Aufgrund der knapper werdenden Intensivbetten in den Niederlanden nehmen derzeit mehrere nordrhein-westfälische Krankenhäuser Patienten aus dem Nachbarland auf. Die Koordination übernimmt wie im April das Universitätsklinikum Münster (UKM), wo eigens ein Webportal entwickelt wurde, um die Koordination zu vereinfachen.
Laut der NRZ liegen derzeit über 2.000 Niederländer mit einer Covid-19-Erkrankung in einem Krankenhaus, 463 von ihnen auf einer Intensivstation (Stand: 22. Oktober). Notaufnahmen mussten bereits temporär geschlossen und Patienten innerhalb des Landes umverteilt werden. Am Donnerstag meldete das RIVM 9.271 neue Fälle, innerhalb der vergangenen sieben Tage stieg die Anzahl positiv getesteter Menschen damit um 58.451.
Die Niederlande verfügen lediglich über sieben Intensivbetten pro 100.000 Einwohner, in Deutschland sind es 34. Deshalb wurde im Nationalen Koordinierungszentrum für Patientenverteilung (LCPS) in der vergangenen Woche entschieden, nicht zu warten, bis die niederländischen Kapazitäten an Krankenhausbetten vollständig erschöpft sind. „Wir denken vor allem an die Patienten: Ein Transport mit Krankenwagen, mobilen Intensivstationen oder mit dem Hubschrauber ist zum jetzigen Zeitpunkt deutlich weniger gefährlich, als wenn ein Patient bereits drei Wochen schwerkrank auf der Intensivstation gelegen hat“, so Prof. Dr. Ernst Kuipers, Leiter des Netzwerkes Akute medizinische Versorgung (LNAZ).
Webportal als große Hilfe
Für die Koordination wurde am UKM gemeinsam mit dem Plattformanbieter OutSystems ein eigenes Webportal konzipiert, die Programmierung erfolgte als Hilfsprojekt kostenneutral. „Im Frühjahr haben wir die Koordination innerhalb von 24 Stunden auf die Beine gestellt und in der Akutphase mit Excel-Tabellen, per Telefon und Mail gearbeitet“, erklärt Dr. Vincent Hofbauer, Leiter des Internationalen Patientenmanagements. „Die in Sachen Corona etwas ruhigeren Sommermonate haben wir dafür genutzt, ein Webportal zu entwickeln, auf das alle beteiligten Häuser in Deutschland und den Niederlanden Zugriff haben und so in Echtzeit freie Betten angezeigt und mögliche Übernahmen von Patienten auf den Weg gebracht werden können.“ Die Niederländer können direkt das passende Haus auswählen und kontaktieren, die deutschen Kliniken können wiederum täglich ihre freien oder belegten Kapazitäten anpassen.
„Digitalisierung spielt im Gesundheitswesen eine immer größere Rolle“, sagt Dr. Christoph Hoppenheit, Kaufmännischer Direktor des UKM. „Uns ist es wichtig, solche Tools zu nutzen, um Prozesse für alle Beteiligten zu vereinfachen. Und das geht auch über Ländergrenzen hinaus, wie dieses Beispiel hervorragend zeigt.“ Bereits 85 Häuser sind im System registriert, im Schnitt ein bis zwei Betten stellen die Krankenhäuser zur Verfügung. „Das ist auch so gewollt, denn natürlich sollen in jeder Region auch ausreichend Betten für die dort beheimateten Bürger vorgehalten werden“, erklärt Van Aken. Im Frühjahr beteiligten sich insgesamt 122 Kliniken an der Nachbarschaftshilfe, von einer ähnlichen Anzahl gehen die Verantwortlichen des UKM auch diesmal aus, das Portal füllt sich täglich. Angefragt wurden alle 400 Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen.
Anfrage bereits Ende September
Bereits Ende September nahm die niederländische Regierung aufgrund der steigenden Infektionszahlen Kontakt zum Land NRW und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann auf, ob die deutschen Nachbarn im Falle hoher Zahlen von Intensivpatienten erneut unterstützen würden. Im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Düsseldorf entschied man sich, dafür auf die bewährte Zusammenarbeit zwischen dem UKM und LNAZ zurückzugreifen. Für die Koordination der Hilfe im Frühjahr hatte sich neben der niederländischen Regierung zuletzt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim UKM bedankt.
Die Vergütung der Krankenhausbehandlung wird weiterhin durch die niederländischen Kostenträger nach dem europäischen Sozialversicherungsabkommen sichergestellt (sogenanntes S2-Schein-Verfahren).