der Standortsuche, Kontakten zu lokalen Behörden und natürlich regionalen Fördermitteln weiterhelfen.
AHA24x7.com: Für eine Region von überschaubarer Größe und Bedeutung wie Limburg sind Nordrhein-Westfalen und Deutschland für Unternehmen sicherlich wichtiger als ein Engagement in Fernost oder den USA, oder?
Rob Pijpers: Wenn es Unternehmen in weiter entfernte Länder zieht, hängt da doch eine ganze Menge mehr dran als einfach nur Unternehmen, die gerade was miteinander machen, die sich gegenseitig unterstützen. Man glaubt immer, dass die wirklich interessanten Sachen immer woanders passieren, ganz weit weg. Oftmals kriegen wir aber nicht mal richtig mit, welche interessanten Entwicklungen sich ganz in der Nähe, auf der anderen Seite unserer gemeinsamen Grenze, abspielen und welche Chancen das bietet. Daher gilt es zu zeigen, was die Region als Ganzes zu bieten hat, das ist unsere gemeinsame Aufgabe.
„Der Wirtschaftsstandort Limburg sticht heraus in den Branchen Life Science and Health, Agrartechnologie, Food, Logistik, Chemie und Werkstoffe.“
AHA24x7.com: Welche sind die Themen der Zukunft für ein solch breit gestecktes Netzwerk wie Enterprise Europe Network?
Rob Pijpers: Ganz eindeutig sind dies die vier Themenkomplexe der Transition: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Gesundheit und Energie. Auf diesem Terrain hat Limburg durchaus etwas zu bieten, in bestimmten Sektoren gerade auch dem Nachbarn Nordrhein-Westfalen. Nun arbeitet LIOF seit 2020 aber nicht mehr sektor-orientiert, wir haben die genannten Transitionen zum Leitmotiv erhoben. Das betrifft also die Förderung der erneuerbaren Energien ebenso wie die Bereiche Gesundheit, Digitalisierung und nachhaltiges Wirtschaften. Der Wirtschaftsstandort Limburg sticht heraus in den Branchen Life Science and Health, Agrartechnologie, Food, Logistik, Chemie und Werkstoffe. Und alles, was wir für die Betriebe in diesen Sektoren unternehmen, bezieht sich auf das Thema Transition.
Petra Milesevic: Genau das deckt sich ja mit den Zielvorgaben der Europäischen Union. Die EU-Kommission legt ganz bewusst den Fokus auf diese Erneuerungsprozesse z.B. mit Blick auf die Energiewende und die Kreislaufwirtschaft. Denn die EU möchte das Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen als Leitlinie und Messlatte etablieren – nicht nur aus ökonomischer und ökologischer Sicht, sondern auch mit Blick auf das Arbeitsleben; da geht es auch um faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen.
Bei allem, was wir als EEN-Partner vorantreiben, bestimmt dieser Ansatz unser Handeln. Es geht darum, Unternehmen aufzuzeigen, dass es sich trotz voller Auftragsbücher lohnt, sich mit Veränderungen zu beschäftigen und die Herausforderungen der Zukunft anzugehen, so dass sie grüner, nachhaltiger und anpassungsfähiger agieren können. Und genau auf diesem Weg können wir Unternehmen als EEN unterstützen. In unserer täglichen Arbeit haben wir es nämlich nicht nur mit Startups zu tun, die vielleicht schon von Beginn an in diesen Bereichen gut aufgestellt sind, sondern auch mit etablierten Unternehmen, die sich angesichts der Herausforderungen der Zeit jetzt dringend umstellen müssen.