Es hatte sich im Laufe des Tages bereits angekündigt, gestern Abend folgte die Bestätigung: Die Niederlande reagieren auf die sprunghaft steigende Zahl Covid-19-Infizierter mit teils drastischen Maßnahmen. Unter anderem schließen Restaurants, Cafés und Kneipen für vier Wochen. Nach langer Diskussion soll nun auch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend sein. Alle neuen Maßnahmen gelten zunächst für vier Wochen.
Als Ministerpräsident Mark Rutte und Gesundheitsminister Hugo de Jonge vor die Presse traten, dürfte den meisten Niederländern schon klar gewesen sein, dass sie sich auf erneut harte Einschnitte im Alltag gefasst machen dürften. Doch die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Verbreitung dürften mit Blick auf die alarmierenden Zahlen alternativlos sein. Zwischen dem 7. und 13. Oktober meldete das niederländische Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (RIVM; vergleichbar mit dem Robert-Koch-Institut) fast 44.000 neue Corona-Fälle – eine Steigerung von über 50 Prozent im Vergleich zur Vorwoche.
„Dem Coronavirus wurde zu viel Raum gegeben, um sich wieder auszubreiten. Das Kabinett hat heute beschlossen, dass strengere Maßnahmen erforderlich sind, um die Zahl der Infektionen zu reduzieren“, heißt es zu Beginn der Regierungsmitteilung. „Dabei greifen wir dort ein, wo das Risiko einer Übertragung des Virus am größten ist. Durch die Begrenzung der Anzahl der Kontaktmomente und der Reisetätigkeit, die Unterstützung der Menschen bei der Einhaltung der Grundregeln und eine strengere Durchsetzung.“
Gastronomie schließt – Mund-Nasen-Schutz-Pflicht kommt
Besonders hart trifft es die Gastronomie, die mindestens vier Wochen lang keine Gäste empfangen kann. Schon am 15. März musste sie im Zuge des ersten Lockdowns mehrere Wochen schließen. Wie im Frühjahr soll es aber auch diesmal möglich bleiben, Essen abzuholen. Einzelhandelsgeschäfte müssen spätestens um 20 Uhr schließen, die in den Niederlanden beliebten Kaufabende dürfen nicht stattfinden. Zwischen 20 und 7 Uhr ist es verboten, Alkohol oder weiche Drogen in der Öffentlichkeit mit sich zu führen oder zu konsumieren. Hotels dürfen geöffnet bleiben.
Zudem haben sich die Niederlande nach vielen Monaten der Diskussion nun doch dazu durchgerungen, eine Mund-Nasen-Schutz-Pflicht für geschlossene Räume – z.B. Geschäfte und andere öffentliche Gebäude – einzuführen. Die Regel gilt für Niederländer ab 13 Jahren. Auf weiterführenden Schulen (voortgezet onderwijs), in der Oberstufe (MBO) sowie in den Hochschulen und Universitäten muss außerhalb des Unterrichts/der Vorlesungen ebenfalls ein MNS getragen werden. Zuvor galt die Maskenpflicht nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Kontaktsportverbot, aber Profifußballer spielen weiter
Die Maßnahmen beziehen sich auch auf die eigenen vier Wände: Die Niederländer dürfen in ihrem Zuhause täglich maximal drei Gäste empfangen. In der Öffentlichkeit dürfen sich in Räumen, in denen Menschen sitzen, maximal 30 Personen befinden. Sowohl drinnen als auch draußen dürfen sich höchstens vier Personen verschiedener Haushalte als Gruppe aufhalten.
Für alle Niederländer über 18 Jahren gilt ab sofort ein Verbot für Kontaktsportarten wie Fußball, Basketball und Hockey. Es gilt nicht für Spitzensportler, die an ausgewiesenen Standorten trainieren sowie für die Fußballspieler in der Eredivisie und der Eerste divisie. Alle Partien werden jedoch als Geisterspiele ausgetragen.
Neuerliches Veranstaltungsverbot
Auch die Veranstaltungsbranche muss einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Ab sofort sind alle Events untersagt. Ausnahmen gibt es für Lebensmittelmärkte, Messen und Kongresse, Kinos und Theater, sportliche Wettkämpfe sowie Demonstrationen, Versammlungen und Zusammenkünfte im Sinne des Versammlungsgesetzes.
Die Regierung hat hingegen kein Reiseverbot ausgesprochen, empfiehlt aber, darauf weitestgehend zu verzichten. Wer sich dennoch im Urlaub befindet, sollte, wenn möglich, viel Zeit in seiner Unterkunft verbringen, Ausflüge beschränken und überfüllte Örtlichkeiten meiden.
Eventuelle Nachjustierung nach zwei Wochen
Die landesweiten Maßnahmen gelten ab heute (Mittwoch), 22 Uhr. Bis zum 27. Oktober prüft und beurteilt das Kabinett, wie es danach weitergeht. Es müsse deutliche Hinweise daraus geben, dass sich die Zahl der Infizierten verringere, bevor man mit Sicherheit sagen könne, ob die ergriffenen Maßnahmen erfolgreich seien. Erst dann könne man sie überdenken und gegebenenfalls nachjustieren.