Wenn die Pandemie eins ans Licht gebracht hat, dann die Tatsache, dass auch in den Niederlanden die Gesundheitsversorgung mächtig unter Druck steht. Eine alternde Gesellschaft, die Zunahme von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Demenz oder Herz-und Gefäßbeschwerden haben eine kontinuierlich wachsende Nachfrage nach medizinischer Betreuung hervorgerufen. Um die Gesundheitsversorgung auch in Zukunft zugänglich und bezahlbar zu halten, in optimaler Qualität gewährleisten zu können und gesund zu bleiben, ist eine gut abgestimmte Zusammenarbeit von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Unternehmen, Hochschulen, Verwaltungen und Patienten unerlässlich.
Die „Stichting Health Valley Netherlands“ im Osten der Niederlande gilt als das fortschrittlichste und innovativste Netzwerk im dortigen Gesundheitswesen. Die Non-Profit-Organisation mit Sitz in Nimwegen zählt gut 245 Mitglieder, darunter Kliniken und Pflegeeinrichtungen, aber auch kommunale oder Provinzverwaltungen sowie Hersteller von Medikamenten, medizinischen Hilfsmitteln und Diagnostikapparatur sowie Entwickler von Apps und IT-Systemen zum Austausch von Patientendaten. „Ziel ist es, unser medizinisch-technologisches Wissen und unsere Kontakte jungen, innovativen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Innovationen zügig auf den Markt bringen können“, erklärt Chris Doomernik, geschäftsführende Direktorin von Health Valley im Gespräch mit AHA24x7.com. Die Ausweitung der Zusammenarbeit mit deutschen Partnern und regelmäßige Matchmaking- und Netzwerkveranstaltungen mit Startups jenseits der Grenze seien dabei Bestandteil des Programms.
AHA24x7.com: Frau Doomernik, was war der ursprüngliche Gedanke, der zur Gründung von Health Valley geführt hat?
Chris Doomernik: Es gab 2004 eine Initiative der Regierung, die zum Ziel hatte, die Stärken bestimmter Regionen zu fördern. Im Osten des Landes, namentlich in den Provinzen Gelderland und Overijssel, machte man sich im Rahmen dieses Projekts daran, die Bereiche Food, Technology und Health verstärkt auszubauen. Beteiligt haben sich damals unter anderem das Technologieunternehmen Philips, Radboudumc Nimwegen, mehrere kommunen, die genannten Provinzen und die regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaft Oost-NL. Ziel war es, eine dauerhafte Verbindung zwischen Unternehmen, Hochschulen und Politik zustande zu bringen, um deren geballtes Know-how an die Gesellschaft weiterzugeben – Know-how, das gemeinhin an Hochschulen und Universitäten entwickelt wird. Dies hat damals dazu geführt, dass namhafte Wissenseinrichtungen eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zum Wohle der Gesellschaft als ganze ins Auge fassten und Überlegungen anstellten, ihre Expertise in die Hände junger, innovativer Unternehmen zu geben, die wir heute wohl als Startups bezeichnen würden. Seit dieser Zeit ist auch der Name Health Valley auf dem Markt. 2006 wurde die Stichting Health Valley gegründet und als unabhängige Organisation bei der Kamer van Koophandel registriert. Heute zählt unser Team 9 Mitarbeiter/innen, ausnahmslos Akademiker, Generalisten mit jeweils einem Spezialgebiet, das sie in die Lage versetzt, mit Experten vom Fach ins Gespräch zu gehen. Unser Auftrag lautet, Wissen über Technologien und Innovationen im Gesundheitswesen unter die Leute zu bringen und hierin eine treibende Kraft zu sein.
„Menschen etwa, die den Status quo ihrer Gesundheit immer im Blick haben möchten, können die gesammelten Daten mit Apps verknüpfen, bei Bedarf einsehen und medizinischem Fachpersonal zur Verfügung stellen. Computersysteme und Algorithmen können Verbindungen herstellen und Sachverhalte offenlegen, die Menschen so schnell nicht erfassen können.“
AHA24x7.com: Welcher Art sind die Organisationen, die sich Ihrem Netzwerk angeschlossen haben?
Chris Doomernik: Die kommen aus den verschiedensten Bereichen und Branchen. Mitglied sind bei Health Valley etwa Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderung, kleine und mittlere Unternehmen, die Medikamente oder medizinische Hilfsmittel herstellen, Hersteller von Diagnostikapparaten oder Rollstühlen, Entwickler von Apps und IT-Systemen, also im Grunde all jene Betriebe und Einrichtungen, die in der Gesundheitsversorgung unterwegs sind. Daneben zählen wir aber auch kommunale und Provinzverwaltungen sowie Regierungsinstitutionen zu unseren Mitgliedern. Die sind für das Wirken von Health Valley genauso wichtig wie etwa Hochschulen, Universitäten und die regionalen Berufsausbildungszentren. Wir sehen unsere Aufgabe darin, stets im Bilde zu sein über das, was gerade passiert, welche Themen sich aufdrängen, welche Unternehmen mit neuen Technologien auf den Markt drängen; manche von denen sind vielversprechend, andere wiederum packen es nicht. Eine Organisation wie Health Valley agiert ständig an vorderster Front, wir wissen in der Regel, wo die Musik spielt!
AHA24x7.com: „Innovation in der Gesundheitsversorgung“ ist ein immer wiederkehrendes Schlagwort bei den Aktivitäten des Netzwerks. Wie geht Health Valley dabei vor und wie koordinieren Sie die Aktivitäten Ihrer Partnerorganisationen?
Chris Doomernik: Als Beispiel unseres Vorgehens und unserer Rolle könnte es kein besseres geben als jenes während der erratischen Suche nach Antworten auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie. Eine Vielzahl von Parteien war im vergangenen Jahr auf der Suche nach schnellen Lösungen. Die anfänglich schwierige Bereitstellung von Beatmungsgeräten und Mund-Nasenmasken zum Beispiel hat jede/r noch gut in Erinnerung. Health Valley hat damals sogleich den Kontakt gesucht zu Unternehmen, die kreative und flexible Lösungen anboten, sich aber als Folge der Pandemie nicht selten schon in finanzieller Schieflage befanden. Hier sind wir als Mittler zwischen den Unternehmen und der Regierung aufgetreten. Unsere Stärke liegt darin, dass wir durch unser breites Netzwerk in der Lage sind, sozusagen „auf dem kurzen Dienstweg“ Parteien zusammenzuführen.
Wichtige Innovationsbereiche im Gesundheitssektor sind heutzutage jene, die mit Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Monitoring einhergehen. Innovationen sind Investitionen in die Gesundheit von morgen. Menschen etwa, die den Status quo ihrer Gesundheit immer im Blick haben möchten, können die gesammelten Daten mit Apps verknüpfen, bei Bedarf einsehen und medizinischem Fachpersonal zur Verfügung stellen. Computersysteme und Algorithmen können Verbindungen herstellen und Sachverhalte offenlegen, die Menschen so schnell nicht erfassen können. Es geht darum, wie man solche neuen Technologien anwenden kann, um Menschen schnell und effizient gesunden zu lassen. Oder um zu erfassen, ob jemand von Krankheit bedroht ist, nach Signalen zu schauen, technologische Innovationen einzusetzen, um mögliche „Abweichungen“ zu ermitteln.
„Aktuell betreiben wir zusammen mit Oost-NL ein Cross-Border-Projekt für deutsche Startups, die auf dem niederländischen Markt Fuß fassen möchten.“
AHA24x7.com: Bei der Digitalisierung hat das deutsche Gesundheitswesen wie auch die Bundesrepublik insgesamt einigen Nachholbedarf. Wie steht es mit der Zusammenarbeit zwischen Health Valley und Organisationen jenseits der Grenze?
Chris Doomernik: Wir haben zum Beispiel mit der Euregio Rhein-Waal von 2016 bis 2019 ein Projekt organisiert mit dem Titel „Versorgung verbindet“. Dieses hatte zum Ziel, die Zusammenarbeit von Gesundheitseinrichtungen in Deutschland und den Niederlanden zu stärken. Das hat zu guten Kontakten geführt. Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit deutschen Partnern nach Möglichkeiten gesucht, Unternehmen mit ins Boot zu bekommen mit dem Ziel Probleme zu lösen, mit denen sich Ärzte und Einrichtungen konfrontiert sehen. Aktuell betreiben wir zusammen mit Oost-NL ein Cross-Border-Projekt für deutsche Startups, die auf dem niederländischen Markt Fuß fassen möchten. Zudem organisieren wir jedes Jahr im März den größten Innovationskongress unserer Branche in den Niederlanden: das internationale Health Valley Event in Nimwegen, an dem gut 1.200 Gäste aus dem In- und Ausland teilnehmen, um ihr Wissen zu teilen und zusammenzuführen. Während dieses Events können sich ausländische Unternehmen darstellen und Kontakte herstellen zu potenziellen niederländischen Partnern.
AHA24x7.com: Klopfen bei Health Valley deutsche Unternehmen schon mal direkt an die Tür mit der Bitte, um Verwendung?
Chris Doomernik: Allerdings, zum Beispiel Investoren, die auf den niederländischen Gesundheitsmarkt wollen mit ihrem Produkt. In der Regel jedoch wenden die sich zunächst an deutsche Netzwerke. Wir pflegen eine ausgesprochen kollegiale Zusammenarbeit mit vergleichbaren Netzwerken in Deutschland, und so kommt es vor, dass sich diese mit dem Wunsch eines Investors an uns wenden. Wir helfen aber jedem, der an unsere Tür klopft, gerne weiter!