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Parlamentswahl in den Niederlanden: Rekorde und Überraschungen

Zwischen dem 15. und 17. März fand in den Niederlanden die Parlamentswahl statt, bei der die 150 Abgeordneten der Zweiten Kammer gewählt wurden. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte geht mit seiner rechtsliberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) als klarer Sieger aus der Wahl hervor. Der 54-Jährige tritt damit seine vierte Amtszeit als Regierungschef der Niederlande an – das ist ein neuer Rekord. Daneben konnten sich auch die linksliberalen Demokraten 66 freuen, die die zweitmeisten Stimmen bekamen. Nun starten die Verhandlungen für die Koalitionsbildung.

Der seit bereits zehn Jahren regierende Minsterpräsident Mark Rutte wurde bei den Wahlen der Zweiten Kammer mit seiner konservativ-liberalen Partei VVD von knapp einem Viertel der wahlberechtigten Niederländer in seine mittlerweile vierte Amtszeit geschickt. Damit wird Rutte in anderthalb Jahren der am längsten regierende Ministerpräsident der Niederlande sein. Die VVD konnte sich nach aktuellen Hochrechnungen durch ihren Sieg 35 Parlamentssitze sichern.

Die Tagesschau zitierte den Spitzenkandidaten Rutte: „Wir sind das vierte Mal in Folge die größte Partei der Niederlande geworden. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren den Auftrag bekommen, das Land durch eine Reihe von Krisen zu lotsen – erst durch die wirtschaftliche Rezession, dann durch die Flüchtlingskrise und jetzt führen wir als größte Partei das Land durch die Corona-Krise.“ Dennoch musste Ruttes Regierung auch Niederlagen einstecken: Sie erklärte im Januar ihren Rücktritt wegen eines Skandals um zu Unrecht zurückgeforderte Beihilfen für die Kinderbetreuung. Auch wegen der Corona-Politik und der verhängten Ausgangssperre wurde die Regierung vielfach kritisiert. Auf die Wahlergebnisse hatte dies offenbar keinen Einfluss.

Überraschende Gewinner und Verlierer

Während Ruttes Sieg vorhersehbar war, hielt das Rennen um den zweiten Platz eine große Überraschung parat: Hier setzte sich die linksliberale D66 mit weitem Abstand durch und kann sich damit voraussichtlich 24 der 150 Sitze sichern. Dies ist unter anderem auf die populäre Spitzenkandidatin Sigrid Kaag zurückzuführen. Die bisherige Außenhandelsministerin gilt als ein neuer Star der niederländischen Politik. Zudem konnte D66 im Wahlkampf mit ihrer Klimapolitik und europafreundlichen Positionen punkten. Die Demokraten verdrängten somit die Rechtspopulisten der Partij voor de Vrijheid (PVV) um Geert Wilders vom zweiten auf den dritten Rang, wo sie nun mit 17 Parlamentssitzen vertreten sind – drei weniger als bislang.

Dennoch konnten die Rechtspopulisten mit insgesamt 27 Mandaten ihre Vertretung im Parlament ausweiten, da die FvD des Nationalisten Thierry Baudet fünf Sitze dazugewann und eine Abspaltung dieser Partei, die JA21, mit drei Sitzen ins Parlament einzieht. Erstmals in einem europäischen Parlament wird auch die junge pan-europäische Bewegung Volt vertreten sein. Sie tritt im September auch bei der Bundestagswahl in Deutschland an. Als Verlierer der diesjährigen Wahl gelten Christdemokraten, Grüne und Sozialisten, die einen Großteil ihrer Stimmen an D66 abtreten mussten.

Koalitionsbildung

Zusätzlich zu den 13 Parteien, die bisher schon im Parlament vertreten waren, ziehen nach der Prognose noch vier weitere Parteien in die Zweite Kammer ein, sodass dort künftig 17 Parteien vertreten sein werden. Somit steigt die Zahl der möglichen Parteizusammensetzungen für die zu bildende Regierung noch weiter. Koalitionsverhandlungen gestalten sich in den Niederlanden traditionell langwierig und kompliziert. Bei der letzten Wahl im Jahr 2017 dauerte es ganze 200 Tage, bis die neue Koalition stand. Aufgrund des Wahlergebnisses liegen Gespräche mit D66 auf der Hand. Wenn nun noch die Christdemokraten und die Christen-Union dazukämen, wäre dies eine Fortsetzung der bisherigen Koalition.

Ob Rutte erneut mit seinen bisherigen drei Partnern eine Mitte-Rechts-Regierung bilden wird, ist jedoch noch keine ausgemachte Sache. Kaag hatte bereits angedeutet, dass sie nur mit einer anderen progressiven Partei in die Regierung zurückkehren wolle. Dies würde eher für einen Zusammenschluss mit den linken Parteien PvdA oder GroenLinks sprechen. Zusammen mit der sozialistischen Partei SP könnte so die benötigte Mehrheit in der Zweiten Kammer erreicht werden.

Wahl unter Pandemie-Bedingungen

Wegen der anhaltenden COVID-19-Pandemie gab es einige Besonderheiten, für die das Wahlgesetz kurzfristig geändert wurde: Wahlberechtigte ab 70 Jahren konnten ausnahmsweise die sonst nur im Ausland lebenden Niederländern vorbehaltene Briefwahl nutzen. Pro Gemeinde wurde mindestens ein Wahllokal bereits am 15. und 16. März, also an den beiden Tagen vor dem eigentlichen Wahltag, geöffnet. Die Maßnahmen sollten für weniger Andrang sorgen und so das Infektionsrisiko verringern. Außerdem richteten die Niederländer Wahllokale an ungewöhnlichen Orten ein, zum Beispiel in Kirchen, Museen und sogar in einem Friedhofsgebäude sowie einem ehemaligen Gefängnis. Trotz Pandemie lag die Wahlbeteiligung wie vor vier Jahren bei etwa 82 Prozent.